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Söder räumt als erster Ministerpräsident ein: Schulen sind Infektionsherde

BERLIN. Kommen die Bundesländer beim Bund-Länder-Gipfel am kommenden Mittwoch um Einschränkungen beim Schulbetrieb nicht mehr herum? Angesichts von immer mehr Ausbrüchen an Schulen – allein in den vergangenen zwei Wochen gab es mindestens vier mit jeweils Dutzenden von infizierten Schülern und Lehrern – scheint die Politik der weit offenen Klassenräume kaum mehr haltbar zu sein. Jetzt räumt der erste Ministerpräsident, Bayerns Regierungschef Söder (CSU), sogar ein, dass Schulen sehr wohl Infektionsherde sind. Die KMK will trotzdem nur im Ausnahmefall von ihrem Kurs abweichen.

Bei immer mehr Schülern und Lehrern werden Corona-Infektionen festgestellt. Foto: Shutterstock

Merkel sagte in Berlin bei einem gemeinsamen Auftritt mit Scholz nach dem G20-Gipfel führender Wirtschaftsmächte, welche Maßnahmen genau ergriffen würden, «dem kann ich und will ich heute nicht vorgreifen». Sie versicherte: «Die Bürgerinnen und Bürger sollen von Bund und Ländern eine geschlossene, gemeinsame Antwort bekommen. Darauf haben sie eigentlich ein Recht. Und daran arbeiten wir jetzt diesmal sehr intensiv.» Tatsache sei, «dass wir noch nicht soweit sind, wie wir gerne gekommen wären durch die Kontaktbeschränkungen».

Kein Bundesland beachtet bislang die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für die Schulen

Merkel (CDU) hatte die Ministerpräsidenten auf dem Bund-Länder-Gipfel in der vergangenen Woche gedrängt, die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für die Schulen einzuhalten – eine Entscheidung darüber wurde auf kommenden Mittwoch vertagt. Das RKI sieht bereits ab einem Inzidenzwert von 50 für alle Schulen des betroffenen Gebiets eine generelle Maskenpflicht im Unterricht (also auch in Grundschulen) sowie eine Verkleinerung der Lerngruppen vor, damit die Abstandsregel in den Klassenräumen eingehalten werden kann (News4teachers berichtet ausführlich über die Empfehlungen des RKI für den Schulbetrieb – hier geht es hin). Kein Bundesland beachtet bislang diese Empfehlungen.

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Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), derzeit als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz für die Organisation einer Länder-Linie zuständig, sagte: «Wir sind uns einig, dass schon viel erreicht wurde, aber nicht genug.» Er ergänzte: «Wie lange wir verlängern müssen und wie genau wir das ausgestalten, wird gerade untereinander besprochen.»

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erklärte im ARD-«Bericht aus Berlin», es gebe keinen Grund zur Entwarnung. Deswegen «werden wir den Lockdown sicherlich zu verlängern vorschlagen. Und an einigen Stellen – insbesondere in den Hotspots – auch deutlich zu vertiefen.» Söder sagte, neben weiteren Kontaktbeschränkungen müsse vor allem das Thema Schule diskutiert werden. Insbesondere in den Hotspots mit besonders hohen Corona-Zahlen sei es so, dass die Schule einer der Infektionsherde sei.

Zwar sollten die Schulen grundsätzlich offen bleiben. Der Vorschlag sei aber, generell und auch in der Grundschule eine Maskenpflicht einzuführen und Wechselunterricht für die älteren Jahrgangsstufen. Ausnahmen sollten für die Abschlussklassen gelten. «Also: Insgesamt vertiefen, indem an der Schule nachgedacht wird – und auch weitere Kontaktbeschränkungen», sagte Söder.

Kultusminister beharren darauf, die Schulen offenzuhalten – und räumen nur Ausnahmen ein

Die Kultusminister der Länder beharren allerdings darauf, sie grundsätzlich offenzuhalten. Sie räumen nach Informationen des Nachrichtenportals «ThePioneer» und der Deutschen Presse-Agentur lediglich Ausnahmen ein. Nach einem Beschluss vom Freitag sollen in Hotspot-Gebieten mit sehr vielen Infektionen besonders betroffene Schulen ab der 11. Klasse auf einen «rollierenden Präsenzunterricht» in verkleinerten Lerngruppen umstellen können, also einen Wechsel von Lernen in der Schule und zuhause.  In einem zweiten Schritt ist das auch für untere Klassenstufen weiterführender Schulen vorgesehen. Die Abschlussklassen sollen in jedem Fall in der Schule bleiben. Schwellenwerte wurden von den Kultusministern nicht definiert. Lediglich die Unionsländer werden hier konkreter: In Corona-Hotspots mit einer Sieben-Tage-Inzidenz über 200 soll es ab der 7. Klasse Wechselunterricht geben. So oder so: Den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für die Schulen entsprechen die Vorschläge weiterhin nicht.

«Infektionsketten wirklich unterbrechen und gleichzeitig lebenspraktisch bleiben, das ist die Aufgabe», sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Konkret schlug er vor, dass beim Auftreten eines Infektionsfalls sofort die betroffene Klasse in die häusliche Isolation geschickt wird. Bisher ist das teilweise nicht oder nur bei Sitznachbarn Infizierter der Fall. «Nach negativen Schnelltests am fünften Tag könnten die Schülerinnen und Schüler wieder in die Schule zurückkehren», sagte Spahn. An besonders von Corona betroffenen Schulen soll es nach dem Willen der Kultusminister mehr Tests geben. Nach Zulassung eines Impfstoffes solle das Schulpersonal vorrangig ein Impfangebot erhalten.

In den vergangenen zwei Wochen wurden vier Ausbrüche an Schulen bekannt, bei denen jeweils Dutzende von Schülern und Lehrern infiziert wurden (News4teachers berichtet ausführlich über die großen Corona-Ausbrüche an Schulen). News4teachers / mit Material der dpa

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