BERLIN. Die Stimmung in den Lehrerzimmern sei geteilt, sagt GEW-Chefin Marlis Tepe – es gebe diejenigen, die vor allem Präsenzunterricht für wichtig hielten und diejenigen, die zunehmend wütend über den fehlenden Gesundheitsschutz an Schulen seien. News4teachers-LeserIn „kanndochnichtwahrsein“, selbst Lehrkraft, kommentiert das (und zwar so gut, dass wir den Beitrag, der im Leserforum von News4teachers veröffentlicht wurde, hier noch einmal einem breiteren Publikum anbieten).
«Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die sind extrem besorgt, haben Wut und fühlen sich im Grunde genommen auch verraten, weil sie das Gefühl haben, der Staat nimmt seine Fürsorgepflicht nicht wahr», so sagt GEW-Bundesvorsitzende Marlis Tepe. Daneben gebe es aber auch Kollegen, die vor allem die Wichtigkeit von Präsenzunterricht betonen. Für alle aber gelte: Sie versuchten, „die Quadratur des Kreises zu schaffen“ und das Recht der Schüler auf Bildung einerseits sowie den Gesundheitsschutz andererseits zu berücksichtigen.
Dazu meint kanndochnichtwahrsein am 23. Dezember 2020 um 08:32:
Diese beiden Positionen schließen sich gegenseitig nicht aus: Selbstverständlich wäre Präsenzunterricht das Optimum und immer wünschenswert. Das würde Lehrer wie Schüler entlasten. Andererseits kann man nicht darüber hinwegsehen, dass weder für Schüler noch für Lehrer in der Schule die gleichen Regeln und der gleiche Schutz gelten wie für den Rest der Bevölkerung. Das aber würde ich von meinem Arbeitgeber selbstverständlich erwarten.
“Ohne Präventionsmaßnahmen wird sich das Virus über die Schulen weiter verbreiten”
Da diese Erwartung nicht nur nicht erfüllt wird, sondern im Gegenteil unangemessene Gefährdung, absolute Überlastung und obendrein mehr oder weniger verhaltene Vorwürfe (eh nichts richtig machen zu können) vom Arbeitgeber, oft aber auch aus der Gesellschaft im Vordergrund stehen, kann das Vertrauen in den Arbeitgeber, aber auch die wenig solidarische Gesellschaft schon verloren gehen. Ja, man kann sich schon verraten vorkommen.
Die Quadratur des Kreises wird für jede Stadt, für jede Schulform oder auch jede Schule, vielleicht sogar für einzelne Klassen unterschiedlich aussehen müssen, gerade um sich, unter den gegebenen widrigen Bedigungen bestmöglich, nachhaltig um die Kinder kümmern zu können und die „Bildungsverluste“ so gering wie möglich zu halten.
Das Bestmögliche können wir aber nur schaffen, wenn wir die Freiheit dazu bekommen.
Solange die einzige Antwort auf unsere Bedenken „Schulen öffnen“ bleibt und keinerlei wirksame Präventionsmaßnahmen ergriffen werden, wird das Virus sich über die Schulen erneut verbreiten.
“Vertrauen könnte nur dann entstehen, wenn die Kultusminister sich endlich ehrlich machen”
Lehrer brauchen Signale echter Wertschätzung ihrer Arbeit und ihrer Expertise! Von Achtung vor unserer und der Kinder Arbeit zeugt auch nicht die Tatsache, dass wir bei 10 Grad im Durchzug unterrichten müssen, damit die Kultusminister sagen können, sie hätten etwas gegen Infektionen getan. Schüler brauchen Signale zur Bedeutung ihres eigenen Handelns, damit sie die Maßnahmen mittragen und nicht privat konterkarieren. „Schule wie immer“ gibt ihnen das falsche Signal. Viele Schüler (und leider auch Eltern) interpretieren es als „alles nicht so schlimm“.
Mit den Ressourcen muss sorgsamer umgegangen werden:
- Wechselnde, stabile Gruppen, damit Abstand gewahrt und Nachverfolgung möglich wird.
- Feste Zuordnung weniger Lehrer pro Lerngruppe, um die Weiterverbreitung zu vermeiden.
- Notbetreuung über zusätzliches Personal, damit Eltern ihrer Arbeit nachkommen können.
- Ausstattung der Kinder mit Endgeräten, soweit notwendig. Analoge Wochenpläne tun es aber auch und sind für bestimmte Schülergruppen (und auch deren Eltern) besser geeignet.
- Gekürzte Unterrichtszeiten, damit Lehrer die Arbeit schaffen können.
- Aussetzen des Ganztags, damit Pausenzeiten entzerrt werden und Schüler nicht in die Mensa gehen müssen.
- Kürzen der Arbeitspläne, damit der Leistungsdruck rausgenommen wird.
Mein Vertrauen schwindet mit jeder Aussage der Kultusminister, aus der nicht klar zu erkennen ist, dass er/sie weiß, was sie sagt. Vertrauen könnte nur dann entstehen, wenn die Kultusminister sich endlich ehrlich machen, keine Parolen mehr ausgeben und sich klar an den Empfehlungen der Wissenschaft orientieren würden. Alles andere ist wissenschaftlich und menschlich unhaltbar.
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Klartext einer Lehrerin: Das Schulsystem kollabiert jeden Moment! Wir sind ausgebrannt!
