BERLIN. Man war sich – mal wieder – einig, nicht einig zu sein: Die Bundesländer werden bei den geplanten weiteren Schulöffnungen voraussichtlich nicht nach einem gemeinsamen Konzept vorgehen. Man habe festgestellt, dass die Länder in eigener Verantwortung schrittweise eine weitere Rückkehr in den Präsenzunterricht planen könnten, sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), am frühen Donnerstagmorgen nach der Bund-Länder-Runde zu Corona in Berlin. «Wir werden dann sehen, wann die nächsten Jahrgangsstufen auch möglich sind.» Dies würden die Länder aufgrund ihrer jeweiligen Inzidenzlage beschließen. Ein bundesweiter Stufenplan, wie von Lehrerverbänden und der Bundeskanzlerin gefordert, ist damit wohl vom Tisch. Auf Schnelltests werden Kitas und Schulen noch warten müssen.
Bei ihren Beratungen über die Corona-Maßnahmen haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Länderregierungschefs in einer Videokonferenz vereinbart, den Lockdown grundsätzlich bis zum 28. März zu verlängern. Allerdings soll es, je nach Infektionslage, viele Öffnungsmöglichkeiten geben. Vereinbart wurde eine stufenweise Öffnungsstrategie mit eingebauter Notbremse: Führen einzelne Lockerungen zu einem starken Anstieg der Infektionszahlen in einer Region, werden automatisch alle schon erfolgten Erleichterungen wieder gestrichen. Bereits zuvor hatten die Kultusministerinnen und -minister beschlossen, dass der an Grundschulen begonnene Wechsel- oder Präsenzunterricht auf weitere Jahrgänge ausgeweitet und intensiviert werden soll.
Systematische Tests soll es in Schulen und Kitas geben. Laut Beschluss, so berichtet die ARD-„tagesschau“, stellen die Länder sicher, dass das Personal in Schulen und Kinderbetreuung sowie alle Schülerinnen und Schüler pro Präsenzwoche mindestens einen kostenlosen Schnelltest erhalten. „Soweit möglich soll eine Bescheinigung über das Testergebnis erfolgen.“ Allerdings: Unklar sei, wie viele Tests tatsächlich erhältlich sind und bestellt wurden. Die Teststrategie solle bis Anfang April schrittweise umgesetzt werden.
Nach dem Gipfel deuten sich in Nordrhein-Westfalen keine kurzfristigen weiteren Öffnungen an Schulen an. Dazu würden zunächst Gespräche mit Eltern- und Lehrerverbänden geführt, sagte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am frühen Donnerstagmorgen nach den Bund-Länder-Beratungen zur Corona-Krise in Düsseldorf. «Details kann man dazu am heutigen Tag nicht sagen.» Die Zuständigkeit liege bei den Ländern. Daher sei über diese Frage nicht in der Ministerpräsidentenkonferenz entschieden worden.
Nach sechs Wochen Distanzunterricht waren am 22. Februar mehr als 800.000 Schüler in NRW unter verschärften Schutzvorkehrungen in die Klassen zurückgekehrt. Allerdings gilt das bislang nur für Grund- und Förderschüler der Primarstufe, die Wechselunterricht haben, sowie für Abschlussklassen, die auch in voller Stärke unterrichtet werden dürfen.
Auch für Baden-Württembergs Schulen gilt: keine Festlegung. Unklar bleibt, ob sogar schon vom kommenden Montag an auch die weiterführenden Schulen schrittweise wieder öffnen können, wie Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) dies gefordert hatte. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wollte sich erst am heutigen Donnerstag zu den Beschlüssen äußern und mit Eisenmann die nächsten Schritte besprechen. Der Grüne hatte sich zuletzt skeptisch gezeigt, ob es so schnell gelingen kann, die Wiedereröffnung der Schulen mit genügend Schnelltests bei Schülerinnen und Schülern abzusichern.
«Es kann sich zum Guten, aber auch zum Schlechten entwickeln»
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warnte angesichts der Öffnungsschritte zu Vorsicht. «Wahr ist, was hier beschlossen wurde, sind schon sehr große Schritte», sagte er in der Nacht zum Donnerstag nach der Bund-Länder-Runde in Berlin. Der März werde ein Übergangsmonat. «Es kann sich zum Guten, aber auch zum Schlechten entwickeln», sagte Söder. Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) werde Einzelheiten zur Umsetzung der Teststrategie in Schulen nennen.
Unabhängig von der Sieben-Tage-Inzidenz sollen ab kommenden Montag nach den bereits geöffneten Garten- und Baumärkten, Friseuren und Kosmetikstudios auch Buchhandlungen wieder aufsperren können. Unter anderem soll auch kontaktfreier Sport im Freien alleine oder zu zweit in Gegenden möglich werden, wo die Sieben-Tage-Inzidenz – also die Zahl der Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche – den Wert 100 nicht übersteigt. Weitere Öffnungsschritte in solchen Gegenden umfassen neben Terminshopping-Angeboten im Einzelhandel auch Museen, Galerien, Zoos, botanische Gärten und Gedenkstätten für Besucher mit Terminbuchung. Ebenfalls schon vom kommenden Montag an sollen demnach die stark beschränkten privaten Kontaktmöglichkeiten gelockert werden. Dann werden wieder private Zusammenkünfte des eigenen Haushalts mit einem weiteren Haushalt möglich sein, jedoch beschränkt auf maximal fünf Personen.
«Das Herz sagt uns: So viel öffnen wie möglich! Der Verstand mahnt aber eindeutig zur Vorsicht»
«Wir geben den Menschen ein großes Stück Vertrauen und Freiheit zurück», sagte Söder. Er warnte aber auch vor zu hastigen Öffnungsschritten. «Das Herz sagt uns: So viel öffnen wie möglich! Der Verstand mahnt aber eindeutig zur Vorsicht», sagte der CSU-Chef. «Wir haben kein schlechtes Gewissen dabei, aber wir haben schon Sorgen und Bedenken.» Es gelte aufzupassen, nicht in den nächsten Lockdown zu schlittern, möglicherweise schon zu Ostern.
Niedersachsenes Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zeigte sich nach Ende der Beratungen zufrieden. «Die niedersächsische Position findet sich in einem großen Teil der gefassten Beschlüsse wieder», sagte er am späten Mittwochabend. «Alle Bereiche dieser Gesellschaft haben damit wieder eine realistische Öffnungsperspektive.» Gleichzeitig werde weiter auf den Infektionsschutz geachtet. Die konkrete Umsetzung der Bund-Länder-Beschlüsse will Weil am Donnerstagmittag nach regierungsinternen Beratungen in Hannover präsentieren.
Dabei wird es auch um die Rückkehr weiterer Jahrgänge zurück in die Schulen gehen. Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) möchte eigentlich vor Ostern bereits wieder deutlich mehr Schüler im Wechselunterricht in die Klassen zurückkehren lassen. Systematische Schnelltests sollen dies erleichtern. Wann diese den Schulen zur Verfügung stehen, hatte die Landesregierung am Mittwoch aber noch nicht sagen können.
«Ich halte die Ergebnisse dieser Beratungen für einen deutlichen Fortschritt», hatte Weil am Abend betont. Insbesondere sei der maßgebliche Schwellenwert für Maßnahmen wieder eine Sieben-Tages-Inzidenz von 50. «Ich bin zuversichtlich, dass wir jetzt schrittweise und vorsichtig zu Erleichterungen für die Bürgerinnen und Bürger kommen.» Die Menschen in Niedersachsen hätten lange und geduldig viele wirklich schwerwiegende Einschränkungen der persönlichen Freiheit akzeptiert. «Eines muss uns allen gemeinsam klar sein: Mehr Lockerungen bedeuten auch mehr persönliche Verantwortung», sagte Weil. Nur wenn alle sich weiterhin umsichtig und verantwortungsbewusst verhielten, könne mehr Normalität zurückgewonnen werden.
«Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass mit diesem Beschluss die 3. Welle langsam anläuft»
„Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass mit diesem Beschluss die 3. Welle langsam anläuft. Es kann sogar sein, dass das Terminshopping und Außengastro kurz anläuft. Aber spätestens Anfang April liegt die Inzidenz über 100 und das Intermezzo ist beendet“, so twitterte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. „Auch gut: freie Schnelltests kommen. Die Teststrategie in Schulen und Betrieben ist aber unklar, weil die nötigen Schnelltests noch fehlen. Insgesamt bin ich aber sehr besorgt.“ News4teachers / mit Material der dpa
Zweimal pro Woche Nasenbohren: Selbsttests für Schüler und Lehrer kommen! Flächendeckend?
