Eine Mehrheit der Deutschen befürwortet eine Aufhebung der Maskenpflicht in Unterrichtsräumen an Schulen. In einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov sprachen sich 59 Prozent dafür aus. 31 Prozent lehnen dies ab. 10 Prozent machten keine Angaben. Frauen befürworten eine Aufhebung mit 62 Prozent etwas stärker als Männer mit 56 Prozent.
In der Diskussion über die Maskenpflicht gibt es kaum Widerspruch gegen Lockerungen im Freien – aber viele Warnungen von Experten und Politikern vor zu früherem Verzicht in Innenräumen. «Wenn wir in puncto Impfquote bei 70 Prozent angelangt sind, und die Inzidenzen weiterhin auf niedrigem Niveau bleiben – dann ist der richtige Zeitpunkt für solche Diskussionen gekommen», sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Prof. Gernot Marx, der Düsseldorfer «Rheinischen Post» mit Blick auf Innenräume.
Derzeit haben rund 26 Prozent der Bürger die für den vollen Impfschutz nötige Impfdosis bekommen – wenn man die zweiwöchige Wartezeit bis zur vollen Wirkung einbezieht, sind erst knapp 18 Prozent voll impfgeschützt. Bis zu 70 Prozent Impfquote wird es also noch Monate dauern. Um die Maskenpflicht generell aufzuheben, sollte nach Ansicht des Leipziger Epidemiologen Prof. Martin Scholz bis zum regulären Ende der Impfkampagne gewartet werden, wie er dem Nachrichtenportal Watson sagte. Die Bundesregierung hat jedem bis Ende September ein Impfangebot versprochen.
«Da die Verbreitung der Erreger über Aerosole draußen kaum ein Thema ist, könnten wir im Freien gut auf Masken verzichten»
Gleichwohl befürwortet er ebenso wie der Intensivmediziner Marx und die Braunschweiger Helmholtz-Virologin Prof. Melanie Brinkmann Lockerungen im Freien. «Da die Verbreitung der Erreger über Aerosole draußen kaum ein Thema ist, könnten wir im Freien gut auf Masken verzichten», sagte Brinkmann der «Braunschweiger Zeitung». Marx riet aber, in Menschenansammlungen auch draußen eine Maske zu tragen, etwa beim Schlangestehen oder an Bushaltestellen.
Zugleich kritisierte Brinkmann, dass Schüler in Niedersachsen bei weniger als 35 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner und Woche im Unterricht keine Masken mehr tragen müssen, obgleich Kinder in der Regel nicht geimpft und Schnelltests nur bedingt zuverlässig sind. «Es ist ein Stück zu früh», sagte sie. «Wir haben doch bald Sommerferien. Die paar Wochen hätten wir doch noch warten können.» Auch Mecklenburg-Vorpommern hat die Maskenpflicht im Schulunterricht bereits aufgehoben. Allerdings liegt dort die Inzidenz unter 5. Auch Sachsen hat die Maskenpflicht im Unterricht gestrichen (Inzidenzwert: 12).
Wie am Montag bereits der Lehrerverband und der VBE, warnte auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) davor, die Maskenpflicht in Schulen jetzt abzuschaffen. «Viele Klassenräume lassen sich nicht richtig lüften. Zudem gibt es bei der Bereitstellung und Einrichtung von Lüftungsanlagen noch erheblichen Nachholbedarf», erklärte GEW-Chefin Maike Finnern beim Redaktionsnetzwerk Deutschland. Viele Lehrkräfte seien auch noch nicht vollständig geimpft.
Lehrerverbands-Präsident Meidinger: «Das Virus ist ja noch nicht von der Bildfläche verschwunden»
Lehrerverbands-Präsident Heinz-Peter Meidinger hatte erklärt, er rate insbesondere während des Unterrichts zu «größtmöglicher Vorsicht». «Das Virus ist ja noch nicht von der Bildfläche verschwunden.»
Meidinger sagte, alle freuten sich sehr über die fallenden Inzidenzen und die Rückkehr zum Präsenzunterricht. Es gebe aber noch immer erhöhte Infektionszahlen in der Gruppe der Kinder und Jugendlichen, die bisher kaum geimpft seien. «Auch rund 50 Prozent aller Lehrkräfte verfügen noch nicht über einen vollständigen Impfschutz.» Zudem sei die Gefahr einer vierten Welle wegen der zunächst in Indien entdeckten Delta-Variante des Virus auch für Deutschland nicht völlig auszuschließen.
Steigende Temperaturen bei einem sinkenden Infektionsgeschehen führen unweigerlich zur Maskendebatte, meint Stefan Behlau, Landesvorsitzender des VBE in Nordrhein-Westfalen. Allerdings seien weder das ganz Schulpersonal noch die Schülerinnen und Schüler vollständig geimpft. Gerade große Klassen in kleinen Räumen könnten Sorge bereiten. „Natürlich ist das Tragen der Maske nach wie vor eine Zumutung, vor allem bei sommerlichen Temperaturen. Aber die Pandemie ist noch nicht vorbei. Gerade in den letzten Wochen sollten wir weiterhin vorsichtig in der Schule sein, um ein Nachsitzen in Quarantäne zu vermeiden“, so Behlau.
„Lockerungen im Außenbereich, in den Pausen oder bei Unterrichtsgängen sind denkbar, doch weder sind in den letzten Monaten die Klassengrößen kleiner noch die Räume größer geworden oder gar ausreichend Luftfilter in allen Schulen installiert worden“, stellt Behlau fest.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte am Wochenende darauf verwiesen, dass die Länder laufend prüfen müssten, ob und wo die Maskenpflicht noch verhältnismäßig ist. Sie ist in Verordnungen der Länder geregelt. Für draußen gibt es zum Beispiel Vorgaben für belebte Plätze und Einkaufsstraßen, teils auch für Spielplätze. Baden-Württemberg hat heute angekündigt, die Maskenpflicht an Schulen zu lockern, wie News4teachers berichtet. News4teachers / mit Material der dpa
