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300.000 Lehrer und Kita-Fachkräfte zusätzlich, freies Schulessen und Gratis-WLAN: Das Bildungsprogramm der Linken

BERLIN. Obwohl Bildung Ländersache ist, widmen sich alle Parteien im Bundestags-Wahlkampf den Kitas, Schulen und Hochschulen mehr oder weniger explizit. Was sagen die Programme dazu? Was lassen sie vermissen? Wir haben bereits Analysen für die Aussagen von Bündnis 90/Die Grünen , der AfD, und der FDP veröffentlicht. Heute widmen wir uns der Linken, die ja durchaus Chancen hat, sich in der nächsten Bundesregierung mit SPD und Grünen wiederzufinden. Es gibt das Klischee, dass linke Politikerinnen und Politiker nicht mit Geld umgehen können – die Linke bedient es.

“Wir wollen eine Schule für alle”: Linken-Spitzenkandidatin Janine Wissler. Foto: Martin Heinlein / flickr (CC BY 2.0)

„Wir stellen sozialer Spaltung in der Bildung, Leistungsdruck und Unterfinanzierung eine andere Idee entgegen. Durch den Zugang zu Bildung sollen soziale Benachteiligungen abgebaut, nicht noch verstärkt werden. Wir wollen gemeinsames solidarisches Lernen statt Konkurrenz und Notendruck“, so postuliert Die Linke in ihrem Wahlprogramm.

“Wer wohlhabende Eltern hat, hat bessere Chancen, Abitur zu machen und zu studieren”

Und hat sie nicht Recht? „Seit Jahrzehnten wissen wir: Der Zugang zu Bildung ist in Deutschland stark von der sozialen Herkunft abhängig. Die Coronakrise hat Probleme verschärft, die es schon vorher gab. Während manche Kinder ein eigenes Zimmer und einen Laptop zum Lernen haben, müssen sich andere beides mit Geschwistern teilen oder Aufgaben auf dem Handy lösen und hoffen, dass das Datenvolumen zum Herunterladen reicht. Das deutsche Bildungssystem verstärkt die soziale Spaltung der Gesellschaft, statt ihr entgegenzuwirken. Wer wohlhabende Eltern hat, hat bessere Chancen, Abitur zu machen und zu studieren. 74 Prozent der Akademikerkinder beginnen ein Studium, aber nur 21 Prozent der Kinder ohne Akademikereltern. Bei den Bachelor-Absolvent*innen beträgt ihr Anteil 15 Prozent, beim Master nur noch 8 Prozent. Für viele Kinder fällt schon nach der Grundschule die Entscheidung, welche weiterführende Schulform sie besuchen werden, und damit auch, welche Türen ihnen künftig verschlossen bleiben.“

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Tatsache ist: Seit der ersten PISA-Studie vor ziemlich genau 20 Jahren wissen wir, dass rund ein Fünftel der Schülerinnen und Schüler abgehängt ist und nicht über die Basiskompetenzen verfügt, um später im Beruf bestehen zu können – dieser Befund ist, mit kleineren Schwankungen, von jeder Neuauflage von PISA bestätigt worden, ohne dass sich im Grundsatz etwas geändert hätte. Richtig ist auch, dass dieses Fünftel in der Regel aus bildungsfernen Familien stammt. Kaum einem Industrieland gelingt es so schlecht, benachteiligte Kinder und Jugendliche an Bildung heranzuführen wie Deutschland.

“Die Gemeinschaftsschule fördert die Kinder individuell und umfassend”

Die Linke macht dafür vor allem das gegliederte Schulsystem verantwortlich. „Wesentliche Ursache der sozialen Spaltung in der Bildung ist die frühe Aufteilung der Schüler*innen in unterschiedliche Schulformen“, so schreibt die Partei in ihrem Wahlprogramm. Und: „Wir wollen eine Schule für alle: Eine Gemeinschaftsschule, die kein Kind zurücklässt und sozialer Ungleichheit entgegenwirkt. Die Gemeinschaftsschule fördert die Kinder individuell und umfassend. Sie ist ganztägig organisiert und bietet alle Schulabschlüsse an.“

Die finanzielle Ursache der Bildungsmisere sieht die Die Linke durchaus. „In Bildung wird viel zu wenig Geld investiert. Unsanierte Schulen mit schlechter Ausstattung sind ein sichtbares Zeichen dafür. Das betrifft besonders ärmere Stadtteile, in denen Familien das kaum durch private Ausgaben für Ausstattung oder Nachhilfe ausgleichen können. Die Schuldenbremse hat diese Probleme noch verschärft. Allein der Sanierungsbedarf bei Schulen wird bundesweit inzwischen auf fast 50 Milliarden Euro geschätzt“, so heißt es im Wahlprogramm. Unvermittelt kommt hier plötzlich die Schulreinigung ins Spiel: „Die Reinigung wird an die billigsten Anbieter*innen vergeben, Reinigungskräfte arbeiten unter Druck und schaffen es nicht, in der vorgegebenen Zeit fertig zu werden. Toiletten und Klassenräume sind dreckig, Schüler*innen und Lehrer*innen leiden darunter.“

Das mag stimmen, erklärt aber das mäßige Abschneiden bei internationalen Schulleistungsvergleichen nicht. Eher die (zu) knappe Ausstattung der Bildungseinrichtungen mit Personal – wie dann auch Die Linke konstatiert. Sie fordert deshalb „eine Offensive des Bundes für mehr Lehrkräfte, Erzieher*innen und Schulsozialarbeiter*innen. Wir brauchen 100.000 Lehrkräfte und 200.000 Erzieher*innen zusätzlich und Schulsozialarbeit an jeder Schule!“ Das wird durchaus sachgerecht begründet: „Der Personalmangel an Schulen führt zu Unterrichtsausfall und Stress. Das Personal muss Engpässe mit regulär beschäftigten Lehrkräften ausgleichen können. Dazu braucht es 10 Prozent Vertretungsreserve. Um die Personalnot an Schulen zu beenden, müssen überall deutlich mehr Lehrkräfte ausgebildet und eingestellt werden.“

„Sozial- und Erziehungsberufe müssen aufgewertet werden. Sie verdienen bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen”

Auch an Kitas sei die personelle Ausstattung schlecht. „Die Gruppen sind oft zu groß. Erzieher*innen werden weiter viel zu schlecht bezahlt. Mit einer Schmalspurausbildung von oft nur wenigen Wochen werden Erziehungshelfer*innen ausgebildet, um den massiven Fachkräftemangel zu retuschieren“, so heißt es. „Die Linke fordert einen bundesweit einheitlichen Betreuungsschlüssel in Kindertagesstätten von mindestens eine*r anwesenden Erzieher*in auf maximal drei Kinder im Alter bis zu drei Jahren und mindestens eine*r Erzieher*in auf maximal acht Kinder ab drei Jahren.“ Mehr Geld soll es für die Beschäftigten Bildungseinrichtungen auch geben. „Sozial- und Erziehungsberufe müssen aufgewertet werden. Sie verdienen größere Wertschätzung, bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen.“

Weiter in der Wunschliste: Elternbeitragsfreiheit für Kitas, alle Kinder sollen täglich kostenloses gesundes, warmes Essen erhalten, einen Laptop für jedes Kind plus Drucker „inklusive aller Verbrauchsmaterialien“, kostenloses WLAN zu Hause für alle Familien, Rechtsanspruch auf Inklusion („Inklusion darf nicht davon abhängig gemacht werden, wie viel sie kostet!“), Sanierung der Schulschwimmbäder, IT-Fachkräfte für Schulen und 35 Milliarden Euro für Investitionen in Hochschul-Gebäude. Was Die Linke hingegen nicht will: Lobbyismus in Schule und Unterricht („Kommerzielle Werbung an Schulen muss gesetzlich untersagt werden“), Bundeswehr-Auftritte in Schulen oder Universitäten („Stattdessen brauchen wir mehr politische und friedenspädagogische Bildung durch Lehrkräfte“) sowie eine „Ökonomisierung von Bildung“ („Bildung ist mehr als die Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt“).

Offen bleibt angesichts des umfangreichen Forderungskatalogs eine Frage – keine ganz unwichtige: Wie will Die Linke ihr Bildungsprogramm finanzieren? Tatsächlich wäre der finanzielle Mehrbedarf enorm. Allein die geforderten 350.000 zusätzlichen Stellen in Kitas und Schulen würden mit mehr als 20 Milliarden Euro zu Buche schlagen, und das jährlich. Zum Vergleich: Der gesamte Verteidigungsetat von Deutschland liegt im Haushaltsjahr 2021 bei rund 47 Milliarden Euro. Würde man alle Wünsche der Linkspartei bei der Bildung umsetzen, müsste man wohl mindestens die komplette Bundeswehr streichen, um das bezahlen zu können. Dass angesichts des bereits heute herrschenden Mangels an ausgebildeten Kita-Fachkräften und Lehrkräften die vielen geforderten Stellen gar nicht zu besetzen wären, fällt da kaum mehr ins Gewicht. Realisierungschance ohnehin: Null. News4teachers

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