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Parodie als Unterrichtsmaterial? Ärger um «Murat und Aische gehen dursch Wald»

Erneut haben türkischstämmige Schüler und Eltern eine aus ihrer Sicht klischeehafte und herabsetzende Aufgabe in einer NRW-Schule kritisiert. Es geht um eine parodistische Umdichtung des «Hänsel und Gretel»-Märchens in fehlerhaftem, sogenanntem «Kanakendeutsch». «Murat und Aische gehen dursch Wald, auf Suche nach korrekte Feuerholz», beginnt der Text.

Probiert mal etwas Neues - aber nur im klitzekleinen Rahmen: die FDP-Schulministerin Yvonne Gebauer. Foto: Magubosc / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)
Hat sich eingeschaltet: NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer. Foto: Magubosc / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Der Text war Mitte März Schülern in der 9. Klasse eines Duisburger Gymnasiums mit Aufgaben zur Bearbeitung vorgelegt worden. «Wähle ein Märchen, das Dir gut gefällt, und formuliere es ins Kanakische um», heißt es dabei unter anderem.

Mehrere Schüler hätten sich dadurch ausgegrenzt gefühlt und sich an ihn gewandt, sagte der Frankfurter Rechtsanwalt Fatih Zingal, der den Text auf seinem Facebook-Account veröffentlicht hatte. Der schon etwa 20 Jahre alte Text stamme aus einem Schulbuch und sei offiziell als Unterrichtsmaterial behandelt worden. Das mache die Verwendung zum Problem, auch wenn es sich ursprünglich um eine Parodie handele, sagte Zingal.

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Erst Mitte Februar hatte es Diskussionen über eine Oberstufen-Aufgabe in einem Siegburger Gymnasium gegeben, die sich in einem konstruierten Fall mit Zwangsheirat und dem Aufenthaltsrecht von Mitgliedern einer türkischen Familie in Deutschland befasste. News4teachers berichtete ausführlich über den Fall.

Schul- und Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) sagte, an den Schulen in NRW gebe es keinen Zentimeter Platz für Rassismus. «Das gilt innerhalb und außerhalb des Unterrichts gleichermaßen. Unsere Schulen sind Orte des Miteinanders und des Respekts.» Aus dem Schulministerium hieß es, die zuständige Schulaufsicht stehe in engem Kontakt mit der Schule. Die Bezirksregierung Düsseldorf führe zeitnah in den nächsten Tagen mit der Schulleitung und der Lehrkraft ein dienstliches Gespräch zu dem Vorfall. Lehrkraft und Schulleitung würden den Vorfall außerordentlich bedauern. Die Schulleitung habe sich von dem Arbeitsblatt ausdrücklich distanziert. Bereits am Montag habe ein klärendes Gespräch der Fachlehrerin mit den Schülerinnen und Schülern stattgefunden, in dem noch einmal die Problematik des Materials thematisiert worden sei.

Die Schulaufsicht bei der Bezirksregierung Düsseldorf erklärte, dass der Text als «ungeeignet angesehen und künftig nicht mehr verwendet» werde. Er sei aber von der Lehrkraft nicht mit diskriminierenden Absichten eingesetzt worden. Der «parodistisch angelegte Text» sei im Rahmen einer mehrwöchigen Unterrichtsreihe über Sprachgebrauch und Sprachwandel auf Wunsch der Klasse gelesen worden. Es sei unter anderem darum gegangen, dass Formulierungen aus dem sogenannten Kanakischen auch Eingang in die Jugendsprache gefunden hätten.

“Die Lehrkraft und die Schulleitung bedauern, dass der Text Unmut und Irritationen ausgelöst hat”

Die Schule betonte in einer Erklärung, dass sie sich eindeutig gegen jede Form von Rassismus stelle. Darin heißt es: «Der parodistisch angelegte Text wurde im Deutschunterricht für 9. Klassen als zusätzliches Material im Rahmen der mehrwöchigen Unterrichtsreihe „Nachdenken über Sprache – Sprachgebrauch, Sprachwandel, Sprachkritik” eingesetzt. Themen der Reihe waren Anglizismen, regionale Dialekte, Jugendsprache als Soziolekt, sowie Kiezdeutsch als Beispiel für einen Ethnolekt. Auf Anregung aus der Schülerschaft wurde als Ethnolekt auch über Formulierungen aus dem sogenannten „Kanakischen“ gesprochen, die Eingang in die Jugendsprache gefunden haben. In diesem Zusammenhang wurde die Parodie gemeinsam in der Klasse gelesen. Die Lehrkraft und die Schulleitung bedauern, dass der Text Unmut und Irritationen ausgelöst hat sowie als diskriminierend empfunden wurde.»

Und weiter: «Der Text wurde von der Lehrkraft nicht mit einer diskriminierenden Intention im Unterricht eingesetzt. Die Fachlehrkraft für Deutsch hat während Ihres Studiums die Zusatzqualifikation „Deutsch als Fremdsprache“ erworben und unterrichtet entsprechend. Aktuell absolviert die Lehrkraft eine Weiterbildung zur Sprachbildung für neu Zugewanderte. Die Lehrkraft ist seit Jahren als Koordinatorin europaweiter Schüleraustauschprogramme sowie mit großem Engagement in den Vorbereitungsklassen für neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler tätig. In diesem Zusammenhang lebt und pflegt die Lehrkraft den Austausch und Dialog mit anderen Kulturen.»

Das Problem: «Zu den Irritationen beigetragen hat die Tatsache, dass der Text nicht als Parodie und nicht im Gesamtkontext der Unterrichtseinheit wahrgenommen wurde.» News4teachers / mit Material der dpa

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