Türkischstämmige Eltern haben gegen eine «klischeehafte Schulaufgabe» in der Oberstufe eines Siegburger Gymnasiums protestiert. Die Aufgabenstellung lautete: «Ein türkischer Familienvater in Deutschland verheiratet seine Tochter ohne deren Einverständnis mit dem Sohn seines Bruders, um diesem eine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland und damit eine Existenz zu sichern. Besprich die Situation mit deiner/m Tischnachbarin/Tischnachbarn. Welche Konflikte seht ihr darin?»
Viele türkischstämmige Eltern aus NRW und anderen Bundesländern seien fassungslos, dass die Aufgabe so gestellt worden sei, schrieb die Föderation Türkischer Elternvereine in NRW in einem Offenen Brief an Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP). Eine solche Art von Unterricht trage dazu bei, dass Klischees in den Köpfen der Schülerinnen und Schüler verfestigt würden.
Aus dem NRW-Schulministerium hieß es dazu am Montag: «Die konkrete Aufgabe, die Teil eines Schulbuches ist, verstößt gegen das Kriterium der Diskriminierungsfreiheit. Das Ministerium für Schule und Bildung wird das in Rede stehende Schulbuch darüber hinaus intensiv prüfen und den Verlag auffordern, das Schulbuch zu überarbeiten.» Ministerin Gebauer sagte: «Die Haltung der Landesregierung ist glasklar: Schulen sind Orte des Miteinanders, an denen es keinen Platz für Ausgrenzung und Vorurteile in welcher Form auch immer gibt.»
«Heute fegte ein Shitstorm über unsere Schule, der uns sehr getroffen hat. Uns wurde Rassismus und Diskriminierung vorgeworfen»
Die Bezirksregierung Köln nahm die Schule dagegen in Schutz. Die Aufgabenstellung sei aus einem zugelassenen Schulbuch mit dem Titel «Zugänge zur Philosophie» übernommen worden. Man bedaure, «dass ein im Unterricht verwendetes Material ohne jeglichen Kontext und vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen den Weg in die sozialen Netzwerke gefunden» habe. Es sei in der Unterrichtsreihe gerade nicht um Vorverurteilungen und das Schüren von Ressentiments gegangen, sondern ganz im Gegenteil um die «Entwicklung eines kultursensiblen eigenen Sach- und Werturteils im Horizont philosophischer Ansätze».
Auch die Schulleiterin des Gymnasiums wies die Anschuldigungen zurück. Der «Kölnischen Rundschau» und dem «Kölner Stadt-Anzeiger» sagte sie: «Wenn ich die Aufgabe allein für sich sehe, ist das natürlich problematisch.» Tatsächlich stamme diese aber aus einem zugelassenen Schulbuch, in dem es um Kulturrelativismus gehe und die Frage, ob man eine andere Kultur aus eigener Sicht beurteilen dürfe. Das Beispiel sei dabei eines von mehreren.
«Heute fegte ein Shitstorm über unsere Schule, der uns sehr getroffen hat. Uns wurde Rassismus und Diskriminierung vorgeworfen», so schrieb die Schule auf ihrer Webseite. «Hintergrund war die Aufgabe in einer Klasse. Schülerinnen und Schüler sollten sich mit Vorurteilen und Stigmatisierung auseinandersetzen und dies in kleinen Gruppen – später in der ganzen Klasse – diskutieren. Dabei konnte der Eindruck entstehen, hier würden Stereotypen bewusst gegen eine Minderheit eingesetzt. Dies ist nicht der Fall, und es wird auch niemals der Fall sein.»
«Wir sind eine offene, tolerante und internationale Schule. Das wird so bleiben»
Weiter heißt es: «Dennoch entschuldigen wir uns bei allen, die sich dadurch verletzt fühlen könnten. Selbstverständlich war das weder die Absicht der Schule noch eines einzelnen Lehrers.» Das Gymnasium sei seit fast 20 Jahren Mitglied von «Schule ohne Rassismus», «und das nehmen wir als Auftrag und Verpflichtung ernst. Wir sind eine offene, tolerante und internationale Schule. Das wird so bleiben. Sollte sich jemand wegen seiner Herkunft, sexuellen Orientierung oder Zugehörigkeit zu einer Minderheit benachteiligt oder ungerecht behandelt fühlen: Wir sind da, und wir werden gemeinsam dagegen kämpfen. Immer und für jeden.» News4teachers / mit Material der dpa
Schüler beklagen Alltags-Rassismus, Forscher fordern von Lehrern mehr Sensibilität
Nun ja, das Schulbuch wurde ja vom Ministerium zugelassen. Wem also sollte der shitstorm gelten? Trifft er zurecht Kollegen, die sich auf Vorgaben “von oben” verlassen zu können glauben?
Man muss froh sein, dass sich sowohl die Schulleitung als auch das Dezernat schützend vor die Lehrkraft gestellt haben. Viel zu oft lässt letztere die Schulleitung und erstere die Lehrer alleine.
Ist das wirklich passiert ?
Das hört sich wie eine Posse aus den 70er Jahren im bayrischen Schwabenland an.
Ha! Das ist jetzt aber eine Diskriminierung der bayerischen Schwaben oder der schwäbischen Bayern.
Wie soll man dieses Thema denn sonst ansprechen und die Schülerinnen und Schüler dafür sensibilisieren?
Heißt das, diese Ausgangslage kommt nicht vor?
Oder darf sie in Links-Deutschland nur nicht thematisiert werden?
“Ein Deutscher missbraucht 20 Kinder und produziert daraus 50 Videos. Berechne…”
Gleiches Recht für alle!
Kann man gerne machen. Nur gibt es darüber kaum einen derartigen Aufschrei.
Wieso ist Ihrer Meinung nach ignorieren und totschweigen besser? Ich bitte um ernsthafte Gründe und keine Ablenkung auf pädophile Deutsche. Die Minderjährigenehen kommen in muslimischen Kreisen ebenfalls vor und sind kein Gramm besser.
Zudem Bernd hier Äpfel und Birnen vergleicht. Pädophilie ist in Deutschland ein Verbrechen und keinesfalls gesellschaftlich so anerkannt wie die (Zwangs-)Verheiratung von Minderjährigen in anderen Kulturkreisen.
Diese Aufgabe als Beispiel für klischeehaftes Denken ist so ungeschickt, wie viele Schulbücher und ich frage mich manchmal, was sich die Autoren dabei denken.
Wie wäre die Sensibilisierung der Schüler und die öffentliche Reaktion wohl ausgefallen, wenn man die Fragestellung von @Bernd dazu gekommen wäre?
Ein Supermarkt wirbt mit Tierwohl und hübschen Bildern von niedlichen Ferkeln im Gras, während die Säue in der Realität nie Sonnenlicht gesehen haben und so eng stehen, dass sie die Ferkel tot treten. Bis auf den Kunden weiß jeder Abnehmer Bescheid. Diskutiere…
Wenn ich ethisch diskutieren will, muss ich an meiner Realität bleiben und nicht bei einem seltenen Szenario, dass mich nur indirekt betrifft
Und ja auch da kommt das Thema Vorurteile zum Tragen.
Alternativ und an geschichtlichen Tatsachen orientiert sowie der geschichtlichen Weiterbildung dienend bietet sich eine Rechenaufgabe zur Heiratspolitik der Habsburger zur Vergrößerung ihrer Besitzungen an.
Etwa wie viele Generationen benötigten diese um ihre Stammlande durch Heiratspolitik zu verhundertfachen, wenn jeder Nachfahre immer ein Gebiet sich durch Heirat einverleibt ?
Guter Kommentar, AvL!
Teilweise konnten sich die Prinzessinnen einer unliebsamen Heirat nur dadurch entziehen, indem sie rechtzeitig an den Pocken starben….
Auch Queen Viktoria war, was die Heirat ihrer Kinder betraf, nicht sonderlich zart beseitet.
Und auch unsere Dithmarscher Großbauern planten Heiraten unter ökonomischen Gesichtspunkten.
Aber das kann man unter “Es war einmal” abbuchen!
Es ist schon wichtig, die GEGENWÄRTIGE Problematik der Zwangs- und Kinderehen zu thematisieren! Das kann nicht als pittoreskes Stammesbrauchtum relativiert werden!
Trotzdem finde ich es nicht zielführend, es an der Türkei festzumachen. Auch wenn SuS in dem Philosophiekurs dieses Brauchtum sicherlich geografisch verorten können, (und da ist die Türkei nicht das einzige Land, in dem so etwas stattfindet,) bringt das nichts, wie man sieht!
Anstatt sich mit dem wichtigen Thema wirklich zu beschäftigen, muss sich die Schule nun auf “Nebenkriegsschauplätze” begeben! Wem hilft das?
Es wird unter dem Aufschrei “Rassismus” begraben!
Das kann man sicherlich sensibler machen, indem man die Nationalität und Religion nicht schon in der Aufgabe formuliert. Ist ja eigentlich auch gar nicht nötig, denn so eine “Heiratspolitik” ist heutzutage NIRGENDS mehr tolerabel!
Es ist mehr als nur unsensibel, das Problem an einer Nation festzumachen!
Aber solche Probleme sollten schon angesprochen werden! Vor allem, da ignorieren besonders den jungen Mädchen, die betroffen sind, nicht hilft.
Also: “Ein Vater ……”
Wobei auch in der Version auch für die Schüler absolut klar ist, wo das ganze kulturell-geografisch zu verorten ist.
So oder so hat der Shitstorm sein Ziel erreicht. Der Lehrer wird nie wieder heiße Eisen anfassen, der politisch überkorrekte Mainstream hat ihn (oder sie) im beruflichen Kontext auf hart links gebügelt, den Schulbuchverlag ebenso.
@Toleranz: Wenn man es genau nimmt, dann ist es auch unsensibel, dass in dem Text von dem “Familienvater…” gesprochen wird. Auch könnte man argumentieren, wieso man es an dem männlichen Elternteil festmacht, denn auch hier lässt sich das Argument anwenden: Nur sehr wenige Väter gehen so vor, warum also mit “Familienvater” generalisieren? Warum nicht die Mutter?
Wenn man aber so argumentiert, dann kann man bald keine realen Probleme mehr ansprechen. Entscheidend ist m.E. nicht die einzelne Aufgabe an sich, sondern welche Aufgaben insgesamt behandelt werden und wie das Thema in der Stunde besprochen wird. Bspw. könnte es in einer weiteren Unterrichtseinheit eine Aufgabe geben, bei dem es um eine Fallstudie mit “einem deutschen Nazi aus Sachsen” geht. Solange der Unterricht insgesamt ausgewogen ist, sollte es zulässig sein, auch “unsensible” Themen oder Fallstudien zu besprechen. Und warum nicht auch die Nationalitäten, Religionen und Geschlechter als Beispiel nennen, bei denen das jeweilige Problem nun mal öfter vorkommt, als bei anderen Konstellationen?
Im Buch Naturwissenschaften für Klasse 5-6 in Brandenburg, wurde die Wirkungsweise von Kraft wie folgt grafisch-zeichnerisch dargestellt.
Seitenkraft: eine stehrnde Frau isst ein Eis, seitlich sieht man einen Pfeil mit gespannten Bogen.
Fallkraft: einer stehenden Frau fällt ein großer Stein auf den Kopf.
Das Buch wurde x-mal an Schüler ausgeteilt.
Als ich den Verlag anschrieb, bekam ich neue Grafiken. Die könnten stattdessen verwendet werden und bei erneuter Auflage, werden die Grafiken ausgetauscht.
Es passiert immer wieder, dass dummes Zeug für Schulbücher verwendet wird.
Das “türkisch” weglassen und schon wird eine Situation beschrieben, die es in bestimmten Milieus durchaus gibt und die in der Schule geläufig ist. Der Klassiker: die Mädchen kehren nach den Sommerferien nicht in die Schule zurück. Ist so, da hilft auch kein Leugnen.
Ja genau, alle türkischen Väter machen das so. Doch, das kommt so an, wenn sowas in einem Schulbuch steht. Sollten Sie als Lehrerin eigentlich wissen.
Ich wundere michvimmer wieder über einige Menschen im Schuldienst.
Mir ist gerade ein Klausurbeispiel aus meiner eigenen Schulzeit eingefallen, was ich hier gerne zur Diskussion stellen würde. Gestellt wurde sie ca 1991 in der 8. Klasse:
“Ein Junge bekommt eine Gymnasialempfehlung. Der Vater will, dass sein Sohn die Hauptschule besucht, damit er möglichst schnell den elterlichen Betrieb übernehmen kann. Erörtere, wie man dem Vater, der kein hohes Bildungsniveau hat, davon überzeugen kann, dass der Sohn aufs Gymnasium gehen soll.”
Ja genau so. Und ich habe damals schon den Kopf geschüttelt. Ich habe schon als Schüler darauf hingewiesen, dass ein Hauptschulabschluss keine gute Grundlage für einen Meisterbrief ist, und der aber benötigt wird (damals), um einen Betrieb zu führen und in diesem Kontext auch auf das Bildungsniveau des Vaters hingewiesen.
Im Ergebnis dürfte die Note hier jedem klar sein – ich habs überlebt.
Aber in Zeiten, wo wir finanziell schwache Familien als “sozial schwach” bezeichnet werden, Begriffe wie “Schattenfamilien” und “illegale Schulen” regelmäßig durch die Medien geistern und öffentlich eine Diskussion unter dem Titel “Bildung vs. Gesundheitsschutz” geführt wird, würde ich gerne diese veraltete Schulaufgabe tatsächlich in den Diskussionspool zum Thema Vorurteile einbringen.
Vielleicht sollten SchulbuchautorInnen aufhören, ihre Fantasie (und damit ihre eigenen Stereotype) in Aufgaben zu gießen – und stattdessen, wenn sie gesellschaftliche Problemstellungen anschaulich machen wollen, auf sachliche und verifizierte Medienberichte zurückgreifen.
Also doch die Zwangsheirat in türkischen Familien.
Das ist sehr pauschal daher gesagt, und sonst gäbe es auch nicht den berechtigten Aufschrei.
Ich denke der Aufschrei ist berechtigt. Es gibt viele Menschen ausländischer Herkunft, die tagtäglich mit Vorurteilen konfrontiert werden. Genauso wie Kinder aus finanzschwachen Haushalten (schaffen die gymnasiale Oberstufe nicht laut dem Hamburger Bildungssenator Rabe), psychisch Kranken (sind nur faul) usw.
Diese Menschen haben es verdammt schwer am normalen Gesellschaftsleben teilzunehmen und gerade deswegen trifft sie so etwas auch so.
Ich finde es absolut richtig solche Themen zu besprechen und nicht nur historisch unter “es war einmal” zu verbuchen. Aber Feingefühl darf dabei eben nicht fehlen.
@Bernd. Man sollte nicht patriarchalische Traditionen mit krankhaften Veranlagungen vergleichen, das ist doch absurd. Kindesmissbrauch ist wohl in jeder Nation zu finden und entsprechend zu verurteilen. Natürlich gibt es auch Zwangsheiraten in etlichen anderen Ländern, von daher sollte man den Begriff “türkisch” weglassen und einfach von traditionellen Zwangsheiraten sprechen. Das ist Diskussionsgrundlage genug.
Dass das Phänomen existiert, kann nicht bestritten werden Zu diesem Thema empfiehlt sich der Film “Nur eine Frau”, der neulich im Fernsehen lief, natürlich werktags zwischen 22 und 24 Uhr. Da wird genau das dargestellt, und zwar in enger Anlehnung an reale Geschehnisse in Berlin. Auch ein (Pseudo-)Imam spielt eine gewisse Rolle dabei, und die Brüder kontrollieren ihre (längst volljährige) Schwester in einer geradezu widerlichen Art und Weise, so richtig arrogant, obwohl die Schwester es weiter gebracht hat als sie selbst. In einer Szene ohrfeigen sie ihre Schwester in einer Straßenbahn, und niemand sonst sagt war dazu. Dass ALLE Türken das so machen, wird ja wohl niemand behaupten. Aber immerhin sagt Frau Kelek (die selber aus der Türkei stammt), etwa die Hälfte der türkischen Ehefrauen in Berlin lebe in einer Zwangsehe. Aber auch andere Themen werden nicht auf ALLE zutreffen. Ganz so kriminell wie die Zahl der Krimis im Fernsehen glauben lässt ist das Volk ja wohl auch nicht. Dabei scheint es keine Angst vor Klischees zu geben, die Klischees werden gepflegt (“der Mörder ist immer der Butler oder der Gärtner”).
Ich finde die Aufgabe nicht geschickt gestellt, ich hätte auf die Nennung einer Nationalität oder einer Religion verzichtet. Aber sie erreicht ihren Zweck: das Problem ( nicht die möglichen Vorurteile ) muss sich in den Köpfen festsetzen, ebenso wie ähnliche gelagerte Themen, z.B. die Beschneidung von Mädchen. Die Schüler können sich sehr schnell informieren, in welchen Kulturkreisen das üblich ist. Platte Vorurteile habe ich in Philosophieunterricht der Oberstufe auch nie erlebt, da dort in der Regel die kritischen Geister in der Überzahl sind. Vermutlich wäre in keinem meiner Kurse diese Aufgabe negativ aufgefallen, da die Bearbeitung kein Stammtischniveau hätte.
@Linda: Ich stimme Ihnen vollkommen zu. Allerdings sehe ich es zudem nicht als Problematisch an, die Nationalität und Religion zu nennen. Genauso wie ich es als unproblematisch sehe, dass von dem Familienvater gesprochen wird (also nicht nur türkisch sondern auch noch männlich). Es macht doch Sinn, eine solche Situation möglichst realistisch zu beschreiben und eine Konstellation zu wählen, in der das öfter vorkommt. Dir Thematik soll ja auch richtig verortet werden und dazu könnte auch gehören, zu eruieren in welchen Kulturkreisen solches leider noch vorkommt.
Niemand, der kritisch denken kann, wird dies in einer guten Unterrichtseinheit auf alle türkischen muslimischen Familienväter übertragen. Im Vergleich hierzu ist der übliche Religionsunterricht an Schulen teilweise voller Vorurteile und Stereotype.
“Sollte sich jemand wegen seiner Herkunft, sexuellen Orientierung oder Zugehörigkeit zu einer Minderheit benachteiligt oder ungerecht behandelt fühlen : wir sind da, und wir werden gemeinsam dagegen kämpfen.”
Hehre Worte! Klar dürfte aber sein, dass die zwangsverheirateten Mädchen benachteiligt werden und sich auch so fühlen werden im Vergleich zu den anderen Mädchen. Also müssen wir gemeinsam dagegen kämpfen. Und wie machen wir das? Durch Vertuschen und Schönreden und durch die Verweigerung einer Kritik an den patriarchalischen männlichen Autoritäten (bei denen gehört das dann zur “Kultur”). Allem Gendergerede zum Trotz. Gilt die Gendergerechtigkeit nur für einen Teil der Bevölkerung?
Kann es sein, dass viele, die sich über die eine Aufgabe echauffieren, es nicht für nötig erachtet haben, sich den obigen Artikel komplett durchzulesen? Diese eine Aufgabe ohne Kontext könnte man rassistisch sehen. Allerdings ist die Aufgabe des Buches insgesamt, über Kulturrelativismen zu sensibilisieren.
Gerade weil das Thema brisant ist, sollte man sehr genau hinsehen, dass es nicht missbraucht werden KANN!
Dass man jede “Plattitüde” vermeidet! Es geht nicht um Türken, den Islam, sondern um unhaltbare, nicht zu tolerierende Zustände.
Niemand soll die Gelegenheit bekommen, das Thema Zwangsheirat, das viele Mädels (und auch Jungs) furchtbar belastet, durch Rassismus-und Islamophobiegeschrei zu relativieren!
Es geht nicht um die Türken als Nation oder als einzelne Menschen, aber es geht doch um gesellschaftliche Traditionen in der Türkei (und auch anderswo), nicht etwa Einzelfälle. Die islamischen Autoritäten haben solche Traditionen jahrhundertelang unterstützt und sagen jetzt, dass rein theoretisch eine Zwangsheirat nicht richtig ist. Aber letztlich entscheidet die Praxis, und die Gewalt ist auf seiten der familiären Autoritäten. Die Mädchen haben keine Rechte und sind enormem Druck ausgesetzt, schließlich doch zuzustimmen. Irgendwo hieß es, dass man selbst schweigen als Zustimmung wertet.
Zum Vergleich: Jahrhundertelang haben die katholischen Autoritäten das Verprügeln von Kindern für richtig erklärt und sogar selber praktiziert in Kinderheimen (oder einfach dazu geschwiegen). Jetzt plötzlich verkünden sie, dass rein theoretisch solche Gewalt nicht richtig ist.
Das Problem mit Religionen ist, dass sie sich nur allzu bereitwillig mit den reaktionärsten gesellschaftlichen Traditionen verbünden. Die Menschenrechte mussten und müssen gegen die Religionen erkämpft werden, sie passen einfach nicht in althergebrachte religöse Denksysteme. Die religiösen Autoritäten haben in diesem Punkte in modernen Gesellschaften keine Rücksichtnahme verdient, da kann der Islam keine Ausnahme für sich geltend machen. Das Geschrei beleidigter Funktionäre ist kein Argument.
“Der Geschrei beleidigter Funktionäre ist kein Argument” Danke. Bittet genauso wortwörtlich in das nächste Lehrbuch übernehmen, genau wie die anderen Beispiele.
Es ist faszinierend diese Diskussion hier zu lesen. Ethik scheint zu gehen, ohne, dass irgendjemand hier rassistisch wird und das auf hohem Niveau..
Danke
Die normal Kommentierenden senken das Niveau nicht.
Gerade im Ethikunterricht kann man sich ja damit auseinandersetzen, dass so etwas nicht ausschließlich in bestimmten Kulturkreisen vorkommt.
Und ich nehme an, es wurde im Unterricht auch darauf eingegangen, dass derartige Vorgänge unabhängig von Religion und Herkunft (aus ethischen Gewichtsgründen) nicht moralisch sind.
Daher ist dies ohne weiteren Kontext tatsächlich schwierig zu beurteilen.
Ich finde es aber auch richtig, dass um derartige Formulierungen gerungen wird.
Würde die Aufgabe ohne Nennung einer konkreten Nationalität weniger relevant?
@Alx
“Würde die Aufgabe ohne Nennung einer konkreten Nationalität weniger relevant?”
Nein, nicht weniger relevant! Nur weniger relativierbar!
Jetzt schwingen Menschen die Rassismuskeule um das Thema zu eliminieren.
Schade!!!
“dass so etwas nicht ausschließlich in bestimmten Kulturkreisen vorkommt”
Manche Dinge sind aber kulturabhängig – wobei Kultur durchaus wandelbar ist.
Es war mal Teil der deutschen Kultur, dass sich Studenten im Falle einer Beleidigung duelliert haben. Das ist heute nicht mehr der Fall.
Von 1992 bis 2012 starben in Albanien etwa 5000 Menschen durch Familienfehden. Ein solches Phänomen gibt es nunmal nicht in Island. Bestimmte Dinge geschehen nur in bestimmten Regionen.
Da haben Sie Recht,@Thomas Baader! So etwas geschieht vornehmlich in bestimmten Regionen.
Das heißt aber nicht, dass es in den Regionen bleibt!
In einer globalisierten Welt diffundieren auch Probleme in andere Regionen.
Deshalb ist es nicht zwingend nötig, das Problem an eine bestimmte Region zu koppeln (Albanien, Korsika usw.).
Selbstjustiz ist in Deutschland keine Option! Selbstjustiz sollte nirgendwo eine geduldete Option sein, unabhängig von Religion, Rasse, Nationalität, Tradition!
Wenn wir das in die Köpfe unserer Schüler hineingekommen, haben wir viel erreicht! Vielleicht auch ein Umdenken bei Kindern/Jugendlichen, die ihre Heimat in einer anderen Region verorten.
Wenn man der Meinung ist, auf der “Anklagebank” zu sitzen, wird man nach Rechtfertigungen suchen! “Ja, aber….”
Der türkische Schüler wird zum Problem Zwangsheirat sagen: “Mein Papa ist aber nicht so”, und in den meisten Fällen hat er Recht! Damit ist aber noch kein Problembewusstsein erreicht!
Und genau darum geht es doch im Philosophiekurs, oder?
Keiner weiß Genaues über den Sachverhalt außer der Klasse und der Lehrkraft. Solange die Hintergründe nicht bekannt sind, kann man sich auch kein Urteil erlauben. Die Antwort der SL deutet daraufhin, dass die Aufgabe in einem Kontext gestellt wurde, der sich mit Rassismus auseinandersetzt.
Ja, schade, dass es scheinbar um Rassissmus geht!
Ist das wirklich das Problem der zwangsverheirateten jungen Frauen?
Rassismus?
Echt jetzt?
Wenn ich Tag für Tag, Jahr für Jahr gezwungen bin, mein Bett mit einem ungeliebten Menschen zu teilen, hat das mit Rassismus nichts zu tun.
Vielleicht etwas mit Vergewaltigung…….
Es könnte doch auch sein, dass die Empörung mit dem Shitstorm nicht von Leuten ausgeht, die sich tatsächlich zu Unrecht abgewertet sehen, sondern gerade von solchen Leuten, die die ganze Diskussion über das ungeliebte Thema lieber aus der Schule raushalten würden. Also konservative Leute und Funktionäre, die jede Diskussion über die Heirats-Gepflogenheiten lieber mit dem Mantel des Stillschweigens zudecken würden. Vielleicht sollen die Mädchen lieber nicht zu viel diskutieren und nicht indirekt zu einem Ungehorsam gegenüber den familiären Autoritäten angestiftet werden, wer weiß das schon? Und dass es bei dieser Heirats-Strategie auch um Aufenthaltserlaubnisse geht, ist ein offenes Geheimnis. Es geht schließlich auch um Geld (Brautgeld), und über solche Dinge spricht man lieber nicht.
Halte ich für plausibel, zumal die Verwandtenehen selbst nicht bestritten, weil überhaupt nicht erwähnt werden.
Die Idee von AvL zu einer schulisch wesentlich gelungeneren Fragestellung erscheint auch mir zitierwürdig bzw. zur Nachahmung empfohlen:
“Alternativ und an geschichtlichen Tatsachen orientiert sowie der geschichtlichen Weiterbildung dienend bietet sich eine Rechenaufgabe zur Heiratspolitik der Habsburger zur Vergrößerung ihrer Besitzungen an.
Etwa wie viele Generationen benötigten diese um ihre Stammlande durch Heiratspolitik zu verhundertfachen, wenn jeder Nachfahre immer ein Gebiet sich durch Heirat einverleibt ?”
Kann man sogar übertragen auf die heutige Zeit mit Kinderzahl und Alter der Mutter bei Migranten und Einheimischen oder die berühmten „Judenaufgaben“ aus der Zeit des dritten Reiches. Ist im Endeffekt dasselbe. Vielleicht sollte man damit Ihren Vorschlag einfach sein lassen.
Die Sache mit den Habsburgern passt gut in den Geschichtsunterricht. Allerdings wäre ich mit dem Faktor 100 vorsichtig: nicht einmal bei denen wuchsen die Bäume in den Himmel. Und was würden Sie vorschlagen, wenn die Nachfahren der Habsburger sich über eine Diskriminierung beschweren würden?
Um eine Rechenaufgabe ging es im obigen Artikel aber gar nicht, sondern um eine Diskussionsgrundlage zu gesellschaftlichen Traditionen.
Ich habe viele Jahre ehrenamtlich in den Bereichen Zwangsheirat und Ehrenmord gearbeitet. Ich verstehe die Aufregung nicht. Das sind reale Phänomene.
Ja, leider sind das reale Phänomene, auch in der BRD!
Nachdem wir “Nachhilfe” von Menschen wie Seyran Ates bekommen haben, gehen auch viele Richter das Problem anhand unseres GG an. Früher wurde es ja noch relativiert, da es angeblich zur freien Glaubensausübung dazugehöre, Kinderehen, Zwangsheiraten und auch Ehrenmorde für bestimmte Gruppen anders zu sanktionieren, da in der Religionsfreiheit verortet.
Aber auch wenn wir gelernt haben, dass das nicht der Fall ist, dass das eher in den Bereich der (Stammes-)Traditionen gehört, es geschieht weiterhin.
Es wäre toll, wenn man das Problem einfach ansprechen und diskutieren könnte und den Betroffenen (meist Mädchen) niederschwellige Hilfsangebote an die Hand geben könnte.
Das wird aber durch die Rassismus-Debatte erschwert!
Deswegen muss man so vorsichtig sein, keine Steilvorlage zu bieten, die Lehrer einfach mundtot macht. Das Rassismus-Argument ist so ein Totschlagargument! Islamophobie gehört auch in diese Kategorie.
Natürlich ist das in dem Fall der Kinderehen, Zwangsverheiratungen und Ehrenmorde überhaupt kein valides Argument, in einer aufgebrachten Empörungssituation interessiert das aber niemanden!
Will man also Jugendliche für das Thema sensibilisieren, muss man darauf achten, keine unbedachten Vorlagen für die genannten Totschlagargumente zu liefern.
“… muss man darauf achten, …”
Haben Sie sich das auch gut überlegt? Das klingt so, als ob die Leute mit den Totschlagargumenten die Diskussion dominieren und die anderen anderen Rand gedrängt werden. Ist das so? Und mit welchem Recht? Sieht unser Grundgesetz sowas vor? Warum müssen jetzt die einen vorsichtig sein und die anderen (die mit den Totschlagargumenten) gerade nicht? Mir leuchtet das nicht ein.
“Das sind reale Phänomene”
So stand es sogar schon bei news4teachers:
https://www.news4teachers.de/2019/06/abflug-ohne-wiederkehr-wenn-in-den-sommerferien-die-zwangshochzeit-droht/
Aber die Redaktion hat lieber was zum “Alltags-Rassismus” oben verlinkt, so als könne es “rassistisch” sein darauf hinzuweisen.