DÜSSELDORF. CDU und Grüne in Nordrhein-Westfalen sind sich einig – sie wollen Koalitionsverhandlungen starten. Grundlage dafür ist ein Sondierungspapier, das die Partner in spe nun veröffentlicht haben. Das Kapitel „Schule und Bildung“ lässt ahnen, wohin die Reise geht. Ein echter Aufbruch ist nicht zu erwarten. Eine Analyse.

Am Anfang steht die Binse. „Das Wohl unserer Kinder ist Leitfaden unserer Bildungspolitik. Nach den Herausforderungen der Corona-Pandemie brauchen Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Eltern vor allem Ruhe und Unterstützung und unsere Schulen zusätzlich Entlastung“, so heißt es in dem Sondierungspapier mit dem Titel „Für die Zukunft von Nordrhein-Westfalen“ im Abschnitt Schule und Bildung. „Wir wollen jedes Talent finden und alle Kinder nach ihren individuellen Stärken und Potenzialen fördern. Alle Kinder sind an allen Schulen willkommen und werden zu ihrem bestmöglichen Abschluss begleitet.“ So weit, so gut.
„Wir werden die Schulen mit den notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen ausstatten“
Aber was bedeutet das konkret? Vermieden werden soll zunächst ein Wiederaufflammen des jahrzehntelangen Streits um ein integriertes oder differenziertes Schulsystem. Die Inklusion wird nicht mit Druck vorangetrieben, sondern weiterhin an Förderschulen verlegt (was dem Sinn nach gar keine Inklusion ist). Wörtlich heißt es in dem Papier: „Wir werden (..) auf der Basis des Schulfriedens zu gezielten und nachhaltigen Verbesserungen in unserem vielfältigen Schulsystem kommen, um Chancengerechtigkeit zu schaffen. Ein hochwertiges und gut ausgestattetes inklusives Schulangebot in Förderschulen und allgemeinen Schulen sichert Eltern und Kindern Wahlfreiheit.“ Was das Papier verschweigt: Doppelte Strukturen zu unterhalten, bedeutet wesentlich höhere Kosten.
Woher die Mittel kommen? Bleibt offen. Versprochen wird: „Wir werden die Schulen mit den notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen ausstatten. Zusätzliche Mittel werden wir nach dem Grundsatz Ungleiches ungleich zu behandeln, effektiv und bedarfsgerecht nach einem schulscharfen Sozialindex bereitstellen. Damit stärken wir gezielt die Schulen, die vor den größten Herausforderungen stehen. Zur Sicherung der Unterrichtsversorgung werden wir in den kommenden Jahren 10.000 zusätzliche Lehrkräfte einstellen. Um Lehrkräfte und Schulleitungen zu entlasten, werden wir ihnen verstärkt multiprofessionelle Teams und Verwaltungsfachkräfte an die Seite stellen.“ Hintergrund: Nordrhein-Westfalen ist das Bundesland, das pro Schüler am wenigsten für die Bildung ausgibt (nämlich 7.500 Euro im Jahr – Bayern liegt bei 9.600 Euro).
„Mit einem verbindlichen Stufenplan werden wir die Eingangsbesoldung für alle Lehrkräfte auf A13 anheben“
A13 für alle Lehrkräfte einzuführen, das hatte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) im Wahlkampf versprochen, gehöre zu den in den ersten Maßnahmen seiner neuen Amtszeit – die vollständige Umsetzung wird sich allerdings ziehen. „Mit einem verbindlichen Stufenplan werden wir die Eingangsbesoldung für alle Lehrkräfte auf A13 anheben, Bestandslehrkräften den Aufstieg ermöglichen und in einem ersten Schritt bereits im Nachtragshaushalt 2022 Mittel bereitstellen.“ Wie lange so etwas dauern kann, zeigt das Beispiel Schleswig-Holstein: Dort wurde bereits 2018 „A13 für alle Lehrkräfte“ versprochen – schrittweise bis 2026.
Und was ist mit dem Sanierungsstau bei Schulgebäuden und der nach wie vor stockenden Digitalisierung der Klassenräume? „Um die Schulen mit den größten Herausforderungen zu den besten Lernorten zu machen, werden wir die Schulträger bei der Sanierung und Modernisierung der Schulinfrastruktur noch besser unterstützen. Darüber werden wir in einen Dialog mit den Kommunalen Spitzenverbänden eintreten. Bei der Ausstattung aller Schülerinnen und Schüler wie der Lehrkräfte mit digitalen Endgeräten werden wir im Sinne einer digitalen Lernmittelfreiheit sicherstellen, dass diese technisch auf dem neuesten Stand bleiben, und eine Fortbildungsoffensive für Lehrerinnen und Lehrer starten.“
Der letzte Punkt stammt augenscheinlich aus der Wunschliste der CDU (war nämlich schon in der letzten Legislaturperiode von Schwarz-Gelb hervorgehoben worden): „Für uns sind die akademische und die berufliche Bildung gleichwertig. Insbesondere mit Blick auf den aktuellen Fachkräftebedarf werden wir die duale Ausbildung und die Berufsschulen stärken. Schülerinnen und Schüler sollen durch entsprechende Angebote die großen Chancen der beruflichen Bildung systematisch und früher als bisher kennenlernen.“
Was ist mit dem gravierenden Lehrermangel? Das den Verbänden zufolge größte Problem der Bildungspolitik kommt im Sondierungspapier schlicht nicht vor. Schon jetzt können Tausende von Stellen in NRW-Schulen (insbesondere an Grundschulen) nicht besetzt werden – woher die künftige Koalition 10.000 zusätzliche Lehrkräfte nehmen will, bleibt deren Geheimnis. News4teachers
Hier geht es zum vollständigen Sondierungspapier.
VBE mahnt neue NRW-Landesregierung, Lehrermangel zu bekämpfen – mit A13
