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Ministerium: Lehrkräfte per Brief um Arbeitszeit-Erhöhung anzubetteln, ist „völlig üblich“

STUTTGART. Das baden-württembergische Kultusministerium hat den scharf kritisierten Bettelbrief der Regierung an die Schulen zur Arbeitszeit von Lehrern verteidigt – und ähnliche Bitten als gängige Routine beschrieben. In dem Schreiben hatten Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Kultusministerin Theresa Schopper (beide Grüne) Lehrer und Schulleiter angesichts von Personalmangel, Pandemie und Ukraine-Flüchtlingen um freiwillige Mehrarbeit gebeten, um den Unterricht im nächsten Schuljahr sicherstellen zu können.

«Eine, zwei oder vielleicht sogar drei zusätzliche Stunden»: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gehen die Lehrkräfte aus. Foto: Grüne Baden-Württemberg

«Die Bitte an Lehrerinnen und Lehrer, die in Elternzeit sind oder die in Teilzeit sind, zurückzukommen aus Elternzeit oder ihre Teilzeit zu erhöhen, ist ein in den letzten Jahren völlig üblich gewähltes Instrument in der Schulverwaltung», sagte Kultusstaatssekretär Volker Schebesta (CDU) am Donnerstag im Bildungsausschuss. Der Brief solle diese Bitte «zusätzlich unterstreichen». Dass es seit Jahren «völlig üblich» sein soll, Lehrkräfte um eine Erhöhung ihrer individuellen Arbeitszeit zu bitten (die vermutlich in den allermeisten Fällen aus guten Gründen reduziert worden ist), lässt allerdings tief blicken.

Kretschmann und Schopper hatten ihren Appell ausdrücklich an Lehrkräfte gerichtet, die in Teilzeit arbeiten, die vor dem Eintritt in den Ruhestand stehen oder pensioniert sind. In den Schreiben hatten sie die Lehrer gebeten sich zu überlegen, ob sie im kommenden Schuljahr «eine, zwei oder vielleicht sogar drei zusätzliche Stunden unterrichten» oder ihren anstehenden Ruhestand hinausschieben können. Beide argumentieren, eine längere Arbeitszeit könne sich beachtlich auf die Unterrichtsversorgung im Land auswirken. Zuvor hatte die Regierung den Vorstoß des Regierungschefs aufgegeben, wegen des Lehrermangels die Mindestarbeitszeit für Beamtinnen und Beamte in Teilzeit zu erhöhen.

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„Schon seit 2018 schlummern Vorschläge der GEW zur Lehrkräftegewinnung in den Schubladen des Kultusministeriums”

Lehrerverbände und die politische Opposition hatten das Schreiben von Kretschmann und Schopper angesichts der Belastungen durch die Ukraine-Flüchtlinge und die Pandemie scharf kritisiert. „Schon seit 2018 schlummern Vorschläge der GEW zur Lehrkräftegewinnung in den Schubladen des Kultusministeriums. 2017 und 2018 lagen die Lehrkräftebedarfsprognosen für Grundschulen und für alle Schularten der Sekundarstufe I vor und wurden bisher weitgehend von der Landesregierung ignoriert“, so erklärte etwa GEW-Landesvorsitzende Monika Stein.

Die GEW sei bereit, mit der Landesregierung über sinnvolle kurz- und langfristige Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel zu sprechen. „Wir können zum Beispiel durch eine Erhöhung der Altersermäßigung erreichen, dass weniger Lehrkräfte wegen der Belastung früher in den Ruhestand gehen müssen. Mit besseren Qualifizierungsprogrammen kann der Mangel bei Sonderpädagog*innen verringert werden. Klar muss aber auch sein, dass erhebliche Investitionen in mehr Studienplätze und für bessere Arbeitsbedingungen notwendig sind, damit an unseren 4.500 Schulen gut gearbeitet und gelernt werden kann“, so Stein.

Befristet eingestellte Lehrkräfte bräuchten jetzt Einstellungszusagen für das nächste Schuljahr, um sie nicht zu verlieren – statt Arbeitslosigkeit über die Sommerferien,. Hintergrund: Auch unter Kultusministerin Schopper werden befristet angestellte Lehrer in Baden-Württemberg über den Sommer entlassen (um deren Gehälter zu sparen), obwohl es seit Jahren Kritik an dieser Praxis gibt. Die drohen deshalb in andere Bundesländer abzuwandern, wie News4teachers berichtet. News4teachers

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