BERLIN. Der Streit über den Leistungsabsturz bei den Viertklässlern in Deutschland geht weiter. Der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, hat die Reaktionen der Kultusministerkonferenz auf die Ergebnisse des IQB-Bildungstrends scharf kritisiert. „Wer seit Jahren die personelle Unterdeckung an den Grundschulen – bei gleichzeitig wachsenden Aufgaben und zunehmender Heterogenität in den Lerngruppen – ignoriert, muss sich nicht wundern, wenn das messbare Leistungsniveau sinkt.” Auch den Philologenverband und den Verband der Realschullehrer (VDR) nahm der VBE-Chef ins Visier.
Grundschulkinder in Deutschland haben zunehmend Mathe- und Deutschprobleme und sind im Zehn-Jahres-Vergleich in ihren Kompetenzen deutlich zurückgefallen. Das zeigt eine am Freitag von der Kultusministerkonferenz (KMK) vorgestellte Studie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB), die im Abstand von fünf Jahren den Stand bei Viertklässlern repräsentativ untersucht. Die KMK betonte in ihrer Stellungnahme, dass «die Schulschließungen und Unterrichtseinschränkungen in der Corona-Zeit» Schülerinnen und Schüler «erheblich zurückgeworfen» hätten, wie News4teachers berichtet.
“Die Politik ist unehrlich, wenn sie jetzt für das rückläufige Leistungsniveau vor allem die Schulschließungen ins Feld führt”
Beckmann betont hingegen nun: “Die politisch Verantwortlichen verweigern den Grundschulen, trotz besseren Wissens, seit Jahren die Ressourcen, die sie für die Erfüllung ihres Bildungsauftrags benötigen. Wer individuelle Förderung ins Schulgesetz schreibt, muss auch die notwendigen Voraussetzungen für die Umsetzung schaffen. Die Politik ist unehrlich, wenn sie jetzt für das rückläufige Leistungsniveau vor allem die Schulschließungen ins Feld führt und damit versucht, das eigene politische Versagen zu kaschieren.”
Dass die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz erst jetzt damit beauftragt werde, Lösungen für den seit einem Jahrzehnt offenkundigen Lehrkräftemangel, insbesondere in der Grundschule, zu entwickeln (News4teachers berichtete auch darüber), beweise die bildungspolitische Kurzsichtigkeit. “Es ist allein dem Engagement der im System befindlichen Grundschullehrkräfte zu verdanken, dass das Kartenhaus Grundschule nicht schon längst zusammengebrochen ist. Was nützt es, wenn die Defizite in regelmäßigen Abständen durch Untersuchungen offengelegt werden, die Politik die Grundschulen aber trotzdem weiter im Regen stehen lässt. Es ist ein Leichtes, bereits jetzt vorherzusagen, dass die nächste IQB-Studie noch verheerender ausfallen wird, wenn die Politik nicht bereit ist, den Grundschulen das zu geben, was sie brauchen”, meint der VBE-Bundesvorsitzende.
Darüber hinaus dürfe nicht vergessen werden, dass laut DKLK-Studie 2022 im letzten Jahr rund 9000 Kitas in über der Hälfte der Zeit in aufsichtspflichtrelevanter personeller Unterdeckung arbeiten mussten, wie News4teachers ebenfalls berichtete. Beckmann: “Da Kitas daher ebenfalls nicht in der Lage sind, die Kinder so auf die Schuleintritt vorzubereiten, wie es erforderlich wäre, lässt dies für die Zukunft Böses erahnen.”
“Nicht mitbekommen, dass es der gemeinsame Auftrag aller Schulen ist, Kinder in ihrer gesamten Persönlichkeit zu fördern“
Vor diesem Hintergrund seien die Äußerungen und Schuldzuweisungen aus dem Philologen- und Realschullehrerverband VDR an die Grundschulen, so Beckmann, “völlig daneben”. Er betont: “Sie machen erschreckend deutlich, dass man nach wie vor in Denkmustern von Schule aus dem letzten Jahrhundert verharrt und nicht mitbekommen hat, dass es der gemeinsame Auftrag aller Schulen ist, Kinder in ihrer gesamten Persönlichkeit zu fördern.“
Hintergrund: Der Philologenverband Rheinland-Pfalz hatte mit Blick auf die Grundschulen gefordert: „Schluss mit erwiesenermaßen unbrauchbaren Methoden!“ Ein wesentlicher Grund für den Absturz sei die mangelnde Leistungsorientierung in den Grundschulen und ein immer weiteres Einebnen der Anforderungen in den Basisfächern, so befand der VDR. News4teachers
