DUISBURG. Vom Lehrkräftemangel sind aus Sicht der GEW vor allem Schulen in strukturschwacher Lage betroffen – in dramatischer Weise. «Und gerade dort ist der Mangel umso fataler», sagte die Landesvorsitzende Ayla Çelik am Donnerstag beim Besuch einer Grundschule in Duisburg-Marxloh mit Blick auf den besonderen Förderbedarf vieler Schülerinnen und Schüler an solchen Standorten. Um der Personalnot zu begegnen, schlägt die Gewerkschafterin unter anderem Standardabsenkungen in der Fläche vor: weniger Klassenarbeiten, schlankere Lehrpläne.
An der GGS Sandstraße in Duisburg-Marxloh seien nur 75 Prozent der Lehrerstellen besetzt, pro Woche müssten insgesamt 224 Unterrichtsstunden in verschiedenen Fächern und Klassen gestrichen werden, berichtete die GEW-Landeschefin. Der Schule stehen 33 Stellen zu, aber acht Stellen seien unbesetzt. «Die Schulleitung verwaltet die ganze Zeit über den Mangel», zitierte Çelik nach Gesprächen mit Schulleitung und Lehrkräften. Für die Schülerinnen und Schüler bedeute das, dass ihnen Chancen genommen würden. Für die Lehrerinnen und Lehrer «im System» sei die Belastung groß, weil sie tagtäglich versuchten, die Lücken aufzufangen.
Schulen an strukturschwachen Standorten hätten häufig eine höhere Diversität, es seien besonders intensive Sprachförderung und erhebliche Integrationsleistungen erforderlich, für die aber kaum Zeit und Ressourcen vorhanden seien.
Die Situation der Duisburger Grundschule sei exemplarisch für viele Schulen in strukturschwachen Lagen, schilderte die GEW-Vorsitzende. Herkunftsbedingte Nachteile könnten damit nicht aufgefangen werden. Die knappen Ressourcen – personell wie finanziell – müssten dorthin gelenkt werden, wo der Bedarf am größten sei, forderte sie. Mehr Verwaltungskräfte, IT-Angestellte, Schulsozialarbeiter und Fachleute für die Sekretariate sollten eingestellt werden, um Lehrer zumindest von Tätigkeiten aus diesen Bereichen zu entlasten.
«Das vorgestellte Handlungskonzept zur Unterrichtsversorgung blieb hinter den Erwartungen zurück. Diese Maßnahmen werden nicht reichen!»
In NRW fehlen – wie in anderen Bundesländern auch – Tausende Lehrerinnen und Lehrer. Zum Stand 1. Dezember 2022 waren 8.047 Lehrerstellen laut Schulministerium unbesetzt – bei 165.070 zur Verfügung stehenden Stellen. Grundschulen sind besonders betroffen – hier waren nach jüngsten Zahlen 3.437 Lehrerstellen unbesetzt.
Schulministerin Dorothee Feller (CDU) hatte Maßnahmen vorgestellt, die den Lehrkräftemangel lindern sollen – und unter anderem mehr Seiteneinsteiger, Alltagshelfer, weniger Klassenarbeiten und rigorosere Abordnungen. Dafür würden aktuell rechtliche Verordnungen angepasst und Anweisungen für die Bezirksregierungen erarbeitet – im Frühjahr solle alles soweit fertig sein, hatte sie erst am Mittwoch gesagt. Çelik kommentierte: «Das vorgestellte Handlungskonzept zur Unterrichtsversorgung blieb hinter den Erwartungen zurück. Diese Maßnahmen werden nicht reichen! Und deshalb ist es so wichtig, einen Blick in das System zu wagen.»
«Die Landesregierung muss mit einer echten Attraktivitätsoffensive dafür sorgen, dass sich mehr Menschen für den Beruf als Lehrkraft entscheiden»
Aus Sicht der GEW kann die Politik den Lehrkräftemangel nachhaltig nur dann bekämpfen, wenn sie die Arbeitsbedingungen verbessert. «Die Landesregierung muss mit einer echten Attraktivitätsoffensive dafür sorgen, dass sich mehr Menschen für den Beruf als Lehrkraft entscheiden und Abgänge von Lehrer*innen verhindert werden. Dafür müssen die Arbeitsbedingungen grundlegend verbessert werden – vor allem muss endlich Entlastung in das System. Gute Arbeitsbedingungen und Maßnahmen, die die Lehrkräfte vor Ort entlasten, sind die beste Werbung!» Dazu könne eine Reduzierung der Klassenarbeiten genauso beitragen wie Verschlankung von Curricula.
Auch bundesweit ist der Lehrkräftemangel laut Deutschem Schulbarometer derzeit das größte Problem an den Schulen. Gut zwei Drittel der deutschlandweit gut 1000 befragten Schulleitungen hatten den Personalmangel als größte Herausforderung genannt. Die Erhebung war von der Robert-Bosch-Stiftung beauftragt und am Mittwoch vorgestellt worden (News4teachers berichtete).
Auch wenn Schulen in sozial schwierigen Lagen vom Personalnotstand besonders betroffen seien, blieben die übrigen Standorte von dem Problem nicht unberührt, warnte Çelik: «Der Lehrkräftemangel betrifft das gesamte nordrhein-westfälische Schulsystem – von Minden nach Siegen, von Aachen nach Bielefeld. Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Die Situation ist dramatisch und verheißt noch dramatischer zu werden. Wir stehen vor einem Flächenbrand und das Ministerium ist in der Pflicht, diesem mit entsprechenden Mitteln zu begegnen.» News4teachers / mit Material der dpa
Personalnot: Alltagshelfer sollen Lehrkräften helfen (indem sie Schüler zum Klo begleiten)
