MAINZ. Im Streit darüber, ob „unbrauchbare Methoden“ an den Grundschulen für das schlechte Abschneiden der Viertklässler in Deutschland bei der jüngsten IQB-Erhebung verantwortlich sind, legt der Philologenverband Rheinland-Pfalz nach. Er hält den Deutschlehrplan der Grundschule für einseitig – über die Fehler von Schülern werde hinweggegangen.
Die Grundschulstudie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) mit ihren laut Philologenverband „besorgniserregend schlechten Ergebnissen“ war Thema im Bildungsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtages. Die Landesvorsitzende des Philologenverbandes Rheinland-Pfalz, Cornelia Schwartz, erklärt dazu: „Seit der ersten Erhebung des IQB von 2011 sind die Leistungen von Kindern am Ende der 4. Klasse in den Bereichen Mathematik, Lesen, Zuhören und Orthographie dramatisch gesunken. Dies beschäftigt die weiterführenden Schulen sehr; schließlich brauchen sie ein gewisses Fundament, auf dem sie aufbauen können.“
„Auf keinen Fall sollte man aus lauter Angst vor Demotivation der Lernenden über Fehler hinweggehen, sondern sie von Anfang an pädagogisch angemessen aufgreifen“
Schuld an der Misere etwa in der Rechtschreibung sei nicht nur Corona. Schwartz: „Eine wichtige Säule erfolgreichen Unterrichtens ist die direkte Instruktion durch die Lehrerin oder den Lehrer im Verbund mit anderen Unterrichtsmethoden.“ Eine zweite Säule für Bildungserfolg stelle ein positiver und aktiver Umgang mit Fehlern als Lernchancen dar: „Auf keinen Fall sollte man aus lauter Angst vor Demotivation der Lernenden über Fehler hinweggehen, sondern sie von Anfang an pädagogisch angemessen aufgreifen.“
Der Philologenverband kritisiert den Deutschlehrplan der Grundschule als zu einseitig. „Seit gut zwei Jahrzehnten zwingt der rheinland-pfälzische Lehrplan seine Grundschullehrkräfte, mit dem äußerst umstrittenen Spracherfahrungsansatz von Hans Brügelmann zu arbeiten: Verpönt sind bei Brügelmann ausgerechnet die lernwirksamen Instrumente direkter Instruktion durch die Lehrkraft und eine Fehlerkultur, die Fehler als Lernchancen begreift. Die Bonner Studie von Tobias Kuhl hat nun zutage gefördert, dass Kinder, die nach einem Lehrwerk, das auf der Brügelmann-Methode beruht, unterrichtet wurden, mehr als doppelt so viele Rechtschreibfehler machen wie Kinder, die mit einer modernen Fibel unterrichtet wurden. Wir appellieren an die Politik, nun endlich die einseitige Fixierung auf die Brügelmann-Methode im Lehrplan zu kippen – ansonsten wird die Bildungsungerechtigkeit, die die derzeitige Bildungspolitik leider auszeichnet, immer weiter zunehmen.“
Tatsächlich will der Psychologe Kuhl in seiner Dissertation herausgefunden haben, dass „die Fibelmethode den beiden offenen Methoden Rechtschreibwerkstatt (Spracherfahrungsansatz) und Lesen durch Schreiben hinsichtlich des Lernerfolgs der Schüler überlegen“ sei. „Die Annahme der
Reformpädagogen, offene Unterrichtssettings seien einer lehrgangsgebundenen Fibelmethode überlegen, hält einer empirischen Überprüfung nicht stand. Zum erfolgreichen Lernen benötigen sehr viele Kinder direkte Instruktionen durch den Lehrer. Regelvermittlung, konstruktive Rückmeldungen und Fehlerkorrekturen durch die Lehrperson führen auch in internationalen Studien nachweislich zu einer erheblichen Verbesserung der Schulleistung aller Kinder. Insbesondere Risikokinder profitieren außerordentlich stark von solchen direkten und spezifischen Instruktionen durch die Lehrkraft.
“Lehrkräfte, die die Kinder ausschließlich Seite für Seite einer Fibel abarbeiten lassen, nutzen eine überkommene Methode”
Die Studie von Kuhl war bereits 2018 in einer Pressemitteilung angekündigt worden – was sofort politische Konsequenzen nach sich zog. Brandenburg zum Beispiel verbot umgehend die Methode „Lesen durch Schreiben“, andere Bundesländer folgten dem.
Dabei war die Studie damals noch gar nicht veröffentlicht (sie erschien erst 2020) und ist zudem umstritten: Es sei „fachlich Blödsinn, nur noch den Fibelunterricht zuzulassen“, meinte etwa Jörg Ramseger, Professor im Ruhestand der Freien Universität Berlin und seinerzeit Vorstandsmitglied des Grundschulverbands, in einem Interview mit der „Zeit“. Warum? „Der Schriftspracherwerb ist sehr anspruchsvoll. Lehrkräfte, die die Kinder ausschließlich Seite für Seite einer Fibel abarbeiten lassen, nutzen eine überkommene Methode. Denn sie behandeln alle Kinder gleich. Das sind sie aber nicht. Manche lernen es auf diese Weise nie, sie bräuchten mehr Zeit. Andere langweilen sich mit den oft einfältigen Fibeltexten. Kompetente Lehrkräfte nutzen verschiedene Methoden und mischen sie.“ Individuell zugeschnitten für jedes Kind eben.
Dieser Methodenmix scheint in der Praxis der Grundschulen verbreitet zu sein. In der Bonner Studie aber taucht er nicht auf – dort wird sauber zwischen den unterschiedlichen Methoden unterschieden, als würden Lehrer streng nach Vorgabe unterrichten.
Der Philologenverband Rheinland-Pfalz hatte schon unmittelbar nach Erscheinen des bundesweiten IQB-Bundesländervergleichs „unbrauchbare Methoden“ an Grundschulen für das Absinken des Leistungsniveaus verantwortlich gemacht. Dagegen gab es heftigen Widerspruch: Der Grundschulverband sprach von „billigem Kollegen-Bashing““, der VBE von „Denkmustern aus dem letzten Jahrhundert“ (News4teachers berichtete). News4teachers