BERLIN. Die GEW hat den Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) zur gymnasialen Oberstufe (News4teachers berichtet) „als falsche Weichenstellung“ scharf kritisiert. „Die KMK hat die Chance vertan, das Abitur zukunftsfähig zu machen. Statt auf mehr Flexibilität auf dem Weg zum Abi zu setzen, werden die fast erwachsenen Schülerinnen und Schüler mehr gegängelt“, sagte GEW-Vorsitzende Maike Finnern am Freitag. Der Philologenverband hatte die Änderungen hingegen als „Erfolg“ bezeichnet.
„Um der zunehmenden Heterogenität der Lernenden gerecht zu werden, müssen Raum-, Zeit- und Lerngruppenstrukturen flexibler werden. Heterogenität ist eine Chance, die genutzt werden muss, um mehr Chancengleichheit zu ermöglichen“, so erklärte GEW-Chefin Finnern. Die Schülerinnen und Schüler müssten die Möglichkeit bekommen, stärker eigene Schwerpunkte mit Blick auf die spätere Studien- oder Berufswahl zu setzen. Individuellere Wege zum Abitur schlagen die GEW und das „Bündnis für ein zukunftsfähiges Abitur“ in ihrer „Potsdamer Erklärung“ vor, über die News4teachers gestern ebenfalls berichtete.
„Es ist ein Irrglaube, dass diese Maßnahmen tatsächlich einen entscheidenden Beitrag zu einer größeren Vergleichbarkeit der Abinoten und mehr Gerechtigkeit leisten“
„Die KMK hat in ihrem Beschluss nicht einmal eine Innovationsklausel vorgesehen, die strukturell Raum für Schulen geschaffen hätte, andere Ideen zur Gestaltung der Schule der Zukunft zuzulassen“, betonte Finnern. Die KMK-Entscheidung schreibe immer noch zwei bis drei Leistungskurse vor und verlange, dass in den vier Halbjahren der gymnasialen Oberstufe insgesamt 40 Kurse zu belegen seien, von denen 36 in die Abiturnote einfließen sollen, beschrieb die GEW-Vorsitzende die Starrheit der Vorgaben: „Es ist ein Irrglaube, dass diese Maßnahmen tatsächlich einen entscheidenden Beitrag zu einer größeren Vergleichbarkeit der Abinoten und mehr Gerechtigkeit leisten.“
Der Deutsche Philologenverband (DPhV) verzeichnet die von den Kultusministerinnen und -ministern vereinbarten Änderungen beim Abitur hingegen als Erfolg. Es „Wenn sie so beschlossen werden, ist noch nicht alles, aber viel von dem erreicht worden, wofür der Deutsche Philologenverband seit Langem eintritt“, so die Bundesvorsitzende Prof. Susanne Lin-Klitzing zur Überarbeitung der „Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe und der Abiturprüfung“.
„Eine Beschränkung der möglichen Anzahl der Leistungskurse in den Ländern führt zu mehr Vergleichbarkeit“
Hierbei hatte der Deutsche Philologenverband nicht nur mehr Vergleichbarkeit auf höherem Niveau bei den Abiturprüfungen selbst gefordert, sondern gerade auch bei den Einbringungsverpflichtungen aus zwei Jahren Gymnasialer Oberstufe, da diese die Abiturnote zu zwei Drittel bestimmen. Zu den Punkten, die Lin-Klitzing zuvor gefordert hatte – und die nun umgesetzt werden sollen -, gehören:
- Statt aktuell bis zu vier „Leistungskursen“ soll die Anzahl der „Leistungskurse“ auf zwei bis drei in jedem Bundesland beschränkt werden. Sie sollen jeweils vier bis fünf Stunden umfassen. „Eine Beschränkung der möglichen Anzahl der Leistungskurse in den Ländern führt zu mehr Vergleichbarkeit“, meint der Philologenverband.
- Bisher können die Schülerinnen und Schüler in dem einen Land 32 Kursbewertungen und in dem anderen Land 40 Kursbewertungen aus der gesamten Gymnasialen Oberstufe für die Berechnung ihrer Abiturnote einbringen. Diese Kursbewertungen machen zwei Drittel der Abiturnote aus. Der Deutsche Philologenverband hatte deshalb die KMK dazu aufgefordert, diese Ungleichheit zu reduzieren – nämlich auf eine Einbringungsverpflichtung von mindestens 36 bis zu maximal 40 Kursbewertungen zu gehen.
Folgendes ist aus Sicht des Philologenverbands noch nicht erreicht: „Die ‚Grundkurse‘ Deutsch und Mathematik sollten in der Oberstufe über die vier Halbjahre mit mindestens ‚Ausreichend‘ abgeschlossen werden. Das ist bisher nicht der Fall. Die KMK erlaubt bisher – und scheinbar auch in Zukunft –, dass alle „Grundkurse“ in Deutsch oder in Mathematik in allen vier Halbjahren mit einer Bewertung unterhalb von Ausreichend, also z.B. auch mit nur einem Punkt (= Note 5minus), abgeschlossen werden dürfen.“ Das sichere weder Studier- noch Ausbildungsfähigkeit.
Lin-Klitzing: „Wir sind froh, wenn die Kultusministerkonferenz den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts von 2017 nun erfüllt und für mehr Vergleichbarkeit beim Abitur sorgt, damit insbesondere die Studienzulassungen über den Numerus clausus gerechter verteilt werden können. Gleichwohl gibt es noch viel zu tun, um das inhaltliche Niveau des Abiturs nicht nur zu sichern, sondern angesichts der großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, kontinuierlich zu steigern. Daher werden wir auch in den nächsten Jahren weitere Vorschläge für Verbesserungen einbringen, die mehr Vergleichbarkeit auf höherem Niveau des Abiturs befördern sollen, also an höherer Qualität orientiert sind.“
Da diese neuen KMK-Regelungen im Abitur 2030 gelten sollen, fordert der Philologenverband gleichzeitig schon jetzt deutliche Entlastungen für die Kollegen und Kolleginnen, damit diese das Niveau des Unterrichts und des Abiturs für ihre Schülerinnen und Schüler sichern können. Denn die Lehrkräfte arbeiteten – angesichts des Lehrkräftemangels – schon längst über ihre Belastungsgrenze hinaus.
Hintergrund: Seit 2017 lag der KMK das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus Karlsruhe vor, das Abitur einheitlicher zu gestalten. Nach sechs Jahren hat sich die KMK zu einer Überarbeitung der „Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe und der Abiturprüfung“ (Oberstufenvereinbarung) durchgerungen. News4teachers
Bundesländer vereinbaren Angleichungen beim Abitur – „ein Trippelschrittchen“