DÜSSELDORF. Immer mehr Menschen verlassen frustriert den Schuldienst. Die Zahl der Aussteiger an den Schulen in NRW hat sich in den vergangenen Jahren verdreifacht, wie aktuelle Zahlen des Schulministeriums zeigen (über die der WDR berichtet). „Das Land als Arbeitgeber ist gefordert, in unseren Schulen Arbeitsbedingungen zu schaffen, die Menschen für Schule begeistern und sie im Beruf halten“, so meint der VBE. Tatsächlich geschehe das Gegenteil.
8.000 Lehrkräfte fehlen aktuell in Nordrhein-Westfalen, schon jetzt. Die Folgen: Der Druck auf die verbliebenen Lehrerinnen und Lehrer, die Lücken zu füllen, steigt. Der Frust wächst. Wie viele Lehrkräfte gehen denn schon so weit, zu kündigen und den Schuldienst zu verlassen? Auf Nachfrage des WDR hat das Schulministerium jetzt nachgezählt. Und: Die Zahlen zeigen, dass es sich keineswegs nur um Einzelfälle handelt. Fast 800 Aussteiger aus dem Schuldienst hat es im Jahr 2022 gegeben. Darunter war auch pädagogisches Fachpersonal wie Sozialpädagogen, aber: 286 Kündigungen kamen (sogar) von verbeamteten Lehrerinnen und Lehrern.
Insgesamt hat sich die Zahl der Kündigungen laut WDR damit innerhalb von zehn Jahren fast verdreifacht. In Anbetracht dieser Zahlen spricht das Ministerium nun davon, dass Menschen heute häufiger den Arbeitgeber wechseln würden als noch vor einigen Jahren. Wegen des Fachkräftemangels hätten Tarifbeschäftigte mehr Möglichkeiten, sich beruflich neu zu orientieren, heißt es dem Bericht zufolge.
„Einschränkungen der Teilzeit und mögliche Abordnungen machen den Beruf nicht attraktiver“
Recherchen des Senders, der mit Aussteigern gesprochen hat, zeichnen allerdings ein anderes Bild. Danach liegt die Kündigungswelle vor allem in den immer weiter steigenden Belastungen für Lehrkräfte begründet. Zahlreiche Betroffene hätten berichtet, dass der Druck, in Klassen mit mehr als 30 Kindern allen gerecht werden zu wollen, zu Burnout und anderen Erkrankungen führe, heißt es. Weitaus mehr, als schon gekündigt hätten, liebäugelten mit dem Ausstieg. Vielen fehle aber noch der Mut, den Beruf zu wechseln, sagt Isabell Probst, die selbst als Gymnasiallehrerin aufgehört hat und inzwischen betroffenen Lehrkräften ein professionelles Coaching zum Ausstieg anbietet, dem Bericht zufolge.
Wibke Poth, stellvertretende Landesvorsitzende des VBE NRW sieht in den nun vorliegenden Kündigungszahlen eine besorgniserregende Entwicklung. Die Belastung der Lehrkräfte werde immer dramatischer, so Poth. Damit steige die Unzufriedenheit (was die Zahl der Kündigungen nach oben treibt, wodurch wiederum der Druck auf die verbliebenen Kräfte steigt – ein Teufelskreis).
Poth: „Jede Lehrkraft, die aus dem Dienst ausscheidet, ist eine zu viel. Es werden händeringend Fachkräfte in Schule benötigt. Der Anstieg der Kündigungen spiegelt die gestiegene Belastung wider. Die neuen Maßnahmen der Landesregierung, die eigentlich die Unterrichtsversorgung sichern sollen, sind hier leider alles andere als zielführend. Einschränkungen der Teilzeit und mögliche Abordnungen machen den Beruf nicht attraktiver.“
“Das Schulministerium setzt aktuell fast ausschließlich auf die Methode ‘Brechstange’, indem es Lehrerinnen und Lehrer zwangsversetzt oder anordnet, die Teilzeitmöglichkeiten einzuschränken”
Auch die FDP-Fraktion im NRW-Landtag schlägt Alarm. „Das ist eine dramatische Fehlentwicklung. Was die Landesregierung bislang als ‘Einzelfälle’ abgetan hat, stellt sich nun als Systemfehler heraus. Dass immer mehr Lehrkräfte und Schulpersonal den Job hinschmeißen, können wir nicht einfach so hinnehmen! Es ist ein erneutes Warnsignal dafür, dass wir die Lehrberufe dringend attraktiver machen müssen. Und wir müssen die Lehrkräfte entlasten, anstatt sie immer weiter zu belasten“, sagt die bildungspolitische Sprecherin Franziska Müller-Rech.
Weiter: „Wir fordern die NRW-Schulministerin auf, ihr Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Lehrermangels dringend zu überarbeiten und insbesondere die Lehrkräfte und ihre Arbeit mehr wertzuschätzen. Das Schulministerium setzt aktuell fast ausschließlich auf die Methode ‘Brechstange’, indem sie Lehrerinnen und Lehrer zwangsversetzt oder anordnet, die Teilzeitmöglichkeiten einzuschränken. Wir Freie Demokraten kritisieren seit langem, dass mangelnde Wertschätzung der Lehrkräfte zu Kündigungen führt. Und wir befürchten für 2023 einen neuen Höchststand bei den Kündigungen, wenn die Ministerin jetzt nicht umsteuert.“
Schulministerin Dorothee Feller (CDU) hatte im Dezember ein Maßnahmenkonzept gegen den Lehrermangel vorgestellt, das unter anderem mehr Abordnungen und weniger Teilzeitmöglichkeiten vorsieht (News4teachers berichtete). News4teachers
