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Ist die KMK auf dem rechten Auge blind? Forscherin: Rechtsextreme Übergriffe an Schulen sind keine Einzelfälle

COTTBUS. Die drastischen Schilderungen von Lehrkräften und Schülern zu rechten Vorfällen an ihrer Schule in Südbrandenburg überraschen eine Rechtsextremismus-Forscherin nicht. Aus ihrer Sicht reichen Schulsozialarbeiter nicht aus, gefragt sei ein breiteres Handlungskonzept auch von Bund und Ländern. Brandenburgs designierter Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) zeigt sich ebenfalls nicht überrascht von den Übergriffen. Er will jetzt handeln.

Schauen Kultusminister hin, wenn es um rechte Übergriffe an Schulen geht? (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Die Kultusminister von Bund und Ländern müssen sich aus Sicht der Forscherin Prof. Heike Radvan stärker mit Rechtsextremismus an Schulen vor allem in Ostdeutschland befassen. Ein Brandbrief von Lehrkräften an einer Oberschule in Burg in Südbrandenburg (News4teachers berichtete) hat eine Debatte über den Umgang mit rechten Vorfällen im Schulalltag ausgelöst. «Es ist kein Einzelfall», sagte die Rechtsextremismusforscherin Radvan von der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg. Rechte Vorfälle seien auch kein neues Phänomen an Schulen, sondern seit vielen Jahren bekannt. Die Kultusministerkonferenz müsse nun genauer hinschauen und eine Interventionsstrategie entwickeln.

«Wir brauchen eine Verantwortungsübernahme der Politik. Wir brauchen eine gesamtgesellschaftliche Antwort darauf», sagte Radvan. «Erstmal muss man auch anerkennen, dass Rechtsextremismus ein großes Problem ist.» Schulsozialarbeit als Antwort sei wichtig, aber allein zu kurz gedacht – «zumal Schulsozialarbeitende dafür gezieltes Wissen und Kompetenzen benötigen».

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«Die Eltern dieser Jugendlichen sind die Generation der NSU-Täter:innen und die Generation, die die Baseball-Schläger-Jahre erlebt und eben auch mit zu verantworten hat»

Rechtsextremismus sei vor allem in Ostdeutschland auffällig, wo die demokratische Zivilgesellschaft im Vergleich zum Westen schwächer ausgeprägt sei. «Einzelne Stadtgesellschaften werden von rechten Gruppierungen zu dominieren versucht», sagte Radvan auch mit Blick auf Südbrandenburg. Dort gibt es eine gewachsene rechte Szene, die AfD hat dort ihre Hochburgen. Dem RBB hatte Radvan zuvor gesagt: «Wir haben in bestimmten Regionen in Ostdeutschland ein spezifisches Problem mit Rechtsextremismus, da müssen wir genauer hinschauen und Südbrandenburg ist eine davon.»

Bei der Frage nach den Ursachen verweist die Expertin auch auf die Weitergabe von Einstellungen durch Eltern an ihre Kinder. «Die Eltern dieser Jugendlichen sind die Generation der NSU-Täter:innen und die Generation, die die Baseball-Schläger-Jahre erlebt und eben auch mit zu verantworten hat.» Gemeint sind die Nachwendejahre, in denen rechte Gewalt im Osten eskalierte.

«Wenn ein Kind einer geflüchteten Familie gemobbt wird, darf nicht weggesehen werden, es muss eine unmissverständliche Reaktion geben»

Radvan sagte, es müsse einen gesellschaftlichen Wandel geben, da Rechtsextremismus noch immer oft verschwiegen und nicht ernst genug genommen werde. «Wenn ein Kind einer geflüchteten Familie gemobbt wird, darf nicht weggesehen werden, es muss eine unmissverständliche Reaktion geben.» Die demokratischen Akteure müssten klare Kante zeigen gegen Rechtsextremismus.

«Dass es diese Herausforderungen gibt, wissen wir», sagte Brandenburgs künftiger Bildungsmininster Freiberg in einem Interview der «Märkischen Oderzeitung». «Das Problem ist keine Überraschung.» Ohnehin habe es «unabhängig von diesem Einzelfall» eine Einladung des staatlichen Schulamtsleiters in diesem Bereich zu einer Beratung gegeben.

Freiberg sagte der «MOZ» mit Blick auf den nicht unterzeichneten Brandbrief, er bedaure, dass die Kommunikation auf diese Weise gewählt worden sei. «Ich ermutige alle, wenn sie Schwierigkeiten haben, sich zu melden», sagte er. Mit einem Fünf-Punkte-Plan will er politische Bildung und demokratisches Verständnis stärken. Der bisherige Bildungsstaatssekretär  soll am 10. Mai als Nachfolger der zurückgetretenen Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) im Landtag vereidigt weden.

In einem anonymen Brief beklagten Lehrkräfte an einer Schule in Burg im Spreewald, dass sie täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert seien. Auch Schüler haben sich einem Bericht des RBB zufolge mittlerweile öffentlich zu Wort gemeldet und die Schilderungen der Lehrer bestätigt.

In ihrem Schreiben wird ebenfalls von rassistischen Beleidigungen, rechtsextremen und fremdenfeindlichen Aussagen und von Schulmöbeln, die mit Hakenkreuzen beschmiert seien, berichtet. Regelmäßig werde der Hitlergruß gezeigt. Die meisten Lehrkräfte würden außerdem nur wegschauen, unter den Schülern seien viele Mitläufer. Die Verfasser bitten deshalb um schnelle Hilfe. Mit der Hilfe der wenigen unterstützenden Lehrer würden sie die Probleme nicht lösen können. Mittlerweile hätten einige Schüler Angst, in die Schule zu gehen.

In dem Brief wird eine Situation geschildert, in der eine Lehrkraft im Geschichtsunterricht die Frage gestellt habe, wer sich der Hitlerjugend angeschlossen hätte. Laut dem Brief meldeten sich daraufhin mehr als die Hälfte der Klasse, obwohl zuvor ausführlich über das Thema aufgeklärt worden sei. News4teachers / mit Material der dpa

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