STUTTGART. Der Philologenverband Baden-Württemberg hat eine Umfrage des VBE unter Lehrkräften an Gemeinschaftsschulen (GMS) zum Anlass genommen, seine Kampagne gegen die Schulform zu erneuern. Er sieht „seine Kritik an der baden-württembergischen Gemeinschaftsschule voll bestätigt“. Die Umfrage decke „massive und grundlegende Probleme an Gemeinschaftsschulen auf“. Verbandschef Ralf Scholl fordert: „Die GMS-Konzeption muss endlich auf den Prüfstand.“
Ein Großteil der Lehrer an den Gemeinschaftsschulen klagt über eine zu hohe Arbeitsbelastung. Wenn es nicht gelinge, den Job wieder leistbar zu machen, drohe der Schulart eine massive Abwanderung von Fachkräften, sagte Gerhard Brand, Landes- und Bundesvorsitzender des VBE, bei der Vorstellung der – nicht-repräsentativen – Umfrageergebnisse am Montag (News4teachers berichtete).
Danach berichten 95 Prozent der rund 700 befragten Lehrer und Lehrerinnen von einer sehr hohen (77 Prozent) oder hohen (18 Prozent) Arbeitsbelastung. Sechs von zehn Lehrkräften (57 Prozent) beschäftigen sich derzeit sogar damit, aufgrund der hohen Belastung die Schulart zu wechseln. Das Land sei in der Pflicht, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Schulart als attraktiven Arbeitsplatz weiterzuentwickeln, so Brand.
Pikant: Die allermeisten der befragten Lehrkräfte (90 Prozent) sehen in der Menge der zu erstellenden Lernentwicklungsberichte eine zu hohe Arbeitsbelastung. Fast drei Viertel der Lehrkräfte (72 Prozent) sagen außerdem, dass beim Lernentwicklungsbericht zum Halbjahr der Arbeitsaufwand und der pädagogische Nutzen in keinem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen. Damit wird ein zentrales Instrument der Pädagogik an Gemeinschaftsschulen infrage gestellt.
„Nach dieser Umfrage hilft kein Schönreden seitens des Kultusministeriums mehr, hier muss endlich die Konzeption der GMS grundsätzlich auf den Prüfstand!“
Scholl schlägt in diese Kerbe. „Wenn über 70 Prozent der Lehrkräfte an Gemeinschaftsschulen bei der großen Besonderheit dieser Schulart, ‚verbalen Lernentwicklungsberichten anstatt Schulnoten‘, die Aussage: ‚Der Lernentwicklungsbericht zum Halbjahr hat in seinen Aussagen für die Schülerinnen, Schüler und Eltern einen echten Mehrwert und steht im Verhältnis zum Aufwand‘ verneinen – 37 Prozent erklären, ‚Das trifft gar nicht zu‘, 35 Prozent erklären: ‚Das trifft eher nicht zu‘ – dann muss dieser zentrale Pfeiler der GMS-Pädagogik hinterfragt werden.“
Weiter stellt er fest: „Wenn an knapp einem Drittel der Gemeinschaftsschulen nur ein unregelmäßiges „Coaching“ der Schüler stattfindet, dann bricht auch ein zweiter „wesentlicher“ Pfeiler der GMS-Pädagogik an diesen Schulen weg. Wenn fast 30 Prozent der Lehrkräfte den pädagogischen Grundideen der Gemeinschaftsschule eher kritisch gegenüberstehen und weitere knapp 10 Prozent sie für nicht geeignet halten, dann sind das massive Alarmzeichen. Wenn zudem mehr als die Hälfte der GMS-Lehrkräfte sich mit dem Gedanken tragen, aufgrund der hohen Arbeitsbelastung von der Schulart GMS wegzuwechseln, dann zeigt dies deutlich, dass es an dieser Schulart grundlegende, massive Probleme gibt.“
Scholl: „Nach dieser Umfrage hilft kein Schönreden seitens des Kultusministeriums mehr, hier muss endlich die Konzeption der GMS grundsätzlich auf den Prüfstand!“
Der Philologenverband Baden-Württemberg wiederhole daher seine Forderung nach „einer objektiven und faktenbasierten Evaluation der Gemeinschaftsschulen“. Hintergrund: Der Verband hatte im vergangenen Jahr nach Veröffentlichung der VERA-Ergebnisse von einem „Komplettversagen der Schulart“ gesprochen – Achtklässler in Gemeinschaftsschulen schnitten danach bei den jüngsten Tests (noch) schlechter ab als vergleichbare Kinder auf Gymnasien, Real- und Werkrealschulen.
Der VBE wies die Kritik seinerzeit zurück. Der Grund des schwächeren Abschneidens im Leistungsranking liegt darin begründet, dass die Gemeinschaftsschulen eine deutlich heterogenere und herausforderndere Schülerschaft hätten. Brand: „Sie leisten Enormes, vor allem auch im Bereich der Integrationsarbeit.“ News4teachers
Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers heiß diskutiert.
„Es ist unsäglich, wie auf die Gemeinschaftsschule eingedroschen wird“: GEW vs. Philologen