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Wüst und Feller eröffnen das neue Schuljahr – mit den alten Problemen: Lehrkräfte-Versorgung nur bei 96 Prozent

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DÜSSELDORF. Ende der Sommerferien – ein neues Schuljahr beginnt in NRW. Die alten Probleme sind geblieben: Lehrermangel und bohrende Fragen nach Qualität und Chancengerechtigkeit. Die GEW hat ein Konzept vorgelegt, um der schwarz-grünen Landesregierung auf die Sprünge zu helfen. 

Schulministerin Dorothee Feller (3. v. l.), der Präsident der der Landesverkehrswacht NRW Klaus Voussem (4. v. links) und Ministerpräsident Hendrik Wüst (5. v. l.) werben – gemeinsam mit Erstklässlern und Ehrenamtlichen und einem Hund – fürs Bremsen. Foto: Land NRW /

In Nordrhein-Westfalen hat am Montag nach sechseinhalb Wochen Sommerferien wieder der Unterricht begonnen. Rund 2,5 Millionen Schülerinnen und Schüler sind im bevölkerungsreichsten Bundesland ins neue Schuljahr gestartet. Erstmals seit vier Schuljahren gibt es keine Corona-Auflagen.

Ministerpräsident Hendrik Wüst startete gemeinsam mit Schulministerin Dorothee Feller (beide CDU) und der Landesverkehrswacht die Kampagne «Brems Dich!» für umsichtiges Fahren zum Schutz der Jüngsten. «Für viele Kinder in Nordrhein-Westfalen beginnt mit dem Schuleintritt ein aufregender neuer Lebensabschnitt – nicht nur mit einem neuen Umfeld in der Schule, sondern auch mit neuen Verkehrswegen», betonte der Regierungschef. «Geschwindigkeiten und Entfernungen können unsere Kleinen noch nicht gut einschätzen.» Umso wichtiger sei es, vorsichtig und bremsbereit zu fahren.

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In NRW wird in dieser Woche, spätestens am Dienstag, ein starker Erstklässler-Jahrgang mit rund 175.400 Kindern eingeschult – etwa 4400 mehr als ein Jahr zuvor. Damit Grundschullehrkräfte mehr Zeit haben, sich auf den Unterricht zu konzentrieren, sollen ihnen rund 400 sogenannte Alltagshelferinnen und -helfer zur Hand gehen und sie von einfachen Tätigkeiten entlasten. Das Angebot steht für diejenigen der rund 2800 Grundschulen in NRW zur Verfügung, die besonders unter Personalmangel leiden. Aus Sicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sollte es solche Helfer überall in den Kitas und Grundschulen geben.

«Wir müssen Entlastung schaffen, Wege in den Beruf verbessern, Perspektiven aufzeigen sowie endlich umfangreich in neue Fachkräfte investieren»

Das Schuljahr 2023/24 wird in NRW absehbar geprägt sein von Personalmangel. Um Krankheiten, Fortbildungen und andere Abwesenheitsgründe zu kompensieren, wäre eine Stellenbesetzungsquote von 110 Prozent nötig, sagte die GEW-Landesvorsitzende Ayla Çelik. Zum 1. Juni lag die Personalausstattungsquote, gemessen am Stellenbedarf, über alle Schulformen hinweg bei rund 96 Prozent – am niedrigsten mit rund 94 Prozent an den Grundschulen. Das bedeutet: Unterrichtsausfall gibt es selbst dann, wenn keine einzige Lehrkraft krank würde.

Um der Landesregierung bei der Bekämpfung des Lehrkräftemangels auf die Sprünge zu helfen, hat die GEW nun ein Konzept entwickelt. Kernpunkte: «Wir müssen Entlastung schaffen, Wege in den Beruf verbessern, Perspektiven aufzeigen sowie endlich umfangreich in neue Fachkräfte investieren. Dafür haben wir kurz-, mittel- und langfriste Maßnahmen erarbeitet», erklärte Çelik.

«Kurzfristig müssen wir curriculare Vorgaben überprüfen und Klassenarbeiten reduzieren. Ich freue mich, dass die Ministerin hier einer Forderung von uns nachkommt. Sie hätte aber mutiger sein und zwei Klassenarbeiten pro Jahr kürzen können. Dazu muss eine Aufgabenkritik treten: Welche Aufgaben müssen denn wirklich von einer Lehrkraft erledigt werden? Das Bespielen von Laptops oder das Einsammeln von Geldern sicher nicht. Es braucht dringend Verwaltungsassistenzen und externes Personal für IT-Support.»

Hintergrund: Feller hatte angekündigt, dass im neuen Schuljahr in den Klassen 7 und 8 auf jeweils eine Klassenarbeit in den Fächern Mathematik, Deutsch und Englisch verzichtet werden kann. Bislang wurden in den Hauptfächern, je nach Schulform und Jahrgang, zwischen fünf und sechs Klausuren pro Schuljahr geschrieben. Auch im 10. Jahrgang bleibt es zunächst dabei, dass in diesen Fächern jeweils eine Klausur entfallen kann.

«Es braucht einen qualitativ hochwertigen Seiten- und Quereinstieg mit langfristigen Perspektiven im Schulsystem und eine angemessene Bezahlung»

Mittelfristig müsse es darum gehen, so Çelik, den Seiteneinstieg qualitativ besser und attraktiver zu machen. «Der springende Punkt ist die Attraktivität: Wir stehen in klarer Konkurrenz zur freien Wirtschaft. Deshalb brauchen wir eine attraktive Bezahlung während der Ausbildung – ohne Angst vor Kürzungen – und dann eine großzügige Anerkennung von Berufserfahrung. Es braucht einen qualitativ hochwertigen Seiten- und Quereinstieg mit langfristigen Perspektiven im Schulsystem und eine angemessene Bezahlung, sodass diese Menschen sich nicht nach wenigen Jahren auf prekären Stellen wieder aus dem Bildungssystem verabschieden. Es braucht Coaching- und Mentoringprogramme, damit diese Kolleg*innen nicht alleine gelassen werden.»

«Längerfristig müssen wir zwei Ziele erreichen», sagte die GEW-Chefin: «Zum einen die Zahl der Abbrüche und Abgänge durch bessere Betreuung verringern. Der Stifterverband weist in einer Studie auf den Umfang hin: Von mehr als 50.000 Lehramtsstudierenden, gehen nur 28.000 ins Referendariat, auch dann brechen viele ab. Fast jeder zweite, die*der Lehrer*in werden wollte, geht uns verloren. Da müssen wir ran. Zum anderen müssen die Kapazitäten für die Ausbildung erhöht werden.»

Hintergrund hier: Wenn die Lücke bei der Lehrkräfteversorgung nicht geschlossen werden kann, droht laut Stifterverband ein Bildungsnotstand, der schwerwiegende Folgen für die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und den gesellschaftlichen Wohlstand hierzulande hat – News4teachers berichtete ausführlich über die Studie.

Die GEW unterstützt das Bündnis «Bildungswende jetzt» (News4teachers berichtete auch über diese Initiative), das gemeinsam mit mehr als 90 Bildungsorganisationen, Gewerkschaften sowie Eltern- und Schülervertretungen für den 23. September zu einem bundesweiten Bildungsprotesttag aufruft – der Schauplatz in NRW wird Köln sein. Çelik forderte eine qualitativ hochwertige und personell gut ausgestattete Betreuung, Bildung und Erziehung in Kitas und Schulen. Bislang biete das bildungspolitische «Mangelsystem», gerade sozial benachteiligten Kindern nicht die nötigen Chancen, kritisierte sie. News4teachers / mit Material der dpa

Bündnis „Bildungswende jetzt!“ kündigt für 23. September bundesweit Demonstrationen an

 

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