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“Kurz vorm Burnout”: GEW zeigt sich über Belastung von Schulleitungen besorgt

FRANKFURT AM MAIN. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) schlägt Alarm: Schulleitungen stünden „hochgradig unter Druck, sind aber sehr motiviert“ –  das sei eine „explosive Mischung“, die die Gesundheit gefährde. Die Gewerkschaft bezieht sich auf das Ergebnis einer aktuellen Online-Befragung von fast 800 Schulleitungsmitgliedern in den Bundesländern Hamburg und Rheinland-Pfalz.

Schulleitungen sind besonders herausgefordert. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Um die spezifischen Belastungen der Schulleitungen zu erheben, hatte der GEW-Hauptvorstand in Kooperation mit dem städtischen Landesverband Hamburg und dem Landesverband des Flächenlandes Rheinland-Pfalz eine Pilot-Untersuchung zu deren Belastungen auf Grundlage des COPSOQ-Fragebogens initiiert (siehe “Hintergrund” unten). Deren Ergebnisse liegen jetzt vor.

„Die Daten belegen, dass die Leitungskräfte an Schulen hochgradig belastet sind. Sie weisen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen in unserer Datenbank deutlich erhöhte Anforderungen auf, aber nur wenige kompensierende günstige Faktoren“, sagt Matthias Nübling, Geschäftsführer der Freiburger Forschungsstelle für Arbeitswissenschaften (FFAW) und Studienleiter. Ausgewählte Befragungsergebnisse:

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„Viele Schulleitungsmitglieder können nicht abschalten. Deutlich über 40 Prozent überschreiten zudem oft bzw. immer die vorgegebene Arbeitszeit. Wir sind sehr besorgt darüber, dass so viele Leitungskräfte kurz vor dem Burnout stehen oder wegen der Belastungen an einen Stellenwechsel denken. Es müssen sofort Präventionsmaßnahmen ergriffen werden. Die angespannte Situation an den Schulen darf nicht länger ignoriert werden. Wir brauchen mehr finanzielle und personelle Ressourcen für Schulen – und zwar umgehend“, betonte GEW-Vorstandsmitglied Anja Bensinger-Stolze.

“Viele Leitungskräfte gehen ihrem Traumjob nach, müssen dafür tagtäglich jedoch so viele Hürden nehmen, dass nicht wenige resignieren”

Und weiter: „Deshalb schlagen wir ein Maßnahmenbündel gegen die starke Gesundheitsgefährdung und das hohe Burnout-Risiko vor, denen Schulleitungen ausgesetzt sind (siehe Kasten unten, d. Red.). In allererster Linie müssen sich die Arbeitgeber verpflichten, Schulleitungskräften regelmäßige Belastungsstudien und Präventionsmaßnahmen anzubieten. Denn was angesichts der Arbeitszufriedenheit nach Traumjob klingt, entpuppt sich wegen der hohen Arbeitsbelastung und der Entgrenzungswerte als gesundheitsgefährdend.“

Ralf Becker, im GEW-Vorstand für Berufliche Bildung und Weiterbildung verantwortlich, erklärte: „Wir beobachten an vielen Schulen eine hohe Belastung der Leitungskräfte. Dies ist jetzt empirisch und anonymisiert durch die Befragung bestätigt worden. Die Ergebnisse sind alarmierend. Viele Leitungskräfte gehen ihrem Traumjob nach, müssen dafür tagtäglich jedoch so viele Hürden nehmen, dass nicht wenige resignieren. Viele Kolleginnen und Kollegen gefährden ihre Gesundheit durch die hohe Arbeitsbelastung. So kann es nicht weitergehen“, sagte Becker.

Hintergrund: Die Freiburger Forschungsstelle für Arbeitswissenschaften GmbH (FFAW) hat die Studie im Auftrag der GEW erstellt. Sie nutzte den „Copenhagen Psychosocial Questionnaire“ (COPSOQ), einen breit erprobten Fragebogen zur Messung psychosozialer Faktoren am Arbeitsplatz, der anonym ausgefüllt wird. Die FFAW hat damit bereits über 1.500 Projekte mit über 600.000 Befragten absolviert. Die GEW hat in Zusammenarbeit mit der FFAW und Schulleitungsmitgliedern den Fragebogen für Lehrkräfte um schulleitungsspezifische Fragen ergänzt. Das Verfahren sei ein Projekt, das auch in anderen Bundesländern zur Befragung der Schulleitungen angewendet werden kann, so heißt es.

Von März bis Mai dieses Jahres beteiligten sich 796 Mitglieder von Schulleitungen. Zwei Drittel davon Frauen, ein Drittel Männer. 47,7 Prozent arbeiten an Grundschulen, 14,9 Prozent an Gymnasien, 8,1 Prozent an Stadtteilschulen (nur Hamburg), 4,3 Prozent an Realschulen, 3,4 an integrierten Gesamtschulen (nur Rheinland-Pfalz) sowie jeweils 9,6 Prozent an Beruflichen Schulen und Förderschulen. News4teachers

Hier lassen sich die vollständigen Ergebnisse der Online-Befragung abrufen.

Das fordert die Gewerkschaft

Als Konsequenz aus der Umfrage schlägt die GEW folgende Punkte vor:

  • Regelmäßige Belastungsstudien durch die Arbeitgeber.
  • Verpflichtende Präventionsmaßnahmen durch den Arbeitgeber.

Politische Maßnahmen:

  • Ressourcen für Bildung stärken.
  • Die schlechte Ausstattung der Schulen sorgt für eine wachsende Arbeitsbelastung der Schulleitungen. Deshalb ist eine gesicherte, nachhaltige Ausstattung der Schulen ein wichtiger Faktor, um Belastungsfaktoren zu verringern.
  • Entlastung durch zusätzliches Personal (auch IT-Administratoren und Verwaltungsfachkräfte).
  • Entlastungsstunden für Leitungskräfte und zusätzliche Funktionsstellen.
  • Bessere Bezahlung.
  • Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel (siehe 15-Punkte-Programm der GEW, News4teachers berichtete).
  • Die mangelhafte Ausstattung der Schulen ist für die Leitungskräfte eine große Belastung. Deshalb müssen das Startchancenprogramm, der Digitalpakt 2.0 und der Pakt für die Berufsbildenden Schulen, aber auch die bauliche, energetische und pädagogische Sanierung der Schulen umgehend angegangen werden.

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