KÖLN. Für viele gelten Schulen als Institutionen, die die Spaltung der Gesellschaft in ethnische Gruppen vertiefen. Zwei Kölner Soziologen haben genauer hingeschaut.
Wie in nahezu allen sozialen Gruppen vergleichbarer Größe bilden sich auch in Schulen und Schulklassen Untergruppen, beispielsweise Freudschaftscliquen. Diese orientieren sich meist anhand verschiedener sozialer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Herkunft.
Oft wird Schulen in dieser Hinsicht vorgeworfen, ihr integratives Potenzial nicht auszuschöpfen. Zwar würden sie Heranwachsende unterschiedlichster Herkunft zusammenführen, diese würden sich dann aber auch wieder in ethnisch getrennten Gruppen auseinanderdividieren. Mehr noch: Da sich diese Gruppen eher ablehnend gegenüberstünden, so die verbreitete Annahme, würde der soziale Kosmos Schule somit eine langfristige ethnische Spaltung der Gesellschaft befördern. Versuche, interethnische Beziehungen zwischen Schülerinnen und Schülern herzustellen, werden dabei oft als gescheitert oder gar von Anfang an als unsinnig disqualifiziert.
Diese Grundannahmen im Hinterkopf, haben nun in einer aktuellen Studie die Kölner Soziologen Clemens Kroneberg und Mark Wittek tiefer auf die Zusammenhänge geblickt. Für ihre Untersuchung befragten sie mehr als 3.000 Schülerinnen und Schüler im Alter von 13 Jahren an 39 Schulen im Rhein-Main-Gebiet und baten sie, die Cliquen zu nennen, die sie in ihrer Klasse beobachteten und diese Gruppen mit ihren eigenen Worten zu beschreiben.
Dabei zeigte sich, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Freundescliquen am ehesten neutral beschrieben. Ihre Mitschülerinnen und Mitschüler nahmen sie am häufigsten aufgrund ihrer Hobbys, wenn sie lustig waren oder einfach positiv wahr. Weniger als vier Prozent der Jugendlichen verwendeten ethnische oder rassistische Bezeichnungen, um ihre Freundescliquen in der Schule zu beschreiben.
Kroneberg und Wittek zufolge zeige die Studie so, dass es der jüngeren Generation trotz der Tatsache, dass Freundschaften zwischen Personen gleicher ethnischer Herkunft häufiger sind, besser als den Erwachsenen gelinge, diese Grenzen zu verwischen. Auch muslimische Cliquen mit einem hohen Grad an Selbstidentifikation bildeten hier keinen echten Ausnahmefall. Zwar wurden diese eher mit ethnisch-rassischen Begriffen bezeichnet. Insgesamt sei dies jedoch selten der Fall gewesen.
Auch wenn die Studie nicht in Zweifel zieht, dass ethnische Segregation in Schulen stattfindet und sich Freundschaften häufig an ethnischen Grenzen orientierten (“ethnische Homophilie”) ebenso wie Abneigungsbeziehungen (“ethnische Heterophobie”), sprechen die Ergebnisse deutlich gegen die Annahme, Schulen würden die Spaltung der Gesellschaft anhand ethnischer Bruchlinien befördern. Clemens Kroneberg: “Unsere Ergebnisse fordern dazu auf, Annahmen über die Art der ethnischen Segregation in den sozialen Netzwerken von Schülern zu überdenken, und ergänzen neuere Studien, die gezeigt haben, dass ‘ethnische Homophilie’ weniger schädlich ist als oft angenommen.” (zab, pm)