Studie: Die ethnische Wahrnehmung von Schülern ist unschärfer als gedacht

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KÖLN. Für viele gelten Schulen als Institutionen, die die Spaltung der Gesellschaft in ethnische Gruppen vertiefen. Zwei Kölner Soziologen haben genauer hingeschaut.

Wie in nahezu allen sozialen Gruppen vergleichbarer Größe bilden sich auch in Schulen und Schulklassen Untergruppen, beispielsweise Freudschaftscliquen. Diese orientieren sich meist anhand verschiedener sozialer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Herkunft.

FÜnf Kinder teilweise unterschieldlicher ethnischer HErkundft stecken die Köpfe zusammen .
Auch wenn die schöne bunte Welt selbstverständlicher ethnischer Pluralität ein Wunschbild bleibt, scheinen ethnische Abgrenzungen für Kinder und Jugendliche keine zentrale Rolle zu spielen. Foto: Shutterstock

Oft wird Schulen in dieser Hinsicht vorgeworfen, ihr integratives Potenzial nicht auszuschöpfen. Zwar würden sie Heranwachsende unterschiedlichster Herkunft zusammenführen, diese würden sich dann aber auch wieder in ethnisch getrennten Gruppen auseinanderdividieren. Mehr noch: Da sich diese Gruppen eher ablehnend gegenüberstünden, so die verbreitete Annahme, würde der soziale Kosmos Schule somit eine langfristige ethnische Spaltung der Gesellschaft befördern. Versuche, interethnische Beziehungen zwischen Schülerinnen und Schülern herzustellen, werden dabei oft als gescheitert oder gar von Anfang an als unsinnig disqualifiziert.

Diese Grundannahmen im Hinterkopf, haben nun in einer aktuellen Studie die Kölner Soziologen Clemens Kroneberg und Mark Wittek tiefer auf die Zusammenhänge geblickt. Für ihre Untersuchung befragten sie mehr als 3.000 Schülerinnen und Schüler im Alter von 13 Jahren an 39 Schulen im Rhein-Main-Gebiet und baten sie, die Cliquen zu nennen, die sie in ihrer Klasse beobachteten und diese Gruppen mit ihren eigenen Worten zu beschreiben.

Dabei zeigte sich, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Freundescliquen am ehesten neutral beschrieben. Ihre Mitschülerinnen und Mitschüler nahmen sie am häufigsten aufgrund ihrer Hobbys, wenn sie lustig waren oder einfach positiv wahr. Weniger als vier Prozent der Jugendlichen verwendeten ethnische oder rassistische Bezeichnungen, um ihre Freundescliquen in der Schule zu beschreiben.

Kroneberg und Wittek zufolge zeige die Studie so, dass es der jüngeren Generation trotz der Tatsache, dass Freundschaften zwischen Personen gleicher ethnischer Herkunft häufiger sind, besser als den Erwachsenen gelinge, diese Grenzen zu verwischen. Auch muslimische Cliquen mit einem hohen Grad an Selbstidentifikation bildeten hier keinen echten Ausnahmefall. Zwar wurden diese eher mit ethnisch-rassischen Begriffen bezeichnet. Insgesamt sei dies jedoch selten der Fall gewesen.

Auch wenn die Studie nicht in Zweifel zieht, dass ethnische Segregation in Schulen stattfindet und sich Freundschaften häufig an ethnischen Grenzen orientierten („ethnische Homophilie“) ebenso wie Abneigungsbeziehungen („ethnische Heterophobie“), sprechen die Ergebnisse deutlich gegen die Annahme, Schulen würden die Spaltung der Gesellschaft anhand ethnischer Bruchlinien befördern. Clemens Kroneberg: „Unsere Ergebnisse fordern dazu auf, Annahmen über die Art der ethnischen Segregation in den sozialen Netzwerken von Schülern zu überdenken, und ergänzen neuere Studien, die gezeigt haben, dass ‚ethnische Homophilie‘ weniger schädlich ist als oft angenommen.“ (zab, pm)

Mehr Menschen in Deutschland nehmen rassistische Diskriminierung wahr und sehen Handlungsbedarf – in der Schule

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Pit2020
3 Monate zuvor

„Unsere Ergebnisse fordern dazu auf, Annahmen über die Art der ethnischen Segregation in den sozialen Netzwerken von Schülern zu überdenken, und ergänzen neuere Studien, die gezeigt haben, dass ‚ethnische Homophilie‘ weniger schädlich ist als oft angenommen.“

Es gibt eine Vielzahl an Problemen (,die immer weiter wachsen und eskalieren) und an Auslösern (, die seit langem konsequent ignoriert werden), und dagegen „muss/kann Schule“ gar nichts ausrichten. (Jetzt ganz tapfer sein und weiterlesen …)
Und das kommt aus verschiedenen Richtungen, vgl. Link Nummer 1, (u.a. Szene in der Universität, wo sich doch „gebildete?“ Menschen aufhalten) bevor hier wieder die „Falschversteher“ mit Anschuldigungen und „zufälligem“ Wortverdrehen aktiv werden!
Es reicht halt nicht, die vielschichtigen Probleme immer wieder

  • „genau zu betrachten“, (gerne in sich frappierend ähnelnden/wiederholenden Studien)
  • „nach unten“ weiterzureichen
  • und dann noch zu behaupten, dort wären die „Verantwortlichen“ (Nö!!!) in Form von
  • Lehrern,
  • Erziehern,
  • Sozialarbeitern,
  • Polizei usw. wahlweise
  • zu faul,
  • zu blöd,
  • würden halt nur Kaffee trinken
  • oder sonstwas falsch machen.

Im Bezug auf Lehrer hat ja der Pisa-Schlauschlumpf mal wieder gesagt, was bei wem falsch läuft.
https://www.news4teachers.de/2024/01/noch-nicht-im-21-jahrhundert-angekommen-schleicher-brueskiert-deutsche-lehrer/
Wann (und an welchen Orten genau) war der eigentlich zuletzt in Schweden?

Es braucht auch keine Studien mehr, ein Blick in die Wirklichkeit genügt da schon.
Zur ersten (?) Information hier nur zwei Links:

1)
„Nach dem brutalen Massaker der Terrorgruppe Hamas hat der Antisemitismus eine neue Qualität erreicht, auch in Deutschland: Brandanschläge auf Synagogen, Davidstern-Markierungen an Haustüren und „Verpisst-Euch-Rufe“ an deutschen Universitäten. Kontraste hat über die letzten drei Monate vier deutsche Juden bei ihrem Kampf gegen den Hass begleitet.“
https://www.ardmediathek.de/video/kontraste/judenhass-unser-leben-nach-dem-7-10/das-erste/Y3JpZDovL3JiYl82ZGQ5YjMwNS00NGY1LTRkZDctODVmMy00NzYyNzU0ZGZhYjZfcHVibGljYXRpb24
Knapp 39 Minuten, Video verfügbar: bis 11.01.2026 ∙ 23:59 Uhr

2)
Im folgenden Link sind noch etliche weitere Artikel und Audios verlinkt.
https://www.deutschlandfunk.de/schweden-banden-kriminalitaet-100.html?utm_source=pocket-newtab-de-de

Rainer Zufall
3 Monate zuvor
Antwortet  Pit2020

Ich glaube, es gab letztens sogar Schwierigkeiten mit rechtsextremen Klassen, die nur durch einen Brandbrief bekannt wurden, aber who cares – die waren ja weiß…

Es ist meiner Meinung nach doch erstmal erfreulich, dass die Kinder die ethnische Herkunft sekundär wahrnehmen und andere Kriterien bei ihren Kontakten wichtiger sind.
Das die Zuhause, auf Ticktick und von Peers den ganzen Schwachsinn (leider) noch lernen, wurde ja nicht bestritten.

Naja, immerhin müssen wir nicht mehr evidenzbasiert forschen, ich frage jetzt nur noch Pit 😛

Blau
3 Monate zuvor

Also das erlebe ich in meiner Gesamtschule nicht so. Die SuS sind so gemischt, dass sie kaum Freunde derselben Herkunft finden. Die Freundschaften gehen daher querbeet und auch der soziale Hintergrund spielt dabei keine Rolle.
Auch am Gymnasium meines Sohnes erlebe ich es nicht so. Mein Sohn trifft sich mit sowohl mit Klassenkameraden ohne als auch mit Migrantionshintergrund und hat die Zeit seines Lebens. Einer spricht auch Englisch, einer auch chinesisch, einer nur deutsch – so what? Und auch die sozialen Hintergründe sind ganz unterschiedlich.

Unfassbar
3 Monate zuvor
Antwortet  Blau

Wird an Ihrer Gesamtschule in der Pause auf dem Hof also ausschließlich deutsch gesprochen? Ich meine das nicht nationalistisch oder so, sondern ganz nüchtern. Die einzige potenziell gemeinsame Sprache ist halt deutsch, weil deren englisch vermutlich nicht reichen wird.

Rainer Zufall
3 Monate zuvor
Antwortet  Unfassbar

Ich befürchte, Sie überschätzen das Sprachniveau auf deutschen Schulhöfen.
Für Ticktack, Ballspiele, Fangen, Rauchen und Prügeleien braucht es keine gemeinsame Sprache 😉

Lisa
3 Monate zuvor

Ich erlebe es in einigen meinen Klassen nach Geschlecht unterschiedlich. Die Jungen suchen sich eher gleiche ethnische Peer Groups, wobei das aber nicht nach Staaten geht, sondern eher nach wirklicher oder vermeintlicher Kultur oder sogar Äußerlichkeiten. Die Freundinnen- Cliquen sind eher bunt gemischt. Da fällt auch mir zumindest auf, dass Mädchen trotz gleichen Ursprungslandes total unterschiedlich sozialisiert sein können und sich dann auch nicht als „gleich“ empfinden.