BERLIN. Viele Lehrkräfte nehmen die Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf als zusätzliche Belastung neben anderen Aufgaben im Schulalltag wahr und fragen sich, wie sie diese Fülle an Herausforderungen meistern sollen. Im News4teachers-Interview spricht der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, über die Mängel in der deutschen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK), über die Notwendigkeit von inklusiver Bildung sowie deren Voraussetzungen. Im Gespräch mit der geburtsblinden und inklusiv beschulten Journalistin und News4teachers-Redakteurin Nina Odenius thematisiert er auch seine persönlichen Erfahrungen als Schüler mit Behinderung an einer Regelschule.
News4teachers: Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der Rüge der Vereinten Nationen aus dem vergangenen Jahr, die Deutschland mahnt, dass es keine Pläne zur Umsetzung der Inklusion an Schulen gibt (News4teachers berichtete)?
Jürgen Dusel: Ich teile die Rüge und die Auffassung des Fachausschusses, der sich jetzt an die Länder wendet, weil Bildung Ländersache ist. Dennoch habe ich als Beauftragter der Bundesregierung eine eigene Meinung dazu. Ich vertrete diese Auffassung auch zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen der Landesbehindertenbeauftragten. Was ich selbst unternommen habe, ist, im Frühjahr dieses Jahres zusammen mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte eine Folgekonferenz zur Staatenprüfung durchzuführen, mit umfangreicher Beteiligung der Zivilgesellschaft. Wir haben uns dazu positioniert. Zudem habe ich bereits Gespräche mit der Vorsitzenden der Kultusministerkonferenz geführt, da ich der Meinung bin, dass die Länder diese Kritik ernst nehmen müssen. Es ist auch eine Frage des Respekts gegenüber den Vereinten Nationen.
Man kann die Kritik nicht einfach ad acta legen und so weiter machen wie bisher. Wir schauen manchmal kritisch auf Staaten, die bestimmte Positionen der Vereinten Nationen ignorieren, und wir wollen nicht zu dieser Gruppe gehören. Daher ist es meine Auffassung, dass die Bundesländer schleunigst Programme mit klaren Zeithorizonten auflegen müssen und die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen sollten, um die rechtlichen Verpflichtungen aus der UN-BRK umzusetzen. Es geht nicht um reformpädagogische Konzepte, sondern um geltendes Bundesrecht. Die Verwaltung hat sich an Gesetz und Recht zu halten.
News4teachers: Müssen Bundesländer, die die Inklusion an Schulen nicht umsetzen, mit rechtlichen Konsequenzen rechnen? Denken Sie, dass es in Zukunft Klagen von Betroffenen diesbezüglich geben wird?
Unterricht gestalten, die Beobachtungen vom Schultag dokumentieren und dann auch noch individuelle Förderpläne erstellen? Für viele Lehrkräfte stellen die zunehmende Heterogenität der Schülerschaft und die Inklusion wachsende Herausforderungen dar.
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Jürgen Dusel: In der Tat rechne ich damit, dass es mehr Klagen geben wird. Es gibt bereits Eltern, die einen Platz an der Regelschule für ihr Kind mit Behinderung einklagen. Deren Erfolg hängt jedoch stark von den rechtlichen Rahmenbedingungen in den Ländern ab, da die UN-Behindertenrechtskonvention keine individuellen Rechte gewährt. Dennoch erwarte ich, dass Eltern ihre Rechte oder die Rechte ihrer Kinder offensiver einfordern. Natürlich könnte es auch individuelle Beschwerden oder Gruppenbeschwerden beim Ausschuss der Vereinten Nationen geben, und daraufhin könnten weitere Empfehlungen folgen. Wenn der Ausschuss den Eindruck hat, dass hier massiv Rechte verletzt werden, kann er Untersuchungen einleiten.
News4teachers: Welche Sanktionsmöglichkeiten haben die Vereinten Nationen, wenn Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention nicht umsetzt?
Jürgen Dusel: Die Bundesrepublik Deutschland hat durch Bund und Länder im Bundesrat den Finger gehoben, als es damals um die Ratifizierung der UN-BRK ging. Sie haben gesagt: „Dieses Recht gilt bei uns.“ Und dann muss man sich auch daran halten und die Gerichte müssen die Schulgesetze im Licht der UN-Behindertenrechtskonvention sehen. Von Seiten der UN ist das Ganze nicht sanktionsbewehrt, aber ich glaube, der politische Druck wird steigen.
News4teachers: Es kursieren Interpretationen, denen zufolge Deutschland die UN-BRK schon seit langem erfüllt und es wird behauptet, dass das Sonderschulsystem inklusiv sei. Wie positionieren Sie sich zu diesen Aussagen?
Jürgen Dusel: Es ist grober Unfug, weil Inklusion im Bildungsbereich bedeutet, dass Regelschulen Kinder aufnehmen können, unabhängig von ihren körperlichen, kognitiven oder sozialen Voraussetzungen. Sonderformen sind das komplette Gegenteil von Inklusion. Tatsächlich gibt es Menschen, die behaupten, Inklusion werde überall auf der Welt, insbesondere in Sonderstrukturen, gelebt.
Dieses Thema wird derzeit von einigen Parteien ganz erheblich auf dem Rücken der Kinder ausgetragen. Ein Thüringischer Landtagsabgeordneter hat unlängst geäußert, man müsse das Bildungssystem von dem Ideologieprojekt der Inklusion befreien, da dies nicht gut für unsere Kinder sei (News4teachers berichtete). Ich glaube, wir sind gut beraten, eine klare Gegenposition zu beziehen und diese auch umzusetzen.
“Ich glaube, wir müssen in Deutschland endlich verstehen, dass unser Schulsystem, auch wenn wir immer der Meinung sind, es sei das beste, wirklich nicht das beste ist”
News4teachers: Wie könnte nach Ihrer Ansicht ein Prozess aussehen, an dessen Ende ein inklusives Schulsystem steht? Wie kann das zum Beispiel personell geleistet werden?
Jürgen Dusel: Man muss zunächst feststellen, dass inklusive Systeme auch in der Schule gute Systeme sind. Zurzeit haben wir zwei Strukturen, die chronisch unterfinanziert sind. Es mangelt im Regelschulsystem neben finanziellen Mitteln auch an Ressourcen und teilweise an den Mindestvoraussetzungen in Bezug auf bauliche Gegebenheiten. Daneben haben wir ein etwas besser finanziertes Förderschulsystem. Die Eltern von Kindern mit Behinderungen haben momentan die Wahl, ihre Kinder entweder in ein recht schlecht finanziertes Regelschulsystem oder in ein etwas weniger schlecht finanziertes Förderschulsystem zu schicken.
Ein weiteres Problem: 75 Prozent der Schülerinnen und Schüler verlassen das Förderschulsystem ohne Schulabschluss, mit allen daraus resultierenden Folgen. Daher bin ich der Meinung, dass wir uns diese Doppelstrukturen auch angesichts des Fachkräftemangels nicht mehr leisten können. Das bedeutet konkret, dass wir das Förderschulsystem zurückbauen und die frei werdenden pädagogischen Ressourcen im Regelschulsystem nutzen sollten. Das bedeutet, wir müssen die Strukturen zusammenführen.
Das ist nicht nur meine Meinung; die Beauftragten von Bund und Ländern haben sich dazu in einer gemeinsamen Erklärung positioniert. Letztlich entspricht dies auch der Position des Fachausschusses der Vereinten Nationen Artikel 24 der UN-BRK verpflichtet Deutschland dazu, ein inklusives Schulsystem sicherzustellen, was gleichzeitig den Abbau von reinen Förderschulen bedeutet, denn die sind nicht inklusiv. Von der Erfüllung dieser Pflicht sind wir in mehreren Bundesländern jedoch weit entfernt. Ich glaube, wir müssen in Deutschland endlich verstehen, dass unser Schulsystem, auch wenn wir immer der Meinung sind, es sei das beste, wirklich nicht das beste ist. Wir müssen gegensteuern, damit wir fit für die Zukunft werden.
News4teachers: Apropos Zukunft: Helfen auch digitale Tools bei der Inklusion?
Jürgen Dusel: Ja, aber erst einmal müssen die digitalen Tools barrierefrei sein. Das ist die Voraussetzung für eine gelungene Inklusion. Wir dürfen nicht wieder den gleichen Fehler machen, nämlich erst eine digitale Infrastruktur aufzubauen und dann festzustellen, dass sie nicht barrierefrei ist. Wenn das passiert, werden Menschen mit Behinderungen deutliche Nachteile haben. Wenn die Lern-Settings jedoch barrierefrei sind, können Kinder mit und ohne Behinderungen selbstverständlich besser zusammen lernen. Das stärkt die Inklusion.
News4teachers: In einem Gastbeitrag für das Deutsche Schulportal vom September 2023 fordern Sie, Förderschulen in Regelschulen umzuwandeln. Fordern Sie somit eine Doppelstruktur aus Förder- und Regelschulen oder ein einheitliches Schulsystem?
Jürgen Dusel: Der Grundsatz ist: Keine Doppelstruktur. Das können wir uns nicht mehr leisten. Außerdem können wir die Fachkräfte nicht einfach herbeizaubern; sie sind nicht da. Das bedeutet konkret den Abbau der Förderschulstrukturen. Vielleicht müssen wir auch etwas kreativer werden und eine Förderschule auch für Kinder ohne Behinderung öffnen. Dafür gibt es bereits gute Beispiele. Unser Ziel muss sein, dass Kinder gemeinsam großwerden und zu möglichst vorurteilsfreien Bürgerinnen und Bürgern erzogen werden.
Das bedeutet für mich konkret die Nutzung der Ressourcen im Förderschulsystem und im Regelschulsystem. Es bedeutet aber auch, dass die Lehrerinnen und Lehrer in der Regelschule verpflichtende Fort- und Weiterbildungen benötigen. Das ist nicht einfach nebenbei zu erledigen, sondern erfordert Konzepte. Die Kultusministerkonferenz ist dazu verpflichtet, und die Länder müssen die Ressourcen dafür bereitstellen. Das ist meine Überzeugung. Wir können nicht warten, bis uns in acht Jahren von den Vereinten Nationen wieder gesagt wird, dass wir gegen das UN-Recht verstoßen. Das wäre mehr als blamabel.
“Inklusion ist aus meiner Sicht ein urdemokratisches Prinzip. Wenn die baulichen und personellen Rahmenbedingungen stimmen, dann ist es ein Erfolgsmodell”
News4teachers: Viele Lehrkräfte nehmen die Inklusion als Belastung im Schulalltag wahr. Wie können diese Ihrer Ansicht nach für die Inklusion gewonnen werden?
Jürgen Dusel: Ich kann verstehen, dass die Lehrkräfte an Regelschulen, wo die Klassen sehr heterogen sind, teilweise am Limit sind und darüber hinaus. Es ist jedoch nicht so, dass die Inklusion daran schuld ist. Vielmehr sind die Unterfinanzierung und die mangelnden Ressourcen im Regelschulsystem verantwortlich dafür, dass es nicht nur knirscht, sondern dass die Lehrerinnen und Lehrer teilweise überlastet sind. Mich stört einfach, dass jetzt behauptet wird, die Inklusion sei schuld daran, dass es im Regelschulsystem nicht gut läuft. Tatsächlich haben wir ein schlechtes, unterfinanziertes Regelschulsystem mit zu großen und heterogenen Klassen. Mancherorts fehlt es auch an engagierten Lehrerinnen und Lehrern. Es ist nicht die Inklusion, die jetzt schuld ist, sondern tatsächlich das System. Deswegen müssen wir das ändern.
Inklusion ist aus meiner Sicht ein urdemokratisches Prinzip. Wenn die baulichen und personellen Rahmenbedingungen stimmen, dann ist es ein Erfolgsmodell. Dafür gibt es viele Beispiele, und es ist auch für Lehrerinnen und Lehrer ein Gewinn. Aber nochmals: Kinder nur gemeinsam zur Schule zu schicken, ohne dass es begleitende Maßnahmen gibt, führt eher zu Konfusion als zu Inklusion. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass es für mich ein Segen war, auf einer Regelschule Abitur zu machen. Es war nicht einfach, aber es war ein Segen. Ich glaube, für meine Lehrerinnen und Lehrer war das ebenfalls ein Bildungserlebnis.
News4teachers: Wir beide teilen die Erfahrung, als Schüler*innen mit Seheinschränkung eine Regelschule besucht zu haben. In meiner Schulzeit wurde ich von einigen Mitschüler*innen mit dem Vorwurf konfrontiert, aufgrund meiner Behinderung in der Bewertung bevorzugt zu werden. Zeitverlängerung in Klassenarbeiten wurde von den Kindern und Jugendlichen teilweise als Sonderstatus ausgelegt. Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht und wie sind Sie damit umgegangen?
Jürgen Dusel: Ich habe solche Erfahrungen in meiner Schulzeit nicht gemacht. Das kam erst später im Berufsleben. Wenn solche Situationen auftraten habe ich immer gesagt: „Okay, wir können ja tauschen. Du bekommst die Zeitverlängerung, und dafür siehst du nur noch ein Prozent. Oder du bekommst einen größeren Bildschirm. Lass uns einfach tauschen. Ich würde es tun.“ Dann merken die Betreffenden meistens, welchen Quatsch sie erzählen. Außerdem muss man eine gewisse Form von Resilienz haben. Ich kann mich gut an mein Studium erinnern. Es war nicht einfach, aber es hat sich gelohnt.
News4teachers: Wie sollten Ihrer Meinung nach Lehrkräfte handeln, wenn sie solche Vorfälle an Ihrer Schule beobachten?
Jürgen Dusel: Als Lehrkraft würde ich zunächst mit dem Kind mit Behinderung sprechen, um herauszufinden, wie es die Situation empfindet. Anschließend sollte man auch in der Klasse darüber sprechen, dass es sich um eine Behinderung handelt, wenn jemand blind ist, und dass dadurch mitunter Schwierigkeiten für die betreffende Person auftreten können. Ich denke, das ist uns allen bewusst. Es erfordert ein gewisses Maß an Empathie von Lehrkräften und Mitschüler*innen. Manchmal fehlt allerdings die Bereitschaft, sich darauf einzulassen.
News4teachers: Warum war für Sie damals der Besuch einer Förderschule keine Option?
Jürgen Dusel: Aufgrund der Internatsunterbringung. Wir reden in der Diskussion um Inklusion zurecht über die Lehrkräfte, dürfen darüber die Schülerinnen und Schüler aber nicht vergessen. Wie gehen Kinder im Alter von acht bis zehn Jahren damit um, wenn sie eine Förderschule besuchen und somit ins Internat gehen müssen? Was bedeutet das für die Familienstrukturen, wenn das Kind aus diesem Umfeld herausgerissen wird?
Es gibt auch Kinder im Rollstuhl, die jeden Tag lange Strecken mit einem Fahrdienst zur Schule gefahren werden, weil die Schule vor Ort nicht barrierefrei ist. Das ist meiner Ansicht nach eine Zumutung.
In der Schule geht es ja nicht nur um die reine Wissensvermittlung, wir lernen ja auch fürs Leben. Dieser Aspekt wird meiner Meinung nach in Deutschland zu wenig berücksichtigt. Die Rahmenbedingungen müssen vor Ort geschaffen werden, damit Kinder mit Behinderungen im Familienverband bleiben und an den hiesigen Schulen lernen können. Dafür braucht es gute Konzepte und entsprechendes Unterstützungspersonal für die Lehrkräfte.
“Ich plädiere dafür, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Das ist unser Auftrag, und ich bin überzeugt, dass unser Land dadurch reicher wird”
News4teachers: Ich selbst bin froh darüber, inklusiv beschult worden zu sein und habe dadurch viel für mein späteres Leben mitgenommen. Welches Fazit ziehen Sie für sich persönlich? Was haben Sie durch die eigene Inklusion gelernt und was konnten Ihrer Ansicht nach Ihre Mitschüler*innen daraus mitnehmen?
Jürgen Dusel: Für mich bedeutete die inklusive Beschulung, dass ich in einer Umgebung war, die derjenigen ähnelte, der man nach der Schule begegnet. Irgendwann ist die Schulzeit vorbei, und dann stellt sich die Frage: Wie geht es weiter? In der Schule habe ich bestimmte Kompetenzen erworben, die mir im Studium geholfen haben – mich zurechtzufinden, aber auch ein gewisses Maß an Resilienz zu entwickeln.
Ich glaube, es war für meine Mitschüler sehr wichtig, jemanden kennenzulernen, der vielleicht nicht gut im Fußballspielen war, aber dennoch sein Abitur geschafft hat. Ich weiß zum Beispiel, dass einige meiner Mitschüler, die später Personalverantwortung übernommen haben, auch Menschen mit Schwerbehinderung einstellen. Das bringt Vorteile für beide Seiten.
Ich treffe meine ehemaligen Mitschüler immer mal wieder. Wenn ich dann in eine Kneipe komme und wir uns lange nicht gesehen haben, ist es für sie selbstverständlich, mir akustisch mitzuteilen, wo sie sitzen. Oft kommt jemand vorbei und bietet mir an, die Speisekarte vorzulesen. Der Umgang mit einem sehbehinderten Menschen ist für sie völlig normal geworden. Sie haben also auch etwas gelernt und können diese Kompetenzen als Erwachsene anwenden.
Und ganz allgemein gesprochen: Barrierefreiheit hat nicht nur eine soziale Dimension, sondern sollte Qualitätsstandard für ein modernes Land sein. Architekt*innen beispielsweise lernen viel über Statik, aber meist nichts über barrierefreies Bauen. Ärzte und Ärztinnen lernen viel über Krankheiten, aber wenig über Menschen mit Behinderungen und einen guten Umgang mit dieser Personengruppe. Das liegt auch daran, dass die Ärzt*innen, Architekt*innen oder andere Berufsgruppen in Ihrer Schulzeit keine Kontakte zu Kindern mit Behinderungen hatten.
Deshalb möchte ich betonen, dass inklusive Bildung weit in die Gesellschaft ausstrahlt. Dennoch, aufgrund der bestehenden Bedingungen, mag es für manche Menschen weiterhin der richtige Weg sein, im Förderschulsystem zu bleiben. Das liegt jedoch daran, dass das allgemeine System noch nicht gut genug ist. Ich plädiere dafür, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Das ist unser Auftrag, und ich bin überzeugt, dass unser Land dadurch reicher wird. Nina Odenius, Agentur für Bildungsjournalismus, führte das Interview.