BERLIN. Lehrkräfte werden entlastet, da KI ihnen zunehmend Aufgaben wie die Unterrichtsvorbereitung, -durchführung und -nachbereitung abnimmt. Dies ermöglicht mehr Zeit für eine individualisierte Lernunterstützung und eine intensivere Betreuung der Schülerinnen und Schüler. Prüfungsformate und -bewertungen werden durch KI effizienter. Die Ausbildung wird technikorientierter. Zukünftig müssen sich Lehrkräfte kontinuierlich weiterbilden, um den Einsatz von KI pädagogisch sinnvoll zu gestalten – so jedenfalls stellen sich die Kultusminister in Deutschland die Zukunft des Lehrberufs vor. Der Philologenverband warnt bereits vor falschen Erwartungen.
Die Bildungsministerkonferenz der KMK hat gestern ihre Handlungsempfehlungen zum Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) im Schulwesen vorgestellt (News4teachers berichtete). Besonders beachtenswert dabei: Die Passagen, die den Beruf der Lehrkraft betreffen. Deutlich wird: Der soll sich in wesentlichen Bereichen – Unterricht, Prüfungen sowie Aus- und Weiterbildung – deutlich verändern.
Dem Papier zufolge können KI-Anwendungen die Lehrkräfte bei der Gestaltung und Durchführung des Unterrichts signifikant unterstützen. „Diese Anwendungen sind lernpsychologisch, pädagogisch und didaktisch sinnvoll“ und könnten zielgerichtet das Lernen der Schülerinnen und Schüler verbessern, heißt es. Besonders hervorgehoben wird, dass Lehrkräfte durch den Einsatz von KI „bei der Unterrichtsvorbereitung, -durchführung und -nachbereitung entlastet“ werden könnten. Dadurch erhielten sie mehr Freiraum, um auf die Bedürfnisse einer „heterogenen Schülerschaft“ einzugehen und eine personalisierte und individualisierte Lernunterstützung zu bieten.
„Durch KI-gestützte Diagnosen können Lehrkräfte unmittelbar personalisiertes Feedback geben“
KI ermögliche es Lehrerinnen und Lehrern außerdem, „neue Aufgabenformate“ zu entwickeln, die die Lernenden „kognitiv vielfältig aktivieren“ und motivierende Aufgabenstellungen bieten, welche „die Kooperation unter den Schülerinnen und Schülern anregen“. Darüber hinaus könne KI regelmäßig Feedback zum Lernstand der Kinder und Jugendlichen geben und die Lehrkräfte bei der Planung und Durchführung eines stärker individualisierten Unterrichts unterstützen. Trotz dieser Unterstützung werde die zentrale Rolle der Lehrkraft in der „Gestaltung der Lernumgebung“ und der „Begleitung der Lernenden“ weiterhin beibehalten.
Die Kultusministerinnen und Kultusminister betonen auch, dass KI eine „an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler orientierte Unterrichtsentwicklung“ beschleunigen könne, um „alle Lernenden entsprechend ihrer individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse“ zu fördern. Es wird dabei auf konkrete Anwendungsbeispiele hingewiesen, wie Vorlesefunktionen, Text-zu-Sprache- oder Sprache-zu-Text-Anwendungen und automatisierte Übersetzungen. Auch für die Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen biete KI „vielfältige Möglichkeiten“, etwa durch „automatische Bildbeschreibungen“ oder die „Umwandlung von Texten in leichte Sprache“.
Im Hinblick auf die Lehrkräfte sei es entscheidend, dass KI nicht nur als technisches Hilfsmittel, sondern als Mittel zur Erweiterung des „didaktisch-pädagogischen Handlungsrepertoires“ verstanden werde. Ziel sei es, dass Lehrkräfte in der Weiterentwicklung die „Chancen und Möglichkeiten KI-gestützter Anwendungen“ erkennen und nutzen könnten.
In puncto Prüfungen heißt es: Zwar bleibe die „Leistungsbewertung eine pädagogische und hoheitliche Aufgabe“, die ausschließlich von Lehrkräften erfüllt werden könne, doch könnten KI-Anwendungen die Lehrkräfte bei der Korrektur und Bewertung von Prüfungen unterstützen. „KI kann im Korrekturprozess eine Vorkorrektur oder Korrekturassistenz bieten“, die den Lehrkräften als Entscheidungsunterstützung dienen könnte. Diese Assistenz könne auch eine „adaptive Lernunterstützung“ umfassen, die direkt auf die Ergebnisse der Prüfungen folgt.
Besondere Chancen ergeben sich durch den Einsatz von KI in Bezug auf die „formativen Diagnostik“, also die kontinuierliche Leistungsüberprüfung während des Lernprozesses. „Durch KI-gestützte Diagnosen können Lehrkräfte unmittelbar personalisiertes Feedback geben“, heißt es. Auch im Hinblick auf die Qualität von schriftlichen Prüfungsaufgaben gebe es Potenzial für Verbesserungen, insbesondere durch eine „erhöhte Sprachsensibilität“ in der Aufgabenstellung.
„Prüfungsformate, die juristisch nicht einwandfrei der in der Aufgabe geforderten eigenständigen Leistung einer Schülerin bzw. eines Schülers zugerechnet werden können, werden abgeschafft oder grundlegend weiterentwickelt“
Die Handlungsempfehlungen warnen jedoch auch vor den Herausforderungen beim Einsatz von KI in Prüfungen. Insbesondere Datenschutz und Datensicherheit seien kritisch zu betrachten. Es müsse gewährleistet werden, dass die Entscheidungen von KI-Systemen „transparenter und nachvollziehbarer“ gestaltet werden. Zudem gebe es das Risiko von sogenannten „Bias“, also Vorurteilen in den Daten, die zu Verzerrungen in den Ergebnissen führen könnten. Daher sei es unerlässlich, dass KI-Systeme nur als „Entscheidungsunterstützungssysteme“ fungieren und die abschließende Leistungsbewertung „den Prüfenden vorbehalten“ bleibe.
„Prüfungsformate, die juristisch nicht einwandfrei der in der Aufgabe geforderten eigenständigen Leistung einer Schülerin bzw. eines Schülers zugerechnet werden können, werden abgeschafft oder grundlegend weiterentwickelt.“
Weiterer zentraler Punkt: die Aus- und Weiterbildung. „Mit der zunehmenden Integration von KI im Bildungsbereich ist es zwingend notwendig, den Aspekt der Lehrkräfteprofessionalisierung im Umgang mit ihr weiter zu stärken“, heißt es. KI-Kompetenzen müssten „systematisch und verbindlich in die Fachwissenschaften, die Fachdidaktiken und die Bildungswissenschaften“ integriert werden. In den Handlungsempfehlungen wird gefordert, dass „Fähigkeiten im Umgang mit KI als fester Bestandteil in alle drei Phasen der Lehrkräftebildung eingebettet“ werden. Dies umfasse neben den informatischen Grundlagen auch „Aspekte der Medienbildung sowie pädagogisch-didaktische Einsatzszenarien von KI im Fachunterricht“. Auch die Prüfungsformate innerhalb der Lehrkräfteausbildung sollten überprüft und, wenn nötig, angepasst werden.
Es sei wichtig, dass Lehrkräfte nicht nur die „technischen Grundlagen“ von KI verstehen, sondern auch „Chancen, Grenzen sowie Risiken“ adäquat einschätzen können. Auch müssten sie für „die rechtlichen Rahmenbedingungen“ sensibilisiert werden, um in der Lage zu sein, „positiv, kritisch und ethisch“ mit KI-Anwendungen umzugehen. Diese Kompetenzen seien „essenziell für die zielgerichtete und lernförderliche Integration von KI-Anwendungen“ in den Unterricht.
In den Handlungsempfehlungen wird allerdings auch betont: „Lehrkräfte zu kontinuierlichem Lernen und zur Anpassung an neue Technologien zu ermutigen heißt auch, ihnen die notwendigen Ressourcen und Freiräume zur Verfügung zu stellen. Dies umso mehr, als den Erfordernissen des digitalen Wandels gerecht zu werden für Lehrkräfte noch stärker als bisher bedeutet, sich in diesem Prozess selbst als Lernende zu begreifen, die eigene Rolle kontinuierlich zu reflektieren und zu verändern.“
„Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass dadurch über Nacht die Probleme des Lehrkräftemangels gelöst werden“
Prof. Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des Philologenverbands, zeigt sich skeptisch. „Das Wichtigste in schulischen Erziehungs- und Bildungsprozessen ist die menschliche Interaktion zwischen Lehrkräften und ihren Schülern und zwischen Schülerinnen und Schülern untereinander“, sagt sie. „Bei aller Euphorie um die spannenden Möglichkeiten, die KI heute schon bietet und in Zukunft bieten wird – wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass dadurch über Nacht die Probleme des Lehrkräftemangels gelöst werden. Im Gegenteil: Wer davon träumt, dank KI zeitnah weniger professionelle Lehrkräfte als bisher einsetzen oder sie gar durch KI ersetzen zu können, ist auf dem Holzweg!“
Lin-Klitzing weist darauf hin, dass auch durch den Einsatz von KI Lehren und Lernen nicht beliebig effektiviert werden könne: „Lernen und Verstehen von Inhalten braucht Zeit, einfach weil die Schülerinnen und Schüler die Inhalte für sich selbst noch einmal durchdringen und durchdenken müssen – das kann ihnen keine KI abnehmen. Erst recht nicht, weil die kritische Prüfung der durch KI präsentierten Inhalte zunehmend bedeutsam und schwierig werden wird.“ News4teachers
Hier lässt sich die vollständige Handlungsempfehlung herunterladen.
