
Berlins Elternvertreter sehen den neuen sogenannten Probetag beim Wechsel aufs Gymnasium für Kinder ohne entsprechende Empfehlung kritisch. Die mit 2,6 Prozent «extrem niedrige» Bestehensquote habe viele betroffene Eltern schockiert, teilte der Landeselternausschuss (LEA) mit. «Auch wir als LEA sind vom Ergebnis sehr überrascht.»
Vielen Schülern mit einer Empfehlung für die Integrierte Sekundarschule oder Gemeinschaftsschule, die früher das Gymnasium besucht und das Probejahr bestanden hätten, werde nun der Zugang zum Gymnasium verwehrt. «Bei einer höheren Bestehensquote wäre die Situation anders.
Elternvertreter kritisieren enormen Druck auf die Kinder
Angesichts der mutmaßlich sehr hohen Anforderungen der Testsituation stelle sich die Frage, wie viele Schüler mit Gymnasialempfehlung den Test wohl bestanden hätten. Die Prüfungssituation am Probetag erzeuge außerdem enormen Druck, der sich negativ auswirke. Außerdem sei unklar, ob die abgefragten Kompetenzen und das notwendige Wissen tatsächlich in der Schule vermittelt wurden.
Der Landeselternausschuss fordert deshalb eine eingehende Analyse des Testverfahrens. Dabei sollte unter anderem berücksichtigt werden, welche Testteile die Schüler nicht bestanden haben, was sich daraus schließen lasse und wie notwendig das abgefragte Wissen sei, um am Gymnasium bestehen zu können.
Der Landeselternausschuss möchte von Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch außerdem wissen, wer die Evaluation des Testverfahrens übernimmt, die die CDU-Politikerin angekündigt hat. Notwendig ist aus Sicht der Elternvertreter auch, den Inhalt der Tests zu veröffentlichen. Das gilt aus LEA-Sicht auch für die Bewertungsmaßstäbe für alle Testbestandteile.
Günther-Wünsch hattte den Probetag zuvor gegen Kritik verteidigt. Dass dabei nur rund jeder 40. Schüler erfolgreich war, sieht die CDU-Politikerin nicht als Problem. Solche Werte seien nachvollziehbar und angemessen. Die geringe Quote mache deutlich, dass die Lehrkräfte an den Grundschulen die richtige Förderprognose abgegeben hätten, sagte Günther-Wünsche im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses.
Die GEW kritisierte hingegen, die neue Regelung verstärke die Auslese beim Übergang aufs Gymnasium. «Anstatt die richtige Entscheidung für die Abschaffung des Probejahrs an den Gymnasien für eine Weiterentwicklung zu mehr Inklusion in der gesamten Schullandschaft zu nutzen, hat der Senat sich für Abgrenzung entschieden. Viele Kinder erhalten nun keinen Zugang zum Gymnasium. Die Schulgesetzänderung von 2024 stärkt die Gymnasien als elitäre Bildungseinrichtung», sagte Landeschefin Martina Regulin. «Der restriktive Zugang zum Gymnasium und auch die Verengung der Förderprognose auf Mathematik, Deutsch und Englisch stehen für eine rückwärtsgewandte Bildungspolitik.»
Neue Regeln für den Übergang aufs Gymnasium
Hintergrund: Mit dem neuen Schulgesetz bekommen angehende Siebtklässler nur bei einer Durchschnittsnote bis 2,2 eine Empfehlung für das Gymnasium und ab 2,3 eine für eine Integrierte Sekundarschule oder Gemeinschaftsschule. Grundsätzlich galt das auch bisher.
Schulen hatten bei einem Notenschnitt von 2,3 bis 2,7 aber noch Ermessensspielraum für eine Gymnasialempfehlung. Schüler, deren Eltern trotz nicht ausreichender Noten auf einem Besuch des Gymnasiums bestanden, konnten dort ein Probejahr absolvieren. Dieses Modell wird nun durch den Probeunterricht abgelöst.
Der Probetag – eigentlich ein Test – umfasst schriftliche Leistungen in Deutsch und Mathematik sowie die Überprüfung von fächerübergreifenden Kompetenzen wie selbstständiges Arbeiten, Lösung von Problemen oder Teamfähigkeit. News4teachers / mit Material der dpa
Günther-Wünsch: Dass fast alle beim Probetag durchfielen, war “angemessen”