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SPD-Antrag, Arbeitszeit von Lehrkräften zu erfassen, scheitert – Bildungsministerin winkt ab

KIEL. Wie und ab wann soll die Arbeitszeit von Lehrkräften erfasst werden? Eine Debatte im Landtag von Schleswig-Holstein zeigt unterschiedliche Ansätze. Bildungsministerin Prien hat eine klare Position: Nö. Zumindest in absehbarer Zeit sei das kein Thema.

Ihr Wort hat Gewicht: Karin Prien ist Bildungsministerin von Schleswig-Holstein – und Vze-Vorsitzende der Bundes-CDU. Foto: Bildungsministerium Schleswig-Holstein

Keine Einigkeit herrscht im Schleswig-Holsteinischen Landtag über die Frage einer Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte: Die SPD-Fraktion scheiterte mit einem Antrag, die Landesregierung möge die Einführung von Arbeitszeiterfassung vorbereiten. Bildungsministerin Karin Prien (CDU) machte deutlich, sie werde in der laufenden Legislaturperiode das Thema nicht mehr anfassen. In Bremen und Sachsen würden entsprechende Modellprojekte erprobt (News4teachers berichtete). Die Ergebnisse sollten abgewartet werden, machten auch Redner der Regierungsfraktionen CDU und Grüne deutlich.

Prien zweifelt daran, dass Arbeitszeiterfassung den Lehrerberuf attraktiver macht

Prien bezweifelte, ob eine Arbeitszeiterfassung die Attraktivität des Lehrerberufs steigern könne. Viele Lehrkräfte schätzten gerade die Flexibilität und fänden es wahrscheinlich nicht gut, wenn eine Arbeitszeiterfassung sie verpflichten würde, den gesamten Arbeitstag in der Schule zu verbringen. Was das eine – Arbeitszeiterfassung – mit dem anderen – Präsenzpflicht in der Schule – zu tun hat, blieb dabei allerdings offen.

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Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Schleswig-Holstein betont dann auch, ihr brenne das Thema Arbeitszeiterfassung schon lange auf den Nägeln. In einer Resolution fordert der GEW-Landeshauptausschuss vom Bildungsministerium eine verpflichtende und transparente Arbeitszeiterfassung, um die tatsächliche Arbeitsbelastung sichtbar zu machen und endliche für Entlastung zu sorgen. „Arbeitszeitgrenzen und Arbeitsschutz werden in den Schulen nicht eingehalten, was das Bildungsministerium aber anscheinend nicht interessiert“, meint die GEW-Co-Landesvorsitzende Kerstin Quellmann. Ministerin Prien müsse ihrer Verantwortung für den Gesundheitsschutz der Lehrkräfte endlich nachkommen.

Die Arbeitsbelastung von Lehrkräften sei in den letzten Jahren stetig gestiegen, so die Gewerkschafterin. Neben dem Unterricht gehörten eine Vielzahl von Aufgaben wie Vor- und Nachbereitung, Korrekturen, Elterngespräche, Fortbildungen und immer mehr administrative Tätigkeiten zum Berufsalltag. Quellmann: „Die Botschaft aller einschlägigen Arbeitszeitstudien der letzten Jahre ist unmissverständlich: Lehrkräfte arbeiten häufig weit über ihre geschuldete wöchentliche Arbeitszeit hinaus.“

Das Bundesarbeitsgericht habe schon 2022 verbindlich entschieden, dass auch in Deutschland die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmer*innen aufzuzeichnen sei. Ein entsprechendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs war vorausgegangen. Deshalb bleibe Priens Blockadehaltung völlig unverständlich. „Die Einführung einer Arbeitszeiterfassung ist ein entscheidender Schritt zu besseren Arbeitsbedingungen, einer nachhaltigen Sicherung der Gesundheit der Lehrkräfte und der Bildungsqualität in den schleswig-holsteinischen Schulen“, fasst sie zusammen.

Zurück in den Landtag. Der CDU-Abgeordnete Martin Balasus betonte, die Arbeitszeit ende nicht mit dem Klingeln. Er sieht Schwierigkeiten bei einer Arbeitszeiterfassung etwa in den Ferienzeiten, die zwar unterrichtsfrei, aber nicht ohne Arbeit seien. Er sprach sich dafür aus, den Versuch in Bremen abzuwarten und die Ergebnisse in der Kultusministerkonferenz (KMK) zu besprechen.

Aus Sicht von Malte Krüger (Grüne) ist es nicht einfach, die Arbeitszeit systematisch zu erfassen. Juristisch sei auch nicht geklärt, ob die zugrunde liegende Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs auf Lehrkräfte angewendet werden müsse. Aus Sicht des Bundesarbeitsministeriums muss sie das: In einem Brief an die KMK war die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung auch von Lehrkräften dargelegt worden (News4teachers berichtete).

Jette Waldinger-Thiering (SSW) vertrat dagegen die Ansicht, dass eine Arbeitszeiterfassung für alle Arbeitnehmer in Deutschland verpflichtend sei. Bisher sei keine praktische Umsetzung für Lehrkräfte gelungen. «Dabei könnten wir einfach mal über die Grenze gucken.» In Dänemark gebe es das bereits. Geklärt werden müsse zunächst, was mit Überstunden passiere. Vorher sollte eine Arbeitszeiterfassung nicht eingeführt werden. Außerdem betonte Waldinger-Thiering: «Wir wollen keine Insellösung.» Eine Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte müsse in ganz Deutschland identisch sein.

Prien verwies auf Hamburg, wo bereits schlechte Erfahrungen gemacht worden seien. «Ich kann nur davon abraten.» Die Bundesländer vertreten ihren Angaben zufolge in der KMK die Auffassung, dass eine Bereichsausnahme von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung notwendig sei.

Prien: Lehrerberuf gehört zu den bestbezahlen Berufen im öffentlichen dienst

Der SPD-Abgeordnete Martin Habersaat plädierte für eine Arbeitszeiterfassung und forderte außerdem Maßnahmen gegen den Mangel an Lehrkräften in Schleswig-Holstein. Nur knapp 17 Prozent der Lehrer blieben bis zum Erreichen der regulären Altersgrenze im Dienst. Die Anzahl der Lehrkräfte müsse parallel zu wachsenden Schülerzahlen steigen, forderte er. Stattdessen gebe es weniger Lehrer im System.

Prien widersprach. Der Lehrerberuf gehöre zu den bestbezahlten Berufen im öffentlichen Dienst. Allerdings gebe es ein demografisches Problem, nämlich mehr Schüler und weniger Lehrernachwuchs. Damit müsse man pragmatisch umgehen, etwa mit mehr Quereinsteigern und mehr Lehrern aus dem Ausland. Wer keine akademische Ausbildung habe, könne aber aus Gründen der Unterrichtsqualität kein Lehrer werden.

Auch Anne Riecke von der FDP sieht im Lehrermangel ein drängendes Problem. Die Attraktivität des Berufs müsse erhöht werden. Lehrer benötigten Zeit, um hochwertigen Unterricht vorzubereiten. Sie sollten von administrativen Aufgaben entlastet werden. Schleswig-Holstein könnte von anderen Ländern lernen, den Beruf für junge Leute attraktiver zu machen. News4teachers / mit Material der dpa

Im Wortlaut

Die GEW Schleswig-Holstein fordert das Bildungsministerium in einer Erklärung auf, seiner Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit der Lehrkräfte nachzukommen – und stellt dabei folgende Forderungen:

  • Einrichtung eines rechtskonformen und transparenten Arbeitszeiterfassungssystems an allen Schulen, das sämtliche Arbeitszeiten berücksichtigt und für Lehrkräfte einfach und praktikabel ist.
  • Keine Leistungs- oder Verhaltenskontrolle.
  • Die Arbeitszeiterfassung muss zu einer gerechten Arbeitsverteilung führen, Überlastungen identifizieren und ausgleichen.
  • Berücksichtigung der Arbeitszeiterfassung in schul- und bildungspolitischen Entscheidungen, um eine realistische Personalbemessung und angemessene Arbeitsbedingungen sicherzustellen.
  • Benennung von Zeitressourcen, die bei jeder neuen Aufgabe für die Erledigung dieser zur Verfügung gestellt wird.

Gutachten: Erfassung der Arbeitszeit von Lehrkräften ist unausweichlich (heißt: Aus fürs Deputatsmodell)

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