DÜSSELDORF. Drei Viertel der Lehrkräfte in Nordrhein-Westfalen sind Beamtinnen und Beamte – und manche davon dürften 2022 Widerspruch gegen ihre Besoldungsbezüge eingelegt haben. Seinerzeit hatte die GEW insbesondere Grundschullehrkräfte dazu aufgefordert, weil die Angleichung der Bezüge im Schuldienst nur schrittweise erfolgt. Das Land hat nun mindestens 45.000 Ablehnungsbescheide verschickt, allesamt fehlerhaft. Das hat Folgen.
„Derzeit erhalten viele verbeamtete Kolleg*innen auf ihre Widersprüche aus dem Jahr 2022 gegen ihre Besoldung und Versorgung vom Landesamt für Besoldung und Versorgung NRW einen ablehnenden Widerspruchsbescheid“, so erläutert die GEW aktuell gegenüber ihren Mitgliedern. „Warum? Das Land NRW hält die Besoldung und Versorgung aus dem Jahr 2022 nach den vorgenommenen Erhöhungen und strukturellen Änderungen verfassungsrechtlich für in Ordnung. Daher lehnt es nun alle vorliegenden Widersprüche per Bescheid ab.“
Hintergrund: 2022 kam es in Nordrhein-Westfalen zu zahlreichen strukturellen Veränderungen des Besoldungssystems – darunter A13 für alle Lehrkräfte, in fünf Schritten beginnend vom 1. November 2022 an. Zum 1. August 2026 sollen dann alle grundständig ausgebildeten Lehrkräfte A13 erhalten. „Leider werden aber auch unter Berücksichtigung dieses gesetzgeberischen Plans die Forderungen der GEW NRW nicht gänzlich erfüllt. Ein Stufenplan ist weder notwendig, noch entspricht er den rechtlichen Anforderungen (…). Zudem wird die Studienratszulage ohne rechtliche Rechtfertigung weiterhin nicht gezahlt.“
„Hierdurch werden die Betroffenen ist die (Zwangs-) Lage versetzt zu entscheiden, ob sie den Klageweg beschreiten“
Die GEW NRW rief verbeamtete Lehrkräfte, die von der ihrer Meinung nach unzureichenden Höhergruppierung betroffen waren, dazu auf, „das Recht auf faire Besoldung aller Lehrämter nach A 13Z mit Widerspruch geltend zu machen“ – und stellte dafür Musterschreiben online parat. Dazu kamen etliche Widersprüche von Beamtinnen und Beamten aus den unteren Besoldungsgruppen, die den verfassungsrechtlich gebotenen Abstand zur Grundsicherung nicht gewahrt sahen. Die Folge: Insgesamt 55.000 Widersprüche sind beim Landesamt für Besoldung und Versorgung NRW eingegangen – allein für das Jahr 2022.
Und die sollten nun mit ablehnenden Bescheiden beschieden werden – so kündigte das NRW-Finanzministerium laut dbb Beamtenbund im vergangenen Februar an. Der kritisiert das Vorgehen grundsätzlich: „Hierdurch werden die Betroffenen ist die (Zwangs-) Lage versetzt zu entscheiden, ob sie den Klageweg beschreiten. Denn die Zustellung des Widerspruchsbescheids löst eine einmonatige Klagefrist aus. Eine Klage, selbst wenn diese nur fristwahrend erhoben und anschließend wieder zurückgenommen wird, löst aber – je nach Streitwert – Gerichtskosten aus.“
Und es belastet die Gerichte, die sich um jeden Einzelfall kümmern müssen – unnötigerweise. Denn, so beklagt der Deutsche Richterbund NRW laut Bericht: „Finanzminister Marcus Optendrenk ist völlig ohne Not von der für diese Fälle bewährten Praxis abgewichen, Besoldungswidersprüche so lange ruhend zu stellen, bis einige ausgewählte Musterverfahren höchstrichterlich ausgeurteilt worden sind.“ Heißt: Die Landesregierung hätte sich das Brimborium auch sparen können.
Nun sind offenbar auch schon mindestens 45.000 solcher Ablehnungsbescheide per Post verschickt worden. Die Pointe: Sie sind allesamt fehlerhaft, wie die „Rheinische Post“ unter Bezugnahme auf eine parlamentarische Anfrage berichtet. „Wie aus der Ministeriumsantwort hervorgeht, die unserer Redaktion vorliegt, wurde bei 45.633 maschinell erstellten Bescheiden ein falsches Datum verwendet. Zudem enthielten 6156 Bescheide eine fehlerhafte Postleitzahl für das zuständige Verwaltungsgericht Münster – 48174 statt richtigerweise 48147. Das hat Konsequenzen: Denn durch die Fehler ist die Rechtsmittelbelehrung als unrichtig zu werten, womit die Klagefrist auf ein Jahr verlängert wird“, so schreibt das Blatt.
„Abwarten müssen die Betroffenen auch, was für die Jahre 2023 und das zwischenzeitlich abgelaufene Jahr 2024 passieren wird“
Jetzt droht den Verwaltungsgerichten ein Chaos durch Überlastung. „Von den 55.000, die Widerspruch eingelegt haben, klagen über 2000. Und durch den nun aufgetretenen Fehler bei den Bescheiden dürften durch die dadurch entstandene Fristverlängerung um etwa elf Monate weitere hinzukommen“, so heißt es aufstöhnend beim Richterbund.
Und: Das ist erst der Anfang. „Abwarten müssen die Betroffenen auch, was für die Jahre 2023 und das zwischenzeitlich abgelaufene Jahr 2024 passieren wird“, orakelt der Beamtenbund. Immerhin sei es für 2024 dann doch gelungen, die Landesregierung zu einer Zusage zu bewegen, die Widersprüche ruhend zu stellen – und Musterverfahren zu ermöglichen. Heißt im Umkehrschluss: Für 2023 muss ebenfalls einzeln geklagt werden. News4teachers
Streit um die Lehrerbesoldung – trotz A13-Beschluss: Die Tücke im Detail
