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Precht fordert Schulrevolution – Rabe: „ein Sofakritiker“

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HAMBURG. Der Publizist, Philosoph und Buchautor Richard David Precht („Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“) fordert in seinem neuen Buch den Umbau der Schulen – und findet dabei viel Gehör, bis hin zu einer Titelgeschichte in der „Zeit“. Der Hamburger Schulsenator Ties Rabe nennt Precht hingegen einen „Sofakritiker“.

Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD, rechts) reagierte genervt auf den Vorstoß von Richard David Precht. Fotos: Raimond Spekking / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0), SPD Hamburg, flickr (CC BY-SA 2.0)

„Anna, die Schule und der liebe Gott“, so heißt das neue Buch von Precht, das – begleitet von viel Mediengetöse – heute erschienen ist. Precht entrüstet sich darin über das deutsche Bildungssystem und entwirft die Vision einer besseren Schule. Seine Ideen zum Umbau des Bildungssystems sind zum Teil radikal, wie etwa die Einführung einer Kindergartenpflicht vom dritten Lebensjahr an.

Precht, der eine nach ihm benannte Philosophie-Sendung im ZDF moderiert, reklamiert für seinen Ansatz neue wissenschaftliche Erkenntnisse. „Nach all dem, was wir aus der Hirnforschung, der Entwicklungs- und der Lernpsychologie wissen, kann man von einem ‚gehirngerechteren Lernen‘ ausgehen und im Gegensatz dazu von einem, das den Spielregeln des nachhaltigen Lernens widerspricht“, so schreibt er. Und zieht einen verqueren Vergleich: „Gutes Lernen, so könnte man sagen, ist wie guter Sex: Nicht auf Tempo und Frequenz kommt es an, sondern auf die Eindringlichkeit, die individuelle Variation und den nachhaltigen positiven Effekt auf unsere Psyche. Der Vergleich ist schon deshalb nicht weit hergeholt, weil es sich bei allen Erregungen unseres Gemüts immer um das gleiche Belohnungszentrum handelt, das jedes Mal (mit leichten Unterschieden in den chemischen Cocktails) aktiviert wird.“

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Eine Schule, „in der man so lernt, dass man statt loser Brocken und toter Phrasen Zusammenhänge behält“, sei möglich, meint der Philosoph. Ein höheres Bildungsniveau könne erreicht werden, wenn die Schulen aufhörten, die „intrinsische Motivation des Kindes zu zerstören“, sondern sie pflegten und förderten. Dabei sollten sie die Kinder individuell lernen lassen. „Eine gute Schule muss sich nach den Bedürfnissen, den Begabungen und dem Lerntempo eines jungen Menschen richten und ihn dazu befähigen, dieses Tempo selbst zu steuern“, schreibt Precht. Um im Gelehrtendeutsch fortzufahren: „Wenn der Lehrer dazu als Coach Hilfestellungen leistet und allzu viele verlockende Ablenkungen unterbindet, ist einem optimalen aufbauenden Lernen keine Grenze gesetzt. Desgleichen gilt für die wechselseitige Hilfe und den Ansporn durch Mitschüler im jahrgangsübergreifenden Unterricht.“

Fächer weg, Klassen weg, Noten weg

Precht, der einen Sohn und drei Stiefkinder hat, fordert die Abschaffung der Fächer. „Die Demarkationsgrenzen zwischen den Fächern hemmen den Erkenntnisgewinn und zügeln die Neugier“, meint er. Aus seiner Sicht besser: Projektunterricht, der die Zusammenhänge erkennen lasse. Auch die Klassen möchte der Philosoph aufgelöst sehen: „Spätestens mit dem siebten Schuljahr finden sich Freundschaften auch schnell jahrgangsübergreifend (die älteren Jungen sind ohnehin interessanter für die Mädchen). Wichtiger als das gleiche Alter sind ähnliche Interessen, die sich zu Lernteams organisieren lassen.“ Auch Noten möchte Precht streichen: „Es ist höchste Zeit, die Notenzeugnisse zu ersetzen. An ihre Stelle sollte ein sorgsames, auf die Individualität des Kindes bezogenes Monitoring treten. Statt Zensuren zu vergeben, sollten Lehrer schriftliche Beurteilungen verfassen über den Lern- und Entwicklungsweg ihrer Schüler, über ihr Können und ihre Persönlichkeit.“

Dafür fordert Precht flächendeckend die Ganztagsschule bis 16 Uhr. Rituale und Schuluniformen sollen darüber hinaus die Identifikation der Schüler mit ihrer Schule verstärken. Dabei lässt Precht erkennen, woher er seine Ideen schöpft: „Ein bisschen Hogwarts tut jeder Schule gut“, schreibt er mit Blick auf das in den Harry-Potter-Romanen dargestellte Schulleben.

“Noch ein Eiferer. Einer, der alles besser weiß”, kritisiert der Hamburgs Schulsenator Rabe. Die in Prechts Buch geforderte “Bildungsrevolution” provoziere, so Rabe, “bürgerkriegsähnliche Zustände, Milliardenkosten und Millionen verkorkster Bildungskarrieren. Denn in den zu erwartenden Schulkriegen wird eine ganze Schülergeneration jahrelang nicht richtig lernen.” Deutschlands Schulen ließen sich, so Rabe, nicht “unfallfrei” revolutionieren. “Jede Veränderung findet am offenen Herzen in vollem Betrieb statt.”

Prechts Buch strahle “verheerende Botschaften aus” und gaukle Eltern, Schülern und Lehrern “ein Heilsversprechen für alle Bildungsprobleme” vor. Dies nütze, so Rabe in der „Zeit“, allein “der Buchauflage”. News4teachers

(22.4.2013)

Hier geht es zu einem kurzen Film auf Youtube, in dem Precht sein Buch vorstellt.

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