BERLIN. Durch das Coronavirus notwendige Schulschließungen offenbarten schonungslos, dass die digitale Ausstattung vielfach immer noch nicht ausreicht. «Jetzt rächt sich, dass sich in Deutschland bei der Digitalisierung der Schulen so lange nichts richtig bewegt hat», sagt VBE-Chef Udo Beckmann. In einem Land wie Litauen beispielsweise, das zu den Vorreitern der digitalen Bildung gehöre, wäre in einer solchen Situation flächendeckender Unterricht viel wahrscheinlicher digital über das Netz möglich.
Als die Zahl der an Covid-19 Erkrankten in Deutschland anstieg und immer mehr einzelne Schulen geschlossen bleiben mussten, forderte der Bundesvorsitzende des Verbands Deutscher Realschullehrer (VDR), Jürgen Böhm, ein einheitliches Vorgehen. Um die Ausbreitung zu verlangsamen sollte die Politik mit sofortiger Wirkung alle Schulen in Deutschland für mindestens eine Woche schließen. Eine Idee, wie Lehrkräfte den Unterricht trotzdem weiterführen könnten, hatte Böhm ebenfalls: In Zeiten digitaler Kommunikationsmittel sei es möglich und nötig, übergangsweise Bildungsinhalte auch auf diese Weise zu vermitteln. „Jetzt zeigt sich auch, wie fortgeschritten Digitalisierung an deutschen Schulen bereits ist und welche Lücken schnell geschlossen werden müssen.“
Fernunterricht – nicht flächendeckend
Schon zu diesem Zeitpunkt bewertete Ilka Hoffmann, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die digitale Ausstattung und die damit verbundene Möglichkeit, in der Fläche Fernunterricht anzubieten, deutlich kritischer. Deutschland sei dafür „Stand heute schlicht nicht gerüstet“, sagte sie gegenüber der Tageszeitung „DIE WELT“. „In Sachen technischer Ausstattung der Schulen und Befähigung der Lehrer ist Deutschland ein bunter Flickenteppich.“
Damit formulierte die Gewerkschafterin keine neue Erkenntnis, schließlich hatten sich Bund und Länder Anfang 2019 genau aus diesem Grund auf den „DigitalPakt Schule“ geeinigt. Mithilfe einer Finanzspritze des Bundes von fünf Milliarden Euro verteilt auf fünf Jahre sollte den Schulen ermöglicht werden, sich eine zeitgemäße Bildungsinfrastruktur zuzulegen. Heißt: schnelles Internet und stationäre Endgeräte, in Ausnahmefällen auch mobile Endgeräte und digitale Lösungen wie Cloudangebote und Lernplattformen.
Enttäuschender Start des Digitalpakts
Bis Februar 2020 – rund acht Monate nachdem der Digitalpakt am 17. Mai 2019 in Kraft getreten war – hatte sich jedoch an den Schulen nur wenig getan. Eine Recherche des Bayerischen Rundfunks (BR) zeigte, dass die Bundesländer insgesamt erst rund 40 Millionen der fünf Milliarden Euro des Digitalpaktes freigegeben hatten. Die BR-Recherche offenbarte zudem enorme Unterschiede zwischen den Ländern. Während beispielsweise Sachsen zum Zeitpunkt der Abfrage bereits etwa zwölf Millionen Euro bewilligt hatte, gefolgt von Hessen mit acht Millionen Euro und Hamburg im Januar mit sieben Millionen Euro, hatten Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und das Saarland noch keine Mittel zur Verfügung gestellt.
Zu erfüllende Vorgaben
Zur Begründung verwies der BR darauf, dass die Bundesländer unterschiedlich schnell der Vorgabe nachgekommen seien, individuelle Förderrichtlinien zu entwickeln, die jeweils festlegen, wann und wie die Schulträger Gelder beantragen können. Sachsen beispielsweise hatte seine Förderrichtlinie noch im Mai 2019 veröffentlicht – also bereits kurz nach Inkrafttreten des Digitalpaktes. Eine weitere mögliche Erklärung bietet die Vorgabe, dass die Schulen, die über ihren Schulträger Gelder beantragen wollen, gleichzeitig ein Medienkonzept einreichen müssen. In Zeiten von Lehrkräftemangel, Inklusion und Integration könnte dies für viel Kollegien eine zusätzliche Aufgabe sein, die sich nur schwierig umsetzen lässt.
Verbesserungen gefordert
Der Start des Digitalpaktes sei enttäuschend verlaufen, urteilte denn auch der Vorsitzende des Bundeselternrats Stephan Wassmuth im Gespräch mit der WELT. „Offenbar ist kein Land darauf vorbereitet, wie man die zusätzlichen Mittel sinnvoll einsetzt.“ Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, forderte im selben Beitrag die Krise zum Anlass zu nehmen, die massiven Defizite im Bereich der Digitalisierung aufzuarbeiten. Vor allem gemeinsame digitale Lernplattformen sollten Bund und Länder zur Verfügung stellen. Sie seien in Krisenfällen wie Corona oder im Falle längerer Erkrankungen einzelner Kinder eine gute Ergänzung.
Ähnlich bewertete der Vorsitzende des Bayerische Philologenverbands, Michael Schwägerl, die Möglichkeiten digitaler Lernplattformen. Das Internetportal „mebis“ biete in Bayern die Möglichkeit, Schülerinnen und Schüler online zu erreichen, ihnen Materialien zur Verfügung zu stellen und mit ihnen zu kommunizieren. In Zeiten von möglichen Schulschließungen könne es den Lernprozess unterstützen, so Schwägerl und erklärte: „Wir sind vom Grundsatz her vorbereitet.“ Anna Hückelheim / Agentur für Bildungsjournalismus
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