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Aufstand gegen Gebauer: Schulen in Corona-Hotspots widersetzen sich Anordnung zu öffnen – Dortmund kündigt Schulschließungen an

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DÜSSELDORF. Die Kritik am Kurs von NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) verschärft sich – erstmals in der Corona-Krise haben sich offenbar Schulen ihrer Anordnung, Präsenzunterricht im Wechsel anzubieten, widersetzt. Die Stadt Dortmund zeigte heute zudem gegenüber der Landesregierung an, „dass wir  beabsichtigen, die Schulen morgen zu schließen. Jetzt warten wir mal auf die Antwort“, wie Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) ankündigte. Gebauer hatte die Anträge mehrerer Kommunen mit hohen Inzidenzwerten zurückgewiesen, die weiterführenden Schulen geschlossen zu halten.

Zu und Auf: NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP). Foto: Land NRW

Alle Schulen in Dortmund sollen ab dem morgigen Mittwoch wieder geschlossen werden. Das habe die Stadt ohne Abstimmung mit der Landesregierung beschlossen, berichtet der “Westfälische Anzeiger”. Dortmunds OB Westphal verkündete laut Bericht: „Wir sind der festen Überzeugung, dass es in diesem Moment überhaupt keinen Sinn hat, die Schulen zu öffnen. Deswegen haben wir den dringenden Appell an die Schulministerin, die Schulöffnungen und das Hochfahren des Präsenzunterrichts sofort zu beenden.“ In Dortmund ist der Inzidenzwert bis gestern auf 72 gestiegen (vor drei Tagen lag er noch bei 67). In fast der Hälfte aller Stadtbezirke liegt die Sieben-Tages-Inzidenz allerdings schon bei oder über 100 – in einem Fall sogar über 150, wie die “Ruhrnachrichten” berichten.

Angesichts dieser Infektionslage seien Schulschließungen aus der Sicht der Dortmunder Stadtoberhaupts die richtige Entscheidung – und angesichts des Stopps der Corona-Impfungen mit Astrazeneca, der viele Erzieher und Grundschullehrkräfte betrifft. Westphal: „Die Politik bricht sich keinen Zacken aus der Krone, wenn sie auf Entwicklungen reagiert, sie ist dann verantwortungsvoll.“ Mit Blick auf die Ausbreitung von Corona-Mutationen erklärte Westphal, dass sich Infektionen nicht nur schneller, sondern auch immer mehr unter jungen Menschen verbreiteten. Erst am Montag war der Präsenzbetrieb in den weiterführenden Schulen in Nordrhein-Westfalen wieder angelaufen.

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Unterdessen wurde bekannt, dass sich Schulen in von hohen Corona-Infektionszahlen betroffenen Städten seit gestern der Anordnung von NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) widersetzen, ihren Betrieb wieder auf Präsenzunterricht umzustellen – sie bleiben wie bisher im Distanzunterricht. Dies berichtet die „Rheinische Post“. Mehrere Schulleitungen in Wermelskirchen und Wipperfürth hätten entsprechende Entscheidungen getroffen. Ein Berufskolleg dort unterrichte – wie bislang – nur die Abschlussklassen in Präsenz. „Die Corona-Zahlen im Oberbergischen Kreis steigen weiter, in unserer Schule waren kürzlich eine Prüfungsklasse und ein Lehrer betroffen“, so sagte der Schulleiter dem Bericht zufolge. Er wolle keine weiteren Fälle riskieren und sowohl Lehrer als auch Schüler schützen.

Die Landesregierung hatte dem Oberbergischen Kreis zuvor untersagt, seine Schulen für den Präsenzunterricht geschlossen zu halten – wie in mehreren weiteren Kommunen, darunter dem Kreis Düren (News4teachers berichtete ausführlich darüber – hier). Es gebe derzeit keine Hinweise darauf, dass Schulen dort in besonderem Maß für das Infektionsgeschehen verantwortlich seien, verlautete aus dem Schulministerium. Schulschließungen oder die Einschränkung des Schulbetriebes kämen erst als letztes Mittel in der Pandemiebekämpfung infrage.

Nach den Daten des RKI vom Freitag liegt die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen im Kreis Düren bei 138,3. In der Stadt Düren liege der Wert aktuell bei rund 240. Etwa zwei Drittel der Corona-Neuinfektionen gehen nach Angaben des Kreises Düren hier bereits auf die zuerst in Großbritannien entdeckte Coronavirus-Variante zurück, die als noch ansteckender gilt.

Auch Eltern aus Nordrhein-Westfalen haben im Netz einen Aufruf gestartet, die Schulöffnungen zu boykottieren. Eine Initiative stellt einen Musterbrief im Netz parat, mit dem Schüler vom Präsenzunterricht abgemeldet werden sollen. Motto: „NRW-Eltern nehmen Corona-Notbremse selbst in die Hand“. (News4teachers berichtet über die Aktion – hier.)

“Es besteht die Gefahr, dass Infektionen ausbrechen und in die Familien getragen werden“

Kritik an Gebauer kommt ebenfalls von Lehrerverbänden. Die Rückkehr aller Schülerinnen und Schüler in die Schulen sei „ein riskantes Manöver, ein Schulstart unter diesen Voraussetzungen einer anlaufenden dritten Welle ist falsch“, erklärte GEW-Landesvorsitzende Maike Finnern.Schule ist wichtig als sozialer Ort und für Strukturen im Alltag. Aber die Landesregierung hat ihre Hausaufgaben angesichts der dritten Welle nicht gemacht. Jetzt für 10 Schultage wieder mit allen zu beginnen, birgt die Gefahr, dass Infektionen ausbrechen und in die Familien getragen werden.“

Gebauer streiche eigenmächtig einen Schwellenwert nach dem nächsten. „Nachdem die 50 als Inzidenzwert für weitere Öffnungen schon vor zwei Wochen gefallen ist, fällt jetzt erneut die dann aufgestellte 100 als Marke für das Zurücknehmen von Öffnungsschritten“. Finnern unterstrich: „Das geht so nicht und ist das Gegenteil von dem, was ich unter Verlässlichkeit und Planung verstehe.“ Wenn Kommunen sich an diesem Wert orientierten und die weiteren Öffnungen in Frage stellten, dann würden sie ausgebremst.

Die Landesvorsitzende des Philologenverbands, Sabine Mistler, forderte laut „Rheinische Post“ klare Regeln, wie die Schulen bei welchen Inzidenzen verfahren sollen. Aus ihrer Sicht steht der Nutzen der Öffnungen kurz vor den Osterferien in keinem Verhältnis zum Aufwand – manche Jahrgänge seien bis dahin lediglich an zwei Tagen in der Schule.

“Das ist völlig verantwortungslos, riskiert Leben, und führt unsere Notbremse bei Inzidenz 100 ins Absurde”

Die wichtige Kennziffer der Neuinfektionen je 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen ist in NRW auf 81,2 gestiegen, wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Montag mitteilte. Inzwischen sind bereits 14 Kreisfreie Städte und Kreise in NRW über der Marke von 100, darunter auch die Millionenstadt Köln. Die Länderchefs hatten bei ihrem Anfang März aufgestellten Fahrplan für Öffnungsschritte auch eine Notbremse eingebaut bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100. Ab dem Wert sollen in einem Land oder einer Region ab einer gewissen Zeit die strengen Regeln wieder in Kraft gesetzt werden, die bis zum 7. März galten.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach twitterte: “Düren ist meine Heimatstadt. Der Inzidenzwert liegt bei 240. Trotzdem erlaubt Landesregierung dem Kreis nicht, die Schule bis Ostern zu schliessen. Ohne jede Parteipolitik: das ist völlig verantwortungslos, riskiert Leben, und führt unsere Notbremse bei Inzidenz 100 ins Absurde.” In die gleiche Kerbe schlug Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands. Er befand: “Bundesländer, die auch bei regionalen Inzidenzen über 150 Präsenzunterricht ohne Mindestabstand und die erwähnten zusätzlichen Gesundheitsschutzmaßnahmen anordnen, handeln verantwortungslos.” News4teachers / mit Material der dpa

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