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Egal, wer Kanzler wird – an der Schulpolitik wird sich wenig ändern: Die Bildungsprogramme von SPD und Union im Vergleich

DÜSSELDORF. Obwohl Bildung Ländersache ist, widmen sich alle Parteien im Bundestags-Wahlkampf den Kitas, Schulen und Hochschulen mehr oder weniger explizit. Was sagen die Programme dazu? Was lassen sie vermissen? Wir haben bereits Analysen für die Aussagen von Bündnis 90/Die Grünen, der AfD, der FDP und der Linken veröffentlicht. Heute widmen wir uns abschließend der SPD und der Union. Bei beiden kommen Schulen nur am Rande vor. Das macht deutlich: Egal wer Kanzler wird, ob Olaf Scholz oder Armin Laschet – an der Bildungspolitik wird sich im Grundsatz wenig ändern.

Wer wird die Bundestagswahl gewinnen? Fest scheint schon jetzt zu stehen: Auf die Bildungspolitik wird sich das Ergebnis kaum auswirken. Foto: Shutterstock / Igor Link

Der vorletzte Bundeskanzler der SPD, Helmut Schmidt, hat einmal erklärt, „wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“. Daran hält sich seine Partei streng – jedenfalls was das Thema Bildung im Wahlprogramm angeht, das den Titel „Zukunftsprogramm“ trägt. Bildung kommt darin bezeichnenderweise fast nicht vor. Nur am Rande, im Kapitel „Gut aufwachsen“, gibt es ein paar Hinweise zu den bildungspolitischen Ideen der Sozialdemokraten, die ihren Ministerpräsidenten offenbar nicht das Hauptprofilierungsthema wegnehmen wollen. Ist das realistisch – schließlich ist die Bildung ja laut Grundgesetz tatsächlich Ländersache und gewählt wird nun mal der Bundestag – oder schlicht ambitionslos?

„Kinder und Jugendliche brauchen starke Familien. Sie brauchen Liebe, Zuwendung und viel gemeinsame Zeit. Die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft hängt davon ab, dass sich Menschen für Kinder entscheiden und sie auf ihrem Weg in ein selbständiges Leben bestmöglich begleiten. Die Vereinbarkeit von Familienarbeit und Beruf ist für viele noch immer ein täglicher Spagat – hier brauchen Eltern mehr Unterstützung“, erklärt die SPD.

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“Ganztagsschulen sind Lern- und Lebensorte, wo gute Chancen für alle ermöglicht und sichergestellt werden”

Rangiert also Betreuung vor Bildung? Der Eindruck kann entstehen – auch beim Thema Ganztag: „Ein gutes Ganztagangebot ist entscheidend für gleiche Chancen – und das muss für alle Kinder zur Verfügung stehen. Ganztagsschulen sind Lern- und Lebensorte, wo gute Chancen für alle ermöglicht und sichergestellt werden. Schule erreicht jedes Kind, unabhängig von seiner Herkunft“, so heißt es zwar. Betont wird aber auch: „Der Rechtsanspruch auf ein ganztägiges Bildungs- und Betreuungsangebot im Grundschulalter ist ein wichtiger Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit und zudem für viele Eltern der notwendige nächste Schritt in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, auf den sie dringend warten. Mehr als 70 Prozent wünschen sich ein solches Angebot für ihre Kinder.“ Das ist womöglich richtig, allerdings nichts Neues: Der Rechtsanspruch wurde kurz vor Ende der Legislaturperiode von der Großen Koalition noch beschlossen – dafür muss man also die SPD nicht wählen.

Ein grundsätzliches Bekenntnis zur Chancengerechtigkeit auch in der Bildung findet sich dann doch. „Wir werden dafür sorgen, dass alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von ihrer Herkunft die gleichen Chancen haben, das Bestmögliche aus ihrem Leben zu machen. Jedes Kind soll gut und geborgen aufwachsen und alle jungen Menschen sollen gut ins Erwachsenenleben starten“, schreibt die SPD.

Das hat für die Genossen aber ebensoviel mit staatlich verteiltem Geld zu tun wie mit Bildung. „Die Unterstützung von Kindern und Familien in Deutschland ist vielfältig. Aber genau dort, wo sie besonders gebraucht wird, kommt sie oft nicht an. Wir haben deshalb ein Konzept der Kindergrundsicherung entwickelt, das aus zwei zentralen Bereichen besteht. Zum einen aus einer Infrastruktur, die gerechte Bildung und Teilhabe für alle Kinder ermöglicht. Sie beinhaltet gute und beitragsfreie Kitas, ein Ganztagsangebot für Schulkinder, eine soziale Infrastruktur für Kinder und Jugendliche und freie Fahrt in Bus und Bahn im Nahverkehr sowie ein Recht auf Mobilität vor allem für den ländlichen Raum. Die Kindergrundsicherung besteht zum anderen aus einem neuen existenzsichernden, automatisch ausgezahlten Kindergeld, das nach Einkommen der Familie gestaffelt ist – je höher der Unterstützungsbedarf, desto höher das Kindergeld. Damit machen wir das Leben der Familien leichter, die es besonders schwer haben.“ Das war’s.

Fast jedenfalls: „Durch die Einschränkung des Präsenzunterrichts während der Pandemie droht sich die Verbindung von Bildungserfolg und Familienhintergrund zu verfestigen und Bildungsbenachteiligungen zu verstärken. Aus diesem Grund starten wir die Bundesinitiative Chancengleichheit in der Bildung. Durch ein Bundesprogramm für Schulsozialarbeit werden den Kommunen Mittel zur Förderung von Chancenhelfern an jeder Schule bereitgestellt.”

Was ist mit Kindern, deren Eltern ihren Beitrag nicht leisten? Für die hält die Union ein vages Versprechen parat

Das Wahlprogramm von CDU und CSU beinhaltet immerhin einen Punkt „Aufstieg durch Bildung“ – allerdings hat es auch bei der Union nicht zu einem eigenen Kapitel gereicht. Grundsätzlich gilt: „Damit jedes Kind seine individuellen Lebenschancen nutzen kann und das Zukunftsversprechen Aufstieg durch Bildung Bestand hat, müssen alle ihren Beitrag leisten: fürsorgliche und unterstützende Eltern, engagierte Erzieherinnen und Lehrkräfte, ermutigende und inspirierende Ausbilder und Professoren. Jedes Kind soll seinen Möglichkeiten entsprechend von Anfang an gefördert werden, gerade auch in sozial schwierigen Lagen.“ Und was ist mit Kindern, deren Eltern ihren Beitrag nicht leisten? Für die hält die Union ein vages Versprechen parat: „Der Grundstein für Aufstieg durch Bildung wird schon im frühen Kindesalter gelegt. Für uns gilt: Die Herkunft von Menschen darf nicht über ihre Zukunft entscheiden.“

Förderung ist für die Union tatsächlich vor allem Aufgabe der Kitas. „Wir werden die Einrichtungen der frühen Bildung zu qualitativ hochwertigen Bildungsorten weiterentwickeln und so einen zentralen Beitrag leisten, um Herkunft und Bildungserfolg zu entkoppeln.“ Und: „Wir werden den Erwerb der deutschen Sprache so früh wie möglich fördern, insbesondere durch verbindliche, fortlaufende und standardisierte Diagnoseverfahren. Ab einem Alter von drei Jahren kommen verbindliche Sprachstands-Tests mit qualitativ wirksamen Sprachförderangeboten für alle Kinder hinzu.“ Schulen kommen bei der Lösung des Problems nur am Rande vor – nämlich Brennpunktschulen. “Damit jedes Kind seine Chancen nutzen kann, wollen wir die Schulen vor allem in sozial schwierigen Lagen weiter stärken.“

“Kinder und Jugendliche zu selbstbestimmten und verantwortungsbewussten Persönlichkeiten heranbilden”

So ungenau im Detail CDU und CSU (außer bei der Sprachförderung für Kinder in Kitas) bleiben – als einzige der Bundestagsparteien benennen sie in ihrem gemeinsamen Wahlprogramm konkrete Bildungsziele: „Es ist die Aufgabe unserer Bildungseinrichtungen, Kinder und Jugendliche zu selbstbestimmten und verantwortungsbewussten Persönlichkeiten heranzubilden. Dazu benötigen sie Fachwissen und Kompetenzen genauso wie Wertebewusstsein und Urteilskraft. Hinzu kommen Team- und Kollaborationsfähigkeit, Resilienz, Kreativität, Forscher- und Gründergeist sowie problemlösungsorientiertes und kritisches Denken. (…) Neben den Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen benötigen die Schülerinnen und Schüler digitale Kompetenzen. Diese umfassen ein technisches und informatisches Grundverständnis ebenso wie Medienkompetenz. Dabei geht es insbesondere um die Fähigkeit, Medien zu nutzen, Inhalte sowie die Funktionsweise von digitalen Technologien und künstlicher Intelligenz zu bewerten.“

Weiter heißt es: „Wir werden die politische Bildung in allen Jahrgangsstufen der allgemeinbildenden und beruflichen Schulen stärken. Unsere rechtsstaatlich verfasste, freiheitliche, plurale und repräsentative Demokratie ist nicht selbstverständlich. Sie muss stets aufs Neue erlernt, gelebt und verteidigt werden. Dazu brauchen wir überzeugte Demokratinnen und Demokraten, die sich den komplexen Anforderungen der Welt im 21. Jahrhundert stellen.“

Helmut Schmidt stellte übrigens später klar, dass er seine Aussage zur medizinischen Behandlungsbedürftigkeit von politischen Visionen gar nicht so ernst gemeint hatte. „Es war eine pampige Antwort auf eine dusselige Frage“, erklärte er. News4teachers

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