WIESBADEN. Das Land Hessen und die Hector Stiftung II – benannt nach ihrem Gründer, dem Software-Milliardär Hans-Werner Hector – haben eine langjährige Kooperationsvereinbarung zur Zusammenarbeit in der Begabtenförderung für Grundschulkinder geschlossen. Hierbei geht es um die gezielte Unterstützung besonders leistungsfähiger Kinder der Jahrgangsstufen zwei bis vier. Kultusminister Lorz (CDU) meint: „Mit diesem einzigartigen Programm können wir unsere jungen Talente noch früher und umfangreicher fördern.“ Das wirft die Frage auf: Müssen Sponsoren jetzt für eine bessere Bildung in Deutschland sorgen?
Im Zentrum des hessischen Projekts stehen die sogenannten Hector Kinderakademien, von denen nun landesweit rund 100 entstehen sollen. Rund zehn Prozent aller jungen Schülerinnen und Schüler in den vorgesehenen Altersgruppen, die über ein hohes kognitives Potenzial und eine hohe Motivation verfügen, werden die besonderen Förderkurse besuchen können. Die übrigen Kinder gucken in die Röhre – für sie bleibt alles beim Alten, einschließlich Unterrichtsausfall und Lehrkräftemangel.
Die Vereinbarung ist für eine Laufzeit von zehn Jahren geschlossen worden. Die Stiftung will in dieser Zeit rund 20 Millionen Euro investieren – Geld, welches das Land offenbar nicht für Fördermaßnahmen an Schulen ausgeben möchte. „Ich freue mich sehr und bin dankbar über das Engagement der Hector Stiftung. Mit diesem einzigartigen Programm können wir unsere jungen Talente noch früher und umfangreicher fördern sowie deren individuellen Bedürfnissen in der Bildung gerecht werden “, sagt Hessens Kultusminister Alexander Lorz.
„Die Kinder werden von ihren Lehrerinnen und Lehrern für die Teilnahme an der Hector Kinderakademien empfohlen”
„Die Hector Kinderakademien haben sich zu einem Leuchtturmprojekt entwickelt, woraus unser Wunsch entstanden ist, über Baden-Württemberg hinaus, begabten und hochbegabten Kindern ein Förderangebot zu machen. Umso mehr freuen wir uns, dass nach konstruktiven Gesprächen im Hessischen Kultusministerium jetzt ein Kooperationsvertrag über die Errichtung und Implementierung der Kinderakademien in Hessen unterzeichnet werden konnte. Wir freuen uns sehr auf eine gute Zusammenarbeit“, sagt Hans-Werner Hector, der Gründer der Stiftung. Hektor ist einer der Gründer des Softwareunternehmens SAP. Er gilt als einer der reichsten Menschen Deutschlands.
Die Kinderakademien unterstützen besonders begabte und hochbegabte Kinder in Kursangeboten außerhalb des Unterrichts – allerdings durch Zutun des Staates: „Die Kinder werden von ihren Lehrerinnen und Lehrern für die Teilnahme an der Hector Kinderakademien empfohlen. Sind die Kinder einmal nominiert, können sie in der Regel bis zum Ende der vierten Klasse das Angebot der Hector Kinderakademien nutzen. Die Hector Kinderakademien und die Staatlichen Schulämter beraten und unterstützen die Schulen dabei, besonders begabte und hochbegabte Kinder zu entdecken, denn nicht immer spiegelt sich eine Hochbegabung in den Schulleistungen wider (sogenannte Underachiever). Schulen können zudem das Angebot der Schulpsychologischen Beratungsstellen nutzen“, so heißt es beim baden-württembergischen Kultusministerium.
Die Idee der Kinderakademien wurde im Jahr 2010 von der Hector Stiftung in Baden-Württemberg ins Leben gerufen, wo bereits in 68 Einrichtungen rund 23.000 Kinder über ein freiwilliges, zusätzliches Angebot gefördert werden. Das Kultusministerium hat sich verpflichtet, die Arbeit der Akademien zu koordinieren und administrative Unterstützung zu leisten. Das Land stellt darüber hinaus Anrechnungsstunden für die beteiligten Lehrkräfte zur Verfügung – die dann den Regelschulen fehlen.
Die Kurse sind auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler zugeschnitten und gehen über den regulären Unterrichtsstoff der Grundschule hinaus, wie es heißt. Sie bieten als Erweiterung des Ganztagesangebots Kurse zur Förderung in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) sowie im sprachlichen und künstlerisch-ästhetischen Bereich an. Darüber hinaus sollen die Kinder zu selbstständigem und entdeckendem Arbeiten angeregt und ihre Sozialkompetenz gefördert werden. „Das Programm möchte begabte Kinder und Jugendliche miteinander in Kontakt bringen und deren Interessen und Kenntnisse erweitern“, heißt es.
Bleibt eine Frage: Wer unterrichtet die Kinder denn eigentlich dort? In den Grundschulen herrscht doch Lehrermangel…
Wissenschaftlich begleitet wird das Programm vom Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt sowie dem Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung in Tübingen. Nach einer Übergangsphase zur Vorbereitung werden vom zweiten Halbjahr des kommenden Schuljahres an in Hessen schrittweise die ersten Kinderakademien in allen 15 Schulamtsbezirken zugelassen.
Bleibt eine Frage: Wer unterrichtet die Kinder denn eigentlich dort? In Hessen herrscht doch – wie in den anderen Bundesländern auch – Lehrkräftemangel insbesondere in den Grundschulen, wie Lorz bereits 2019 eingeräumt hatte („Also wir haben eine angespannte Situation. Wir stellen jede Grundschullehrerin und jeden Grundschullehrer ein, die wir finden können“).
Das baden-württembergische Kultusministerium erklärt dazu: „Die Kurse an den Hector Kinderakademien werden von internen oder externen Dozentinnen und Dozenten durchgeführt. Interne Dozentinnen und Dozenten sind Lehrkräfte von Grund-, Haupt-, Werkreal-, Realschulen, Gemeinschaftsschulen und Gymnasien. Externe Dozentinnen und Dozenten sind alle Personen, deren Vergütung auf Honorarbasis erfolgt. Die Geschäftsführung ist für die Gewinnung der Dozentinnen und Dozenten zuständig.“
Lehrkräfte, die an Regelschulen fehlen, unterrichten also an einer privaten Kinderakademie ausschließlich Hochbegabte? Das dürfte in so manchem Kollegium für Irritationen sorgen. News4teachers
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