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Bündnis von Lehrerverbänden und der mittelständischen Wirtschaft fordert mehr Leistungsdenken in Schulen

BERLIN. Deutschland fällt bei der Bildung zurück. Angesichts der jüngsten Ergebnisse der IQB-Studie, die diesen Befund nahelegen, fordert ein Bündnis von Lehrerverbänden und mittelständischer Wirtschaft die Politik auf, endlich zu handeln. Konkret: ein Prozentpunkt der Mehrwertsteuer zusätzlich für die Bildung aufzuwenden – und: Schülerinnen und Schülern mehr Leistung abzuverlangen.

Fehlt es an Leistungsdenken in der Schule? Foto: Shutterstock

„Wie viele Studien und Gutachten brauchen wir denn noch“, so fragt der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Martin Wortmann, Generalsekretär der „Bildungsallianz des Mittelstandes“, rhetorisch – und meint damit den aktuellen IQB-Leistungsvergleich, dem zufolge jeder fünfte Grundschüler nach vier Jahren nicht die Mindeststandards in Lesen, Schreiben und Rechnen erreicht. Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz stellte daraufhin in einem jüngst veröffentlichten Gutachten fest: „Der Grundschule gelingt es in vielen Fällen nicht, grundlegende Kompetenzen an alle Kinder zu vermitteln.“ (News4teachers berichtete.)

Das seien „alarmierende Befunde“, die als Weckruf verstanden werden müssten, so Wortmann. Er vertritt den Bundesverband Mittelständische Wirtschaft, der sich in der Bildungsallianz mit dem Realschullehrerverband VDR, dem Deutschen Philologenverband, dem Deutschen Lehrerverband sowie dem Bundesverband der Lehrkräfte für Berufsbildung (BVLB) zur „Bildungsallianz des Mittelstandes“ zusammengeschlossen hat. „Die nächste Pisa-Studie wird dramatische Ergebnisse haben”, sagt Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (und Vorstandsmitglied der Bildungsallianz).

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„Die Politik muss Bildung neu denken, die Bildungssysteme an die gesellschaftlichen Herausforderungen anpassen“

Weitere Mitglieder des prominent besetzten Vorstands des Bündnisses sind unter anderem VDR-Bundesvorsitzender Jürgen Böhm und Philologen-Chefin Prof. Susanne Lin-Klitzing. Auch im politischen Beirat des Bundesverbands Mittelständische Wirtschaft finden sich illustre Namen, darunter Ex-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour, Ex-Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne), der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff und Gregor Gysi (Linke).

Die Bildungsallianz stellt der deutschen Bildungspolitik nach eigenem Bekunden ein miserables Zeugnis aus. „16 Länder beschäftigen sich nun seit Jahrzehnten damit und schaffen es nicht, den Personalmangel zu bewältigen, Gebäude ausreichend zu erneuern oder zu sanieren, geschweige denn die Digitalisierung überhaupt auf einen angemessenen Stand zu bringen. Es ist an der Zeit, radikaler zu denken“, betont Wortmann. „Die Politik muss Bildung neu denken, die Bildungssysteme an die gesellschaftlichen Herausforderungen anpassen. Flickschusterei reicht nicht.“

Natürlich hätten sich die Rahmenbedingungen für Bildung in den vergangenen Jahren deutlich verändert. Gesellschaft, Umwelt, Technik und Technologie, Gesundheit, demografischer Wandel und Migration seien zentrale Themen, die es den Bildungseinrichtungen in ihren traditionellen und bürokratischen Strukturen schwer machen, richtig zu reagieren. Wortmann: „Das ist doch Grund genug, (Aus-)Bildung wieder in die Mitte der Gesellschaft, ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit zu führen.“ Nach seiner Ansicht benötigt das deutsche Bildungssystem eine komplette Revision. Es fehlten eine belastbare Finanzierung durch den Bund, gestaltende Eigenverantwortung der Schulen vor Ort, eine gezielte Orientierung der Ausbildung und Bildung an den realen Anforderungen sowie eine verbesserte praxisbezogene Ausbildung besonders für Lehrerinnen und Lehrer und grundsätzlich mehr Lehrpersonal, Schulpsychologen und Sozialarbeiter und Therapeuten.

Wortmann: „Dazu braucht es eine leistungsfähige digitale Infrastruktur für alle Bildungseinrichtungen und ihre Mitglieder und letztlich Gebäude mit qualitativ hochwertiger Labor- und digitaler Ausstattung, die einer hochentwickelten Industrienation auch entsprechen. Kurz: Nur eine ernstgemeinte nationale Bildungsinitiative wird unsere Schulen in eine erfolgreiche Zukunft führen.“

„Wir halten es für falsch, dass im kooperativen Bildungsföderalismus Leistungsgrenzen und -anreize nach unten verschoben werden”

Die Bildungsallianz fordert unter anderem, dass ein Prozentpunkt der Mehrwertsteuer in Deutschland zusätzlich in die Bildung fließt.Das wären 100 Milliarden Euro in zehn Jahren und der Start in eine wirkliche Bildungsdekade.“ Innerhalb der föderalen Strukturen müssten die Schulen darüber hinaus mehr Autonomie erhalten, um über ihre eigenen Finanzen zu entscheiden. Sie sollen Personal, Investitionen und Organisationsstrukturen planen können.

Der Leistungsgedanke müsse an Schulen wieder stärker betont werden. „Dazu brauchen wir klare Leistungskriterien für Übergänge und Anschlüsse im differenzierten Bildungssystem wie auch ein transparentes Notensystem. Wir halten es für falsch, dass im kooperativen Bildungsföderalismus Leistungsgrenzen und -anreize nach unten verschoben werden und dass in einigen Bundesländern sogar die Benotung abgeschafft wird.“ Lehrkräfte seien die wichtigsten Träger der Bildung, so heißt es. „Wir brauchen in Deutschland wieder mehr Respekt, Anerkennung und Wertschätzung gegenüber der Leistung von Lehrerinnen und Lehrern sowie Erzieherinnen und Erziehern.“ News4teachers / mit Material der dpa

Keine anspruchsvollen Bildungsziele mehr? Philologen-Chef fordert Rückkehr zum Leistungsprinzip an Schulen

 

 

 

 

 

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