BERLIN. “Die Zahl der schwereren Atemwegserkrankungen wie Grippe ist vier- bis fünfmal so hoch wie sonst” – heißt es aktuell unter Berufung auf Daten des Robert-Koch-Instituts. Schwer von der Welle betroffen sind vor allem Kitas und Schulen (News4teachers berichtete). Wie sehr Kinder und Jugendliche sowie Kita-Fachkräfte und Lehrkräfte unter der Situation leiden, machen Betroffenenberichte deutlich, die in den vergangenen Tagen im Leser*innen-Forum von News4teachers gepostet wurden. Wir haben einige gesammelt und hier noch einmal zusammengestellt, um die Dramatik der Lage, die vielerorts herrscht, anschaulich zu machen.
Rike: “Die aktuell kursierenden Viren träfen auf Immunsysteme, die durch Covid-19-Infektionen geschwächt worden seien, so lautet die Vermutung” (Zitat aus dem hier verlinkten Beitrag, d. Red.) – das ist auch meine Vermutung. Meine SuS hatten im August/Sep/Okt fast alle Corona, jetzt massenhaft krank mit einem fiesen Atemwegsinfekt mit hohem Fieber. Fehlen im Schnitt 2 Wochen. Mich hat es auch erwischt, war so krank wie gefühlt noch nie. Bin Grippe geimpft, hatte aber Corona im August und anschließend Gürtelrose. Früh Temperaturen um 40,3, mit IBU 600 um ein Grad gesenkt für wenige Stunden.
Schule im Normalbetrieb nicht möglich, Oberstufenklausuren mit zig Nachschreibern wegen Q3 Notenschluss noch irgendwie durchgezogen. Viele KA verschoben, aber Anfang Januar wird es nicht besser. Dann gleich wieder Notenschluss 1. Hj. Es ist eine ewige Tretmühle und sinnlose Hetzerei. Jetzt rächt sich der fehlende Infektionsschutz in den Schulen. Kitas sind sicher noch schlimmer dran.
“Die Kinder bleiben teilweise länger als 2 Wochen zu Hause und sind deutlich geschwächt, wenn sie wiederkommen”
Schade: Bei uns ist es ähnlich, wie Rike beschreibt (allerdings Grundschule). Jeden Tag kommen mehrere Vertretungspläne per Mail, die immer und immer wieder aktualisiert werden müssen. Bis alle Kinder der Klasse die Arbeit (nach-)geschrieben haben, vergehen i. d. R. zwei Wochen, von Referaten und Präsentationen ganz zu schweigen. Auf meinem Pult gerät der „das müssen kranke Kinder noch nacharbeiten“-Stapel gefährlich ins Wanken und die „Wer bringt wem die Hausaufgaben?“-Diskussion dauert deutlich länger als das Hausaufgabenbesprechen selbst.
Letztes Jahr wurden coronabedingt die Zahl aller Leistungsnachweise radikal gekürzt, dabei war es deutlich entspannter als jetzt. Die Kinder bleiben teilweise länger als 2 Wochen zu Hause und sind deutlich geschwächt, wenn sie wiederkommen. Im Unterricht stöhnt die Hälfte „nicht schon wieder!“ und die andere Hälfte „Hä? Versteh ich nicht“, egal bei welchem Thema, weil jeder an einer anderen Stelle Lücken hat.
Leseratte: Letztes Jahr hatten wir mit den Noten der 12er noch Zeit bis Januar, dieses Jahr ist Normalität befohlen und man hat extreme Mühe, alle Leistungsnachweise mit x Nachschreibern für wirklich jede Arbeit irgendwie hinzubekommen. Zurzeit fehlen viel mehr SuS als letztes Jahr um die Zeit. Meine OberstufenschülerInnen hatten alle mindestens einmal Corona, viele dreimal. Nun fehlen bis zu 40% in der Schule, und zwar einige schon die dritte Woche.
Catrin: Ich trage tatsächlich Maske seit bei uns die Infektionszahlen durch die Decke gehen und ich von Klasse zu Klasse wandere. Wenn Kinder fragen, warum ich die Maske trage, erkläre ich ihnen, dass ich sie nicht anstecken möchte, falls ich mich in einer anderen Klasse angesteckt haben sollte. Bisher waren die durch die Bank weg sehr dankbar. Was ich überhaupt nicht mehr verstehen kann, sind Eltern, die in dieser fragilen Krankenhaussituation ihre teils schon schwer kranken Kinder mit sämtlichen Symptomen in die ohnehin völlig ausgedünnten Klassen schicken. Sorge um den Arbeitsplatz darf nicht so weit gehen, andere Kinder und deren Familien bewusst oder ignorant zu infizieren. Und die K…- Pfützen der kleinen Fiebermäuse dürfen wir am Ende auch noch aufwischen.
Leseratte: Wie wäre es denn, in Anbetracht der massiven RSV-Welle, die ja vor allem Kinder trifft, mal wieder über zeitweise Maskenpflicht in den Schulen nachzudenken, um die Masse und das Tempo der Infektionen etwas abzubremsen… in der Schule erlebe ich täglich in allen Klassen bis in die Abiturstufe kranke SuS, die extrem husten, ständig Nase putzen und dabei sehr viel „herausholen“, sodass man schon starke Grippe, Corona und/ oder Probleme mit Nebenhöhlen vermuten könnte, SuS kommen mit Fieber in die Schule, weil sie nichts versäumen möchten (12. Klasse, Notenschluss 12-1 übernächste Woche), lüften sollen wir eigentlich nur noch in den Pausen. Ich lüfte trotzdem weiter mindestens alle 20 min, und es ist am Ende egal, ob die Ansteckung bei zahlreichen schon kranken Mitschülern erfolgt oder durch kalte Luft beim Lüften… Da durch RSV ja vor allem jüngere Kinder gefährdet sind, sollte man da für eine Verminderung der Ansteckungsgefahr sorgen. Aber es sollen ja nicht schon wieder die Kinder durch Schutzmaßnahmen leiden…. Das Leid der Kinder und Eltern in Anbetracht überfüllter Kliniken und weiter Fahr- bzw. Verlegungswege und die Hilferufe der Mediziner scheinen nicht wirklich zum Handeln zu veranlassen…
Realist: „Oder hat umgekehrt die Durchseuchung der Kinder mit dem Coronavirus deren Immunsystem derart geschwächt, dass sie jetzt anfälliger sind für weitere Infekte?“ (Zitat aus dem hier verlinkten Beitrag, d. Red.) Bei uns sind die Schüler auch gerade massenweise krank. Und mit Omikron sollte ein Großteil schon vor den Sommerferien Kontakt gehabt haben. Es gab ja schon zu Beginn der Pandemie, soweit ich mich erinnere, Hinweise, dass SARS-CoV 2 auch die T-Zellen angreift. Also doch kein „normales Erkältungsvirus“ wie uns einige immer wieder weis machen wollen. Und jetzt, in der typischen Erkältungszeit, kommt scheinbar die Quittung. War die „Durchseuchung“ vielleicht doch keine gute Strategie…
Marion: Bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass es besser ist, Erkrankungen zu vermeiden. Aber in den letzten Jahren, auch schon vor Corona, wollte man uns weismachen, dass es, vor allem für Kinder, regelrecht „gesund“ sein soll, sich möglichst oft mit allen erdenklichen Viren und Bakterien zu infizieren, weil das ja das Immunsystem trainieren würde. Als ich Kind war, galt die Regel: Erst nach drei Tagen fieberfrei wieder in die Schule oder den Kindergarten. Heute haben die Kinder an dem einen Tag Fieber und am nächsten Tag sind sie wieder da.
“In Wahrheit ist es doch so: Kranke Kinder sind im Weg. Sie hindern ihre Eltern am Arbeiten”
Gestern erst hab ich einer Mutter mitgeteilt, dass ihre Tochter die letzten Tage im Kindergarten immer sehr stark gehustet hätte und das war richtig heftiger, festsitzender, trockener Husten. Heute kommt die Nachricht: Der Kinderarzt hat gesagt, das wäre „ganz normaler“ Husten und das Kind könne wieder in den Kindergarten. Die Mutter selbst entschuldigte sich aber, dass sie nicht zum Elternabend kommen könne, weil sie jetzt denselben Husten habe wie ihre Tochter. Hä? Muss man das verstehen?
In Wahrheit ist es doch so: Kranke Kinder sind im Weg. Sie hindern ihre Eltern am Arbeiten und die Arbeitgeber können es partout nicht gebrauchen, dass ihre Leute erst ausfallen, weil sie selbst krank sind und dann nochmal, weil sie sich um ihre kranken Sprösslinge kümmern müssen. Da kommt es doch gelegen, wenn sich die Mär vom „Training des Immunsystems“ in der Gesellschaft breit macht. Das entlastet das schlechte Gewissen der Eltern, und es entlastet die unter chronischem Personalmangel leidende Wirtschaft. Wie die Kitas und Schulen mit dem fröhlichen Viren- und Bakterienwichteln klarkommen, ist doch schnuppe.
Es geht mir echt nicht ins Hirn rein, wie man ehrlich davon überzeugt sein kann, da es gut für die kindliche Gesundheitsentwicklung ist, wenn die sich ständig halb krank von morgens bis abends gegenseitig im Massenbetrieb anhusten, anniesen, sich den Rotz am Ärmel abwischen und das abgelutschte Spielzeug an den nächsten weiterreichen. Ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft. News4teachers
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„Hauptsache, die Kinder sind verräumt“: Was in unserer Gesellschaft schief läuft