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Der Bundeswehr geht der Nachwuchs aus – Linke sieht „immer aggressivere Versuche“, in Schulen zu werben

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STUTTGART. Verteidigungsminister Boris Pistorius will mehr Tempo beim Umgang mit Bewerbern für eine Ausbildung oder einen Dienstposten bei der Bundeswehr. Zudem müssten die Anstrengungen erhöht werden, um Frauen sowie Menschen mit einem Migrationshintergrund für die Streitkräfte zu gewinnen, sagte der SPD-Politiker bei einem Besuch in einem Karrierecenter der Bundeswehr in Stuttgart. Die Linken-Bundestagsfraktion kritisiert unterdessen „immer aggressivere Versuche“, in Schulen um Nachwuchs zu werben.

Der Bundeswehr fehlt Nachwuchs. Foto: Shutterstock

Pistorius forderte, in den Werbekampagnen ein realistischeres Bild der Bundeswehr zu zeichnen und nicht mit Action-Filmen zu werben – auch um Abbrecherquoten nach dem Dienstantritt zu verringern. Wichtig sei, „dass wir keine Mission-Impossible-Filmchen drehen darüber, was bei der Bundeswehr alles passieren könnte wie in Hollywood, sondern dass es ein realistisches Bild ist”. Hintergrund: Die Bundeswehr wirbt in sozialen Medien mit Dokusoaps (“Die Rekruten”), die wegen trivialer und stark beschönigender – mitunter unfreiwillig komischer – Inhalte in der Kritik stehen, um Schülerinnen und Schüler.

Die Zahl der Bewerber bei der Bundeswehr ist unterdessen weiter gesunken. Von Januar bis Ende Mai 2023 bewarben sich deutlich weniger Männer und Frauen für den Soldatenberuf als im Vorjahreszeitraum, wie der „Spiegel” unter Berufung auf einen Bundeswehr-Sprecher berichtete. Laut einer internen Tabelle des Wehrressorts bewarben sich dem Magazin zufolge bis Ende Mai dieses Jahres 23 414 Frauen und Männer. Das ist im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum 2022 ein Rückgang von rund sieben Prozent.

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„Wir haben beim Heer eine Abbrecherquote von 30 Prozent, das ist bekannt”

Pistorius machte deutlich, dass er auf eine Trendumkehr setze und Anzeichen dafür sehe. So gebe es zwar sieben Prozent weniger Bewerber als im Vergleich zum Zeitraum des Vorjahres, aber gleichzeitig 16 Prozent mehr Beratungsanfragen. Zu Interessenten müsse schnell Kontakt aufgenommen werden. Es dürfe dabei keine Nachlässigkeiten geben, denn junge Leute könnten unter einer Vielzahl von Angeboten auswählen. Pistorius: „Wir werden bis zum Jahre 2035 sieben Millionen weniger Erwerbstätige in den Altersjahrgängen haben, die wir bei der Bundeswehr brauchen. Das sind Zahlen, die die Gesellschaft, die die Volkswirtschaft Deutschlands insgesamt für Herausforderungen stellt, aber eben natürlich auch die Bundeswehr.”

Zudem gehe es darum, diejenigen zu halten, die sich für die Bundeswehr entschieden und den Dienst angefangen haben. „Wir haben beim Heer eine Abbrecherquote von 30 Prozent, das ist bekannt. Das hat viel mit Erwartungshaltung, mit Erwartungsmanagement zu tun, mit vielleicht falschen Vorstellungen, im Einzelfall auch mit Überforderung”, sagte Pistorius.

Völlig unterrepräsentiert seien zwei Gruppen. Frauen hätten im militärischen Bereich außerhalb des Sanitätsdiensts eine Quote von knapp zehn Prozent. „Das ist zu wenig. Im Übrigen wird das auch dem Anspruch der Bundeswehr nicht gerecht, eine Bürger-, eine Staatsbürgerinnen- und Staatsbürger-Armee zu sein.” Verstärkte Bemühungen müsse es auch um Menschen mit einem Migrationshintergrund geben. Pistorius: „Wir haben viele, viele Millionen Menschen in Deutschland, die in zweiter, dritter Generation hier leben, die eine Migrationsgeschichte haben, die den deutschen Pass haben und die wir nicht gewinnen derzeit für die Bundeswehr aus unterschiedlichen Gründen.”

Die Bundeswehr hat derzeit etwa 183.000 Männer und Frauen in Uniform. Erklärtes Ziel ist es, bis zum Jahr 2031 auf 203.000 Soldaten zu kommen. Pistorius hat an dieses ältere Ziel bereits ein Fragezeichen gemacht. Als ein Problem gilt auch der steigende Altersdurchschnitt der Soldaten, weil der Personalbestand teils nur mit der Weiterverpflichtung von Zeitsoldaten gehalten werden kann.

„Selbst in den Schulen, die eigentlich ein geschützter Raum sein sollten, wird Krieg als etwas Gewöhnliches und das Töten als Job unter vielen dargestellt“

Auch an Schulen wird die Bundeswehr als Arbeitgeber vorgestellt. Für den Zeitraum von Januar 2022 bis September 2023 fanden insgesamt 1.314 „Vorträge / Veranstaltungen von Karriereberaterinnen und Karriereberatern“ an deutschen Schulen statt bzw. waren geplant, wie die „Frankfurter Rundschau“ unter Berufung von Zahlen, die das Bundesverteidigungsministerium auf eine Anfrage der Linken-Fraktion meldete. Von Gesamt- und Mittelschulen bis Real- und Oberschulen sowie Gymnasien und Berufsschulen seien alle Schulformen der Sekundarstufe eins und zwei vertreten gewesen.

Zaklin Nastic, menschenrechtspolitische Sprecherin der Linken, sprach gegenüber der Zeitung von „immer aggressiveren Versuchen, unter Schülerinnen und Schülern zu rekrutieren“. Junge Menschen seien zwar „immer weniger dazu bereit, ihr Leben potenziell für sinnlose Kriege herzugeben“. Dennoch treibe die Bundesregierung „die Militarisierung der Gesellschaft“ weiter voran, sagt Nastic dem Berich zufolge. „Selbst in den Schulen, die eigentlich ein geschützter Raum sein sollten, wird Krieg als etwas Gewöhnliches und das Töten als Job unter vielen dargestellt.“

Die Wehrbeauftragte der Bundesregierung, Eva Högl (SPD), wies diese Vorwürfe zurück. Sie erklärte, es gehe um Aufklärung über die Arbeit der Bundeswehr. News4teachers / mit Material der dpa

Wehrbeauftragte Högl: Bundeswehr sollte Teil der Schulbildung sein – „auch kritisch“

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