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Tarifstreit: Was haben Lehrkräfte zu erwarten? Krach in Kiel um Beamtenbesoldung lässt nichts Gutes erahnen

KIEL. Die allermeisten der knapp 800.000 Lehrkräfte in Deutschland blicken – angesichts inflationsbedingter Reallohnverluste – mit Spannung auf die bevorstehenden Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder. Die betreffen zwar zunächst nur die Angestellten. Die Ergebnisse werden aber in der Regel dann auf die Beamtinnen und Beamten übertragen. In Schleswig-Holstein kocht unterdessen ein Streit um die Beamtenbesoldung hoch – die Verbissenheit, mit der dort gerungen wird, lässt nichts Gutes für die Tarifrunde ahnen.

“Das Wehklagen hat bereits begonnen”: Die Gewerkschaften erwarten einen harten Tarifstreit. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Da wird auf die Poststelle des Dienstleistungszentrums Personal (DLZP) des Landes Schleswig-Holstein einiges zurollen – schätzt die GEW. „Wegen der Sturheit der Landesregierung in Person von Finanzministerin Monika Heinold dürften sich im DLZP demnächst die Postkisten stapeln. Nach fruchtlosen Gesprächen mit der Finanzministerin haben der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften GEW, GdP und ver.di einen Aufruf an Beamt*innen und Versorgungsempfänger*innen in Schleswig-Holstein gestartet: Sie sollen Anträge auf amtsangemessene Alimentation stellen“, so erklärt die Gewerkschaft. Denn die Besoldung sei für das Jahr 2023 mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig. „Nur wer noch bis zum 31. Dezember einen Antrag stellt, kann seine Ansprüche sichern“, heißt es.

„Die Gewerkschaften hätten sich und dem DLZP den ganzen Ärger gerne erspart. Weil die Landesregierung aber auf stur geschaltet hat, bleibt uns nun nichts anderes übrig. Wir stellen unseren Mitgliedern Musteranträge auf amtsangemessene Alimentation bereit, damit sie zu ihrer verfassungsgemäßen Besoldung kommen“, sagte die GEW-Landesvorsitzende Astrid Henke. Die sich anbahnende Antragswelle habe sich die Landesregierung selbst zuzuschreiben.

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„Beamtinnen und Beamten dürfen von ihrem Dienstherren zu Recht erwarten, gemäß der Verfassung bezahlt zu werden“

Im Vorfeld des Aufrufes hatten sich der DGB und seine Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes um eine schriftliche Vereinbarung mit der Landesregierung bemüht. So wollten sie der Unsicherheit unter den Betroffenen begegnen. Die Landesregierung blieb jedoch dabei, erst im Jahr 2024 rückwirkend für das Jahr 2023 für eine verfassungskonforme Besoldung sorgen zu wollen. Zugleich erklärte sie, Anträge zu deren Überprüfung im Jahr 2024 nicht mehr zuzulassen.

Die GEW-Landesvorsitzende zeigte nach eigenem Bekunden „nicht das geringste Verständnis“ für diese Haltung der Landesregierung. „Verfassungsgemäße Besoldung ist kein Spielball. Beamtinnen und Beamten, Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger dürfen von ihrem Dienstherren zu Recht erwarten, gemäß der Verfassung bezahlt zu werden“, so Astrid Henke.

DGB und Gewerkschaften rufen jetzt zu Anträgen auf, damit ihre Mitglieder ihre individuellen Ansprüche wahren können. Ohne einen entsprechenden Aufruf wäre eine juristische Überprüfung der rückwirkenden Besoldungsgesetzgebung für 2023 nicht mehr möglich. Erst im kommenden Jahr wird sich zeigen, ob weitere juristische Schritte notwendig werden.

Der DGB hatte bereits im Juli von der Landesregierung zeitnahe Gespräche über die Beamtenbesoldung gefordert und vor einer Klagewelle gewarnt. Durch das Bürgergeld und die Anhebung der Sozialhilfe werde vermutlich schon in diesem Jahr das Mindestabstandsgebot in den untersten Besoldungsgruppen der Beamtinnen und Beamten nicht mehr eingehalten werden können, hieß es zur Begründung. Um die verfassungsgemäße Besoldung auch für 2023 zu gewährleisten, müsse es kurzfristig Gespräche geben.

„Hier muss schnell eine Lösung her”, sagte die DGB-Landesvorsitzende (und ehemalige GEW-Landesvorsitzende) Laura Pooth. „Uns gegenüber hat die Landesregierung betont, die verfassungsgemäße Beamtenbesoldung rückwirkend für 2023 bei der nächsten Anpassung der Besoldung und Versorgung zu verwirklichen.” Deshalb werde es die notwendigen Korrekturen absehbar erst im nächsten Jahr geben. „Dadurch geraten Beamtinnen und Beamte in einen Terminkonflikt, da sie ihre Ansprüche spätestens bis zum 31. Dezember 2023 beantragen müssen”, erläuterte Pooth. Im Falle einer Ablehnung der Anträge drohten langwierige und kostenintensive Gerichtsprozesse.

„Es dürfte im Interesse aller Beteiligten liegen, eine Antrags- beziehungsweise Klagewelle zu vermeiden”, meinte Pooth. „DGB und Landesregierung sollten sich schnell zusammensetzen und eine schriftliche Vereinbarung zum weiteren Umgang mit der verfassungsmäßigen Beamtenbesoldung treffen.” Darin könnten auch Eckpunkte der geplanten rückwirkenden Regelung für das Jahr 2023 aufgenommen werden.

Das Problem: Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold hält angesichts der zugespitzten Haushaltslage eine Dämpfung der Personalkosten für unvermeidlich. „Es wird eine Begrenzung von Personalbudgets geben müssen”, sagte die Grünen-Politikerin im August. Über die Dimension wollte sie wegen der laufenden Beratungen in der schwarz-grünen Koalition nichts sagen. „Wir sind im Kabinett in einer intensiven Debatte darüber, wie wir für 2024 die Lücke von rund einer halben Milliarde Euro schließen können.” Der Etatentwurf soll im Dezember stehen, nach der nächsten Steuerschätzung.

„Wir kommen aus drei Krisenjahren, sind mitten in einer Kriegssituation in Europa, haben eine hohe Inflation und eine schwierige Lage für die Wirtschaft”

Hintergrund: 35 Prozent der Ausgaben entfallen auf das Personal, das über Jahre aufgestockt wurde. Die Lage ist so fatal, weil zwei Negativfaktoren zusammenfallen: Die für 2023 erwarteten Steuereinnahmen sinken zum Vorjahr deutlich und Kosten steigen vor allem inflationsbedingt zum Teil dramatisch. „Die Lage ist so schwierig, wie ich sie in meiner elfjährigen Amtszeit und zuvor seit 1996 als Abgeordnete noch nicht erlebt habe”, sagte Heinold. „Wir kommen aus drei Krisenjahren, sind mitten in einer Kriegssituation in Europa, haben eine hohe Inflation und eine schwierige Lage für die Wirtschaft.” Das schlage direkt auf den Haushalt durch.

Die Schwankungen sind enorm. 2022 hatte das Land 1,3 Milliarden Euro mehr an Steuereinnahmen als geplant, und 2023? In den ersten sieben Monaten flossen 6,63 Milliarden Euro an Steuern in die Landeskasse, 676 Millionen weniger als im gleichen Zeitraum 2022. Allein im Juli gab es einen Rückgang um 162,8 auf 826 Millionen Euro. „Das sind extreme Entwicklungen mit großen Ausschlägen”, sagte Heinold.

Der Streit wirft einen Schatten auf die bevorstehende Tarif- und Besoldungsrunde im öffentlichen Dienst der Länder. Am 11. Oktober wollen die Gewerkschaften ihre Forderungen laut „Öffentlicher Dienst News“ auf den Tisch legen. Ab dem 26. Oktober werde dann über einen neuen Tarifvertrag für die Angestellten der Länder in der ersten Runde verhandelt. Verdi-Chef Frank Werneke erwartet schwierige Tarifverhandlungen. „Im Moment bin ich nur verhalten optimistisch”, sagte Werneke im August gegenüber der „Augsburger Allgemeinen”. Denn die Finanzminister der Länder hätten schon „das große Wehklagen” begonnen. „Diese Tarifrunde wird also kein Selbstläufer.” News4teachers

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