MÜNCHEN. Auffälliges Schülerverhalten wird von Lehrkräften im aktuellen Schulbarometer, News4teachers berichtete über die Studie, am häufigsten als schulische Herausforderung genannt. Auf Platz zwei folgen Arbeitsbelastung und Zeitmangel. Klar ist: Die Anforderungen sind in den letzten Jahren drastisch gestiegen, ohne dass es an anderer Stelle spürbare Entlastungen gegeben hätte – meint jedenfalls die GEW Bayern. Sie hat nun einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt, der für Abhilfe sorgen soll.
Florian Kohl, stellvertretender Vorsitzender der Bildungsgewerkschaft GEW Bayern und Mitglied im Hauptpersonalrat, stellt klar: „Ein Augen zu und durch und politische Schönfärberei funktionieren nicht mehr. Wir sehen bereits deutlich die Folgen des Bildungsraubbaus. Kindern fehlen am Ende der Grundschulzeit wichtige Kompetenzen, weil Lehrkräfte immer noch in der Regel auf sich alleine gestellt sind und zu wenig Zeit haben, sich intensiv um jedes Kind zu kümmern. Es braucht unbedingt Multiprofessionalität an allen Schulen, kleinere Klassen und mehr Zeit für Pädagogik.“
„Gerade jetzt zur Erkältungszeit ist die Situation an den Schulen schon immer sehr angespannt. Dies verstärkt sich natürlich noch durch den akuten Lehrkräftemangel. Dass Kolleg*innen zwei bis drei Klassen beaufsichtigen oder Klassen aufgeteilt werden, ist ja beinahe schon Alltag. Aber daraus entstehen zusätzliche Belastungen, an die wir uns nicht gewöhnen dürfen! Darunter leiden die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Lehrkräfte und die Unterrichtsqualität massiv. Das muss sich dringend ändern und da sehe ich das Kultusministerium in der Pflicht“, sagt Martina Borgendale, Vorsitzende des Landesverbandes.
In den schulischen Fachgruppen der GEW Bayern wurde das Thema intensiv diskutiert. Gemeinsam wurden 10 Punkte erarbeitet, die das schulische Personal entlasten und die auch ein Bild von einer zukünftigen, pädagogisch sinnvollen Schule zeichnen.
„Es geht nur im Team, nur mit Multiprofessionalität, nur mit kleineren Lerngruppen, es geht nur gemeinsam. Wir können Lehrkräfte und Kinder nicht mehr in ein Bildungssystem pressen, das offensichtlich nicht dem Wohl aller Kinder dient, sondern wir haben die Aufgabe, unser Bildungssystem an die bestehenden Herausforderungen anzupassen. Und die sind enorm, wenn man die aktuellen Krisen betrachtet. Wir können es uns nicht mehr erlauben, schulisches Personal zu verbrennen und die Bildung unserer Kinder und damit die Zukunft unserer Gesellschaft aufs Spiel zu setzen“, warnt Florian Kohl.
Martina Borgendale nimmt dafür die neue Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) in die Pflicht. „Wir wünschen einen guten Start und gehen gerne mit allen demokratischen Abgeordneten und mit dem Ministerium in einen konstruktiven Austausch. Die 10 Punkte und unsere Vorstellungen von einem nachhaltigen und zukunftsfähigen bayerischen Bildungssystem wären wichtige Themen zu Beginn der neuen Amtszeit.“ News4teachers
Der 10-Punkte-Plan der GEW Bayern sieht Folgendes vor (im Wortlaut):
- Reduzierung der Unterrichtspflichtstunden: Durch eine angemessene Verteilung der Unterrichtslast und die Begrenzung der wöchentlichen Unterrichtspflichtstunden können Lehrkräfte entlastet werden. Dies ermöglicht ihnen mehr Zeit für die Vorbereitung, Nachbereitung, die Organisation der Teamarbeit und die individuelle Förderung der Schüler*innen.
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Lehrpläne auf den Prüfstand: In Zeiten des immer schnelleren Wandels und des Fachkräftemangels gelingt es Schulen kaum noch, adäquat auf aktuelle Anforderungen zu reagieren. Unterrichtsalltag verkommt immer mehr zur Hatz durch Lehrpläne und Schulbücher. Schulen benötigen mehr Spielraum und Zeit für die pädagogische Ausgestaltung des Schullebens, Lehrkräfte Flexibilität bei der Unterrichtsgestaltung.
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Kleinere Lerngruppen: Kinder kommen mit unterschiedlichen Voraussetzungen in die Schule. Die Lernausgangslagen unterscheiden sich häufig extrem. Basiskompetenzen können nicht mehr vorausgesetzt werden. Differenzierung und Individualisierung sind in inklusiven Klassen Grundvoraussetzung dafür, dass alle Kinder bestmöglich lernen können. Das erhöht den Arbeitsaufwand von Lehrkräften enorm. Um effektiv arbeiten zu können, benötigt es deshalb unbedingt kleinere Lerngruppen.
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Unterstützung durch Fachkräfte: Die Bereitstellung von pädagogischen Fachkräften wie Sozialarbeiter*innen, Psycholog*innen, Sonderpädagog*innen und Therapeut*innen kann Lehrkräfte in der Betreuung und Förderung von Schüler*innen in ihren individuellen Bedürfnissen unterstützen.
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Zusammenarbeit in Teams: Die Förderung von Team- und Zusammenarbeit zwischen Lehr- und Fachkräften ermöglicht den Austausch von Kompetenzen, Ressourcen, Ideen und bewährten Methoden. Gegenseitige Unterstützung und das Aufteilen von Aufgaben können für Entlastung sorgen. Dafür benötigt es entsprechende Teamstunden.
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Entbürokratisierung des Schulalltags: Lehrkräfte erleben vor allem die angestiegene Verwaltungsarbeit als belastend. Die Dokumentationspflichten sind mitunter ausufernd. Lehrkräfte sollten beispielsweise nicht damit betraut werden, Impfpässe zu kontrollieren. Ein Verzicht auf die externe Evaluation in der derzeitigen Situation setzt zusätzliche Kapazitäten frei. Die Dienstliche Regelbeurteilung verursacht einen hohen Verwaltungsaufwand, ohne ihrem Anspruch gerecht zu werden, und sollte abgeschafft werden.
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Unterstützung durch Verwaltung: Die Bereitstellung von Verwaltungspersonal, IT-Fachkräften oder Assistenten, die im Schulalltag bei organisatorischen Aufgaben, der Dokumentation und der Kommunikation mit Eltern und Schüler*innen unterstützen, kann die Arbeitsbelastung verringern und mehr Zeit für die pädagogische Arbeit freisetzen.
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Einsatz von Technologie: Die Nutzung digitaler Tools kann Lehrkräften helfen, Aufgaben effizienter zu erledigen. Zum Beispiel können Schulmanager, Lernmanagement-Systeme, Online-Plattformen und automatisierte Übungs- und Bewertungstools die Vorbereitungszeit verkürzen und die Korrekturlast reduzieren. Digitale Tools können den Austausch und die Kommunikation in der Schullandschaft erleichtern. Auf eine potentielle Entgrenzung der Arbeitszeit ist vorbeugend durch entsprechende Dienstvereinbarungen zu reagieren. Entsprechende Schulungen müssen ohne zusätzlichen Zeitaufwand angeboten werden.
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Arbeits- und Gesundheitsschutz: Immer noch fristet der Arbeits- und Gesundheitsschutz in Schulen ein Schattendasein, obwohl Lehrkräfte in hohem Maße von psychosomatischen Erkrankungen bedroht sind. Regelmäßige arbeitsmedizinische Vorsorge und Maßnahmen gegen ermittelte Gefährdungen sind unabdingbar und benötigen entsprechende Expertise. Das Dienststellenmodell ist nicht geeignet, einen angemessenen Arbeitsschutz zu gewährleisten. Statt Schulleitungen in die Verantwortung zu nehmen benötigt es den Schulen zugeordnete Arbeitsmediziner*innen und Fachkräfte für Arbeitssicherheit.
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Anerkennung und Wertschätzung: Die Anerkennung der Arbeit von Lehrkräften durch das Kultusministerium und die Regierungen als Arbeitgeber sowie Eltern und die Gesellschaft insgesamt ist entscheidend, um ihr Engagement und ihre Motivation aufrechtzuerhalten. Die beste Werbung für das Lehramt sind zufriedene und motivierte Lehrkräfte! Zur Wertschätzung gehört es auch, alles dafür zu tun, dass Lehrkräfte ihre wichtige Arbeit unter bestmöglichen Arbeitsbedingungen erledigen können und Kinder dadurch bestmögliche Lernbedingungen erhalten.
Quelle: www.gew-bayern.de/aktuelles/detailseite/10-punkte-programm-zur-entlastung-der-lehrkraefte