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Auf verlorenem Posten? Kampf in (Lausitzer) Schulen gegen Rechtsextremismus

COTTBUS. Bundesfamilienministerin Paus ist in der Lausitz unterwegs, um sich darüber zu informieren, wie sich die Zivilgesellschaft gegen Rechtsradikale wehrt. Die Region ist nicht zufällig gewählt: Sie gilt als Hochburg des Rechtsextremismus – was Lehrkräfte unlängst zu einem Brandbrief über die Zustände in ihrer Schule veranlasste. Der Fall sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Paus informierte sich über Demokratiebildung in der Ausbildung zum Grundschullehramt. Und sie sprach mit Schülern, Lehrkräften und Eltern, wie die Schule im Kampf gegen politisch geschürte Menschenfeindlichkeit gestärkt werden kann.

Hält der Schutzschirm? Illustration: Shutterstock

Der Kampf gegen Rechtsextremismus beginnt bei den Sechs- bis Zehnjährigen. Demokratiebildung ist nach Worten der Präsidentin der Brandenburgischen-Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) eine zentrale Aufgabe des eingeführten Studiengangs zum Grundschullehramt. «Wenn Demokratiebildung in Schulen stattfinden soll, muss das Lehrpersonal entsprechend geschult werden», sagte Gesine Grande beim Besuch von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) in der Einrichtung. Die war in den vergangenen Tagen in der Lausitz unterwegs, um sich ein Bild davon zu machen, wie sich die Zivilgesellschaft gegen Rechtsextremismus in der Region stemmt.

Hintergrund des Besuchs an der BTU sind Forderungen von Vereinen und Bündnissen wie dem Bündnis «Schule für mehr Demokratie» nach einer verpflichtenden Demokratiebildung für die Lehramtsausbildung. Das fordern auch die beiden Lehrkräfte aus Burg, die rechtsextreme Vorfälle an ihrer Schule bekannt gemacht hatten. Die Lehrerin und der Lehrer hatten geschildert, wie sie täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert seien. Sie wurden danach von rechts angefeindet und verließen schließlich die Schule zum Sommer 2023 (News4teachers berichtete).

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Die Region, vor allem aber Cottbus gilt als Hochburg des Rechtsextremismus in Brandenburg. Am Wochenende waren auch in Cottbus und Spremberg auf Initiative von «#Unteilbar-Südbrandenburg» Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen, in Cottbus Tausende, in Spremberg etwa 350. Zeitgleich fand eine Kundgebung von Rechtsextremisten der Kleinpartei «Die Rechte» um den Neonazi Christian Worch statt. (Über die bundesweiten Proteste gegen die AfD berichtete News4teachers hier).

«Wir brauchen klare Kante gegen die Feinde der Demokratie (…), Prävention und Repression müssen Hand in Hand greifen»

Die Demokratiepädagogik an der BTU werde als Querschnittsthema im gesamten Studienablauf verstanden und durch Fachtage und Expertengespräche unterstützt, erklärte die BTU-Präsidentin der Bundesfamilienministerin. Das theoretische Studium werde von Praxiswochen begleitet, wobei sich der ganzheitliche Blick auf die Bildungsprozesse des Kindes richte.

Im Oktober haben 56 künftige Grundschullehrerinnen und -lehrer an der Brandenburgischen Technischen Universität am Standort Senftenberg in der Lausitz ihr Studium begonnen. Der Studiengang an der Universität bietet den Lehramtsstudierenden nach BTU-Angaben einen neuen Ansatz bei der Ausbildung. Sie sollen vom ersten Semester an parallel zu ihrer Ausbildung den Beruf an Partnerschulen in der Praxis erlernen. Die BTU hat mehr als 40 Prozent internationale Studierende und viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt.

Professorin Heike Radvan vom Fachgebiet «Methoden und Theorien Sozialer Arbeit, mit den Schwerpunkten Gemeinwesenarbeit und Rechtsextremismusprävention», betonte, wie wichtig Schulungen bei der Sensibilisierung im Kampf gegen Rechtsextremismus seien. Deshalb seien Fachtage, etwa zur rassismuskritischen Schulung und Demokratiebildung, Teil des Lehramtsstudiums, sagte die Forscherin am Dienstag.

Mit ihrem Team hat sie im Auftrag des Uni-Präsidiums ein Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus verfasst, um auch den Hochschulbetrieb selbst vor Einflussnahme antidemokratischer und extrem rechter Kräfte zu schützen. Dieses Handlungskonzept sieht als eine der ersten Maßnahmen die Einrichtung einer Monitoringstelle für Vorfälle von Diskriminierung und rechter Gewalt vor. Zudem sollen Verwaltung, Lehre und Studium dafür sensibilisiert werden.

«Wir brauchen klare Kante gegen die Feinde der Demokratie (…), Prävention und Repression müssen Hand in Hand greifen», so hatte Paus zuvor in Spremberg bei einem Gespräch mit Schülern, Lehrkräften und Vertretern der Bündnisse «Schule für mehr Demokratie» und #unteilbar Spremberg betont. Das bedeute auch, Menschen, die sich für Demokratie einsetzten, zu stärken.

Es gehe darum, nicht weg- sondern hinzuschauen und genau dort hinzugehen, wo Demokratie gefährdet sei und den Akteuren vor Ort den Rücken zu stärken, sagte Paus. Ihr Besuch in Spremberg komme auch nach den Veröffentlichungen des Medienhauses Correctiv und nach deutschlandweiten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus zum rechten Zeitpunkt.

Das Bündnis «Schule für mehr Demokratie» forderte dabei einmal mehr eine verpflichtende Demokratiebildung für die Lehramtsausbildung und auch mehr Sozialarbeiter*innen an Schulen. Zudem müsse es mehr Ressoucen geben, um sich vernetzen zu können. Auch die Ehrenamtler*innen vom Bündnis #unteilbar Spremberg wünschen sich mehr Unterstützung für ihre Arbeit, etwa bei Fortbildungsangeboten und Argumentationstraining für Schülerinnen und Schüler. Man wolle Mut machen für Andersdenkende. «Wenn wir das nicht machen, macht das hier keiner», sagte Gunther Müller vom Bündnis. Spremberger Lehrkräfte wiesen darauf hin, dass es zu wenig Raum für Politikunterricht an der weiterführenden Schule gebe. Auch fehlten Ressourcen für Freizeitangebote für die Schülerinnen und Schüler, das könnten die Lehrkräfte nicht leisten.

Die Bundesregierung gebe Rückendeckung, deshalb sei sie vor Ort, so Paus. «Mein Haus unterstützt Partnerschaften für Demokratie vor Ort». Sie nannte das Programm «Demokratie leben». Zudem gebe es das Bundesprogramm «Respekt Coaches», bei denen pädagogische Fachkräfte präventiv an Schulen im Land arbeiteten. Derzeit liefen im Bundestag auch die abschließenden Beratungen für das «Demokratiefördergesetz», das dem Bund ein Mandat dafür geben soll, sich verstärkt um die politische Bildung zu kümmern. Eine flankierende Offensive der Kultusministerinnen und Kultusminister in Sachen Demokratiebildung gibt es allerdings nicht. Der Eindruck drängt sich deshalb auf: Stückwerk. News4teachers / mit Material der dpa

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