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Söder fordert Eltern via “Bild” auf, gendernde Lehrkräfte dem Kultusministerium zu melden – GEW: “Massiv abstoßend”

MÜNCHEN. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat via „Bild“-Zeitung Eltern dazu aufgefordert, sich über Lehrkräfte, die „gendern“ bei der Schulleitung oder beim Kultusministerium zu beschweren. Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), zeigt sich entsetzt: „Denunziantentum fördern, geht gar nicht und geht an den echten Problemen an Schulen komplett vorbei“, sagt sie. Auch die GEW protestiert.

“Die sind rund um die Uhr im Einsatz und regeln die Probleme”: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) macht Druck auf Lehrkräfte. Foto: Shutterstock / photocosmos1

Die bayerische Landesregierung hat zum 1. April für Schulen, Hochschulen und Behörden ein sogenanntes „Gender-Verbot“ erlassen. Das Gendern mit Sonderzeichen ist für Staatsbedienstete dann ausdrücklich untersagt. Im „Talk“ der „Bild“-Zeitung erklärte Söder nun, an wen sich Eltern künftig mit entsprechenden Beschwerden richten sollen, sollten Lehrkräfte das Verbot missachten.

Es gebe „unterschiedliche Möglichkeiten“, sagte Söder wörtlich auf die Frage, wo sich Eltern beschweren könnten, wenn sie „einen Brief bekommen aus einer Schule und dann doch ein Lehrer gendert“. Der Ministerpräsident führte aus: „In der Schule, beim Schulleiter, beim Klassenleiter selbst oder auch beim Schulforum. Und wenn gar nichts geht, dann einfach eine E-Mail ans Kultusministerium schreiben, die sind rund um die Uhr im Einsatz und regeln die Probleme.“

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„Wenn wir jetzt auch noch anfangen, dass Eltern bestimmte Lehrkräfte wegen Formulierungen in Elternbriefen beim Kultusministerium melden – wo kommen wir denn da hin?”

„Jetzt reicht es dann langsam!“, meint Fleischmann. Für sie stimmen in der ministerpräsidialen Bildungspolitik mindestens die Prioritäten nicht, wie sie im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk klarstellt: „Wir haben einen eklatanten Mangel an Lehrkräften, der gesellschaftliche Zusammenhalt bröckelt immer mehr. Das sind die wichtigen Themen. Nicht, ob in einem Elternbrief ‘Schüler*innen’ oder ‘Schülerinnen und Schüler’ steht.”

Apropos Zusammenhalt: Fleischmann hatte kürzlich angesichts zunehmender Gewalt an Schulen einmal mehr klargestellt, dass Kinder „am Modell lernen“, sich dementsprechend eine Verrohung von Sprache und gesellschaftlicher wie politischer Diskurskultur negativ auf Schulen auswirkt. „Jetzt erleben Kinder und Jugendliche also das Modell Denunziantentum, das Eltern nach Söders Vorstellungen anwenden sollen. Einen solchen ‚Lernerfolg‘ kann niemand wollen“, so heißt es auf der Homepage des BLLV.

Fleischmann: „Wenn wir jetzt auch noch anfangen, dass Eltern bestimmte Lehrkräfte wegen Formulierungen in Elternbriefen beim Kultusministerium melden – wo kommen wir denn da hin? Ganz sicher nicht zu einer Kultur des Miteinander und gegenseitigen Vertrauens, das die Bildungsforschung immer wieder als unerlässlich für gelingende Bildung identifiziert.” An den Schulen vor Ort herrsche ohnehin nur noch Kopfschütteln über das, was da von oben diktiert wird, speziell bei jüngeren Kolleginnen und Kollegen, berichtet die BLLV-Präsidentin: „Die sagen zu mir: Jetzt sollen wir aufhören, so zu reden und zu schreiben, wie viele jüngere Menschen es gerade tun. Per Dienstanweisung. Das hat mit der Realität an den Schulen nichts zu tun.“

„Studierende finden das Gendern oft wichtig in einer offenen Gesellschaft und fordern auch am Arbeitsplatz persönliche Freiheiten ein“

Auch die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Martina Borgendale, zeigt sich verärgert. Abgesehen davon, dass der Ministerpräsident „hier mit Kanonen auf Spatzen schießt, finden wir diesen Aufruf zur Denunziation total daneben“, sagt sie dem Bayerischen Rundfunk. Dies sei auch „extrem unklug“, wenn man neue Lehrkräfte und Lehramtsstudierende gewinnen müsse. „Studierende finden das Gendern oft wichtig in einer offenen Gesellschaft und fordern auch am Arbeitsplatz persönliche Freiheiten ein.“ Wenn der Ministerpräsident nun dazu aufrufe, nicht konforme Lehrkräfte anzuschwärzen, „wirkt das massiv abstoßend“.

Borgendale verweist darauf, dass sich im Unterricht durch das Verbot nichts ändere. „Dort musste schon zuvor den Regeln der deutschen Rechtschreibung gefolgt werden.” Insofern wirke „Söders Jagd“ auf Gendersternchen in Elternbriefen vor allem populistisch und bemühe ein Randthema, das die AfD stark thematisiere.

Die AfD hatte vor einigen Jahren mit sogenannten „Meldeportalen“ versucht, Lehrkräfte unter Druck zu setzen. Eltern und Schüler*innen konnten dort anonym parteikritische Lehrerinnen und Lehrer bezichtigen, gegen das Neutralitätsgebot verstoßen zu haben (News4teachers berichtete). Nach einem Verwaltungsgerichtsurteil, in dem der fehlende Datenschutz moniert wurde, stellten die AfD-Fraktionen ihre Aufrufe zur Denunziation ein. News4teachers / mit Material der dpa

BLLV-Präsidentin Fleischmann: Coole Lehrkräfte sind diejenigen, die gendern

 

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