Ob eigenes fehlendes Fachwissen, Zeitmangel oder Streit beim Üben mit den Kindern: Im Verlauf der Schulzeit engagieren laut einer bundesweiten repräsentativen Forsa-Umfrage 22 Prozent der Eltern kostenpflichtige Nachhilfe für ihr Kind. Die repräsentative Erhebung wurde vom Nachhilfeanbieter «Studienkreis» in Auftrag gegeben (hier geht es zur Pressemeldung).
Kinder von Eltern mit einem Haupt- oder Realschulabschluss hatten dabei mit 25 Prozent etwas mehr Erfahrungen mit kostenpflichtiger Nachhilfe als Kinder, deren Eltern ein Abitur oder einen Hochschulabschluss besitzen (19 Prozent). Laut der Umfrage steigt der Nachhilfeanteil auf 37 Prozent, wenn die Kinder selbst Klasse 11 oder höher besuchen. Was die Studie unter 2002 deutschsprachigen Eltern zwischen 25 und 69 Jahren mit schulpflichtigen Kindern aber auch ergab: Das Haushaltsnettoeinkommen machte keinen Unterschied.
Das hängt laut «Studienkreis» möglicherweise auch damit zusammen, dass die Kosten für Nachhilfe seit 2011 über das staatliche Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) finanziert werden können, wenn Familien Transferleistungen wie Bürger- oder Wohngeld erhalten und die Lehrkräfte in der Schule die Förderung für nötig halten. Obwohl längst nicht alle Berechtigten ihren Anspruch abrufen, können viele Kinder heute dank BuT die Nachhilfe besuchen. Im «Studienkreis» beispielsweise liege der Anteil der BuT-geförderten Schülerinnen und Schüler inzwischen bei rund einem Drittel.
Dennoch glauben 69 Prozent der Befragten, das Nachhilfe vor allem Kindern aus wohlhabenden Familien einen Vorsprung verschaffe. Etwas mehr als jeder zweite Befragte (53 Prozent) sieht es so, dass professionelle Nachhilfe zu einer wichtigen Säule des Bildungssystems in Deutschland geworden ist. Und 48 Prozent sind davon überzeugt, dass Nachhilfe sogar die Folgen des Lehrermangels abmildern kann. Das Volumen des Nachhilfemarkts in Deutschland wird auf 1,5 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.
Befragt zu den Effekten, die die Nachhilfe gebracht hat, sehen 57 Prozent der Eltern, die Nachhilfe engagiert hatten, nicht nur bessere Noten. Bessere Lerntechniken bei ihren Schützlingen registrierten 34 Prozent, mehr Selbstbewusstsein 29 Prozent, jeweils 18 Prozent höhere Leistungsbereitschaft und mehr Freunde am Lernen.
Der Wunsch ist groß, dass diese Möglichkeit allen zur Verfügung steht: Eine deutliche Mehrheit von 88 Prozent der befragten Eltern ist der Ansicht, dass professionelle Nachhilfe allen Schulkindern unabhängig vom Geldbeutel der Eltern zur Verfügung stehen sollte.
In Hamburg ist das bereits so. Schülerinnen und Schüler, die die Mindestanforderungen in einem oder mehreren Fächern nicht erfüllen, erhalten dort in den Schulen kostenlos Nachhilfe von privaten Anbietern. Förderberechtigt sind nach Behördenangaben auch Kinder und Jugendliche, wenn eine Verschlechterung der Leistungen zu befürchten oder der Schulabschluss gefährdet ist.
Mehr als ein Drittel der Kurse (38,9 Prozent) entfielen auf das Fach Mathematik, gefolgt von Deutsch (37,2 Prozent) und Englisch (11,8 Prozent). Die meisten Kurse (44,8 Prozent) fanden an Grundschulen statt. Dahinter rangierten die Stadtteilschulen mit 36,6 Prozent und die Gymnasien mit 18,5 Prozent. Bemessen nach dem von 1 bis 6 reichenden Sozialindex fanden die meisten Nachhilfestunden (49,5 Prozent) an Schulen der Kategorie 1 und 2 statt, also solchen mit Schülerinnen und Schülern aus schwierigen sozio-ökonomischen Verhältnissen.
Eine unlängst veröffentlichte Studie zeigte auf: Im vergangenen Jahr hat mehr als die Hälfte der so in Hamburg geförderten Schülerinnen und Schüler dank der Nachhilfe doch noch die Kurve gekriegt (News4teachers berichtete). So erfüllten 55,6 Prozent der unterstützen Kinder und Jugendlichen in allen geförderten Fächern die Leistungsanforderungen, wie die Schulbehörde mit Blick auf eine Auswertung des Instituts für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ) mitteilte. Von den Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf in mehreren Fächern hätten 65,0 Prozent am Ende des Schuljahrs die Nachhilfe in mindestens einem Fach beenden können.
Das 20 Milliarden Euro schwere Startchancen-Programm von Bund und Ländern, das 4.000 Schulen an sozial besonders heraufordernden Standorten zugute kommen soll, dürfte dazu beitragen, dass künftig solche Gratis-Nachhilfe auch Kinder und Jugendliche andernorts erreicht.
«Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die die Mindeststandards in den Fächern Deutsch und Mathematik verfehlen, soll an den Startchancen-Schulen halbiert werden», so heißt es in einem Orientierungspapier des Bundesbildungsministeriums, das Schulleitungen erklärt, was sie mit den zusätzlichen Mitteln einkaufen dürfen. «Dazu bedienen sich Startchancen-Schulen geeigneter Programme und Maßnahmen zur Verbesserung, deren Wirksamkeit erwiesen ist. Sie setzen eine gezielte individuelle Diagnostik ein, die eine passgenaue und adaptive Förderung aller Schülerinnen und Schüler ermöglicht.» News4teachers / mit Material der dpa
Hier geht es zum Orientierungspapier des Bundesbildungsministeriums.
SPD fordert Rechtsanspruch auf Nachhilfe (ob von Tutoren oder Nachhilfe-Instituten)
