DÜSSELDORF. Rund ein Viertel der Menschen in Deutschland hat einen Migrationshintergrund. Das zeigt sich auch an den Schulen in Nordrhein-Westfalen – wo der Anteil der Schülerinnen und Schüler aus eingewanderten Familien auf einen Rekordwert geklettert ist, wie neue Daten zeigen. Der VBE betont die Bedeutung von Schulen als „Integrationsorte Nummer eins“.
Der Anteil der Schüler mit Zuwanderungsgeschichte ist in den vergangenen fünf Jahren in Nordrhein-Westfalen kontinuierlich gestiegen: von knapp 37 Prozent im Schuljahr 2018/19 auf 43 Prozent im vergangenen Schuljahr. Mehr als eine Million der insgesamt rund 2,5 Millionen Schülerinnen und Schüler, die eine allgemeinbildende oder berufliche Schule in NRW besuchten, hat ausländischen Wurzeln, wie das Statistische Landesamt mitteilte.
Wuppertal (58,6 Prozent) und zwei Städte im Ruhrgebiet, Duisburg (58,3 Prozent) und Gelsenkirchen (57,7 Prozent), hatten im Schuljahr 2023/24 die höchsten Anteile an Schülern mit Zuwanderungsgeschichte. Auch die Landeshauptstadt Düsseldorf (52 Prozent) und die größte Stadt des Landes, Köln (47 Prozent), verzeichnen hohe Quoten. Am niedrigsten lagen die in den ländlichen Kreisen Coesfeld (22,8 Prozent), Borken (26,8 Prozent) und Euskirchen (26,8 Prozent).
„Das Potenzial für nachhaltige Integrationsarbeit ist groß, doch vielerorts erschweren die Rahmenbedingungen in den Schulen diese wichtige Arbeit“
„Schulen vermitteln Wissen und verbinden Menschen. Sie sind für Kinder und Jugendliche die Integrationsorte Nummer eins. Hier entstehen multikulturelle Freundeskreise, die es sonst vielleicht nicht geben würde“, betont Anne Deimel, Landesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). „Das Potenzial für nachhaltige Integrationsarbeit ist groß, doch vielerorts erschweren die Rahmenbedingungen in den Schulen diese wichtige Arbeit. Die Kollegien wünschen sich Unterstützung, besonders durch zusätzliches gut ausgebildetes Personal und mögliche kleinere Klassenbildungen. Wer Schulen mit angemessenen Ressourcen ausstattet, trägt wesentlich zu einer gelingenden Integration bei.“
Dummerweise ist das in Nordrhein-Westfalen offensichtlich nicht der Fall: Das bevölkerungsreichste Bundesland schnitt unlängst im Bildungsmonitor, einer Vergleichsstudie der arbeitgebernahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), erneut schlecht ab. Unter den 16 Bundesländern hat Sachsen demnach weiterhin das beste Bildungssystem in Deutschland, NRW landet lediglich auf Platz 14, gefolgt nur noch von Brandenburg und Schlusslicht Bremen. Der INSM-Bildungsmonitor untersucht alljährlich anhand von 98 Indikatoren die Bildungssysteme der Bundesländer, die Bewertung erfolgt laut Autoren aus bildungsökonomischer Sicht (News4teachers berichtete).
Verbesserungsbedarf wird demnach für Nordrhein-Westfalen vor allem in den Handlungsfeldern Bildungsarmut, berufliche Bildung oder auch Internationalisierung gesehen. Beim Betreuungsschlüssel sehe es ebenfalls vergleichsweise schlecht aus: In den Grundschulen und den allgemeinbildenden Schulen der Sekundarstufe I – ohne Gymnasien – weise NRW die größten Klassen aller Bundesländer auf. So betrage die Klassengröße in Grundschulen im Durchschnitt 24,1 Kinder (2022). Im Bundesdurchschnitt seien es 21,3 Schülerinnen und Schüler. Die Schüler-Lehrer-Relation habe sich aber zwischen 2005 und 2022 an den Grundschulen von 21,2 auf 15,9 verbessert und liege damit fast im Bundesschnitt.
Bildungsausgaben liegen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt
Analysiert werden im Bildungsmonitor auch die Investitionen. Die öffentlichen Bildungsausgaben fallen in NRW in Relation zu den öffentlichen Gesamtausgaben im Vergleich der Bundesländer relativ gering aus. Für die Grundschulen errechnete die Studie Ausgaben pro Schülerin und Schüler von 7.300 Euro in NRW, der Bundesdurchschnitt lag bei 8.200 Euro. Stärken sieht der Monitor unter anderem im Bereich Digitalisierung.
Aus dem Schulministerium in Düsseldorf hieß es, der Bildungsmonitor 2024 basiere ganz überwiegend auf Daten aus dem Jahr 2022. Der Haushaltsentwurf für 2025 sehe für den Schuletat einen Anstieg auf 24,5 Milliarden Euro vor – ein Plus von zehn Prozent im Vergleich zu diesem Jahr, wie Schulministerin Dorothee Feller (CDU) betonte. Die Landesregierung setze bei Bildung einen klaren Schwerpunkt, habe für bessere Bezahlung von Grundschullehrkräften gesorgt und mit vielen Maßnahmen mehr Personal für die Schulen gewonnen.
Der VBE sprach hingegen von einem „Weckruf an die Landesregierung, in Bildung investieren zu müssen“. Vor allem im Bereich der Klassengrößen und bei den Bildungsausgaben pro Kopf müsse man aufholen. Der Co-Landesvorsitzende Stefan Behlau betonte: „Investitionen in Bildung sind Investitionen in die Zukunft und damit in den sozialen Zusammenhalt und den Wirtschaftsstandort NRW.“ Es sei fast schon „traurige Tradition“, dass NRW in Ländervergleichsstudien auf den hinteren Plätzen liege. Auch die GEW verlangte deutlich mehr Geld für die Bildung. Bei den angestrebten guten Lehr- und Lernbedingungen flächendeckend in NRW klafften Anspruch und Wirklichkeit oft weit auseinander.
Hintergrund: Als Personen mit Zuwanderungsgeschichte gelten in der Statistik Schüler, die im Ausland geboren und nach Deutschland zugewandert sind, sowie diejenigen, von denen mindestens ein Elternteil im Ausland geboren und nach Deutschland zugewandert ist und/oder deren Verkehrssprache in der Familie nicht Deutsch ist. Die Staatsangehörigkeit der Schüler ist dabei ohne Bedeutung. News4teachers / mit Material der dpa