BERLIN. Der Wunsch junger Menschen, in der Schule mehr fürs Leben zu lernen, ist groß. Aktuell verweist darauf die Jugendstudie des Bankenverbands. Demnach plädiert die große Mehrheit der Befragten dafür, dass Schule mehr Wirtschafts- und Finanzwissen vermittelt. Die Ergebnisse der Erhebung passen in eine Reihe weiterer jüngst veröffentlichter Studien, die mehr Lebensnähe fordern.
Erst am vergangenen Wochenende stellte der Bürgerrat Bildung und Lernen der Montag Stiftung Denkwerkstatt fast einstimmig die Forderung auf: „Wissensdurst wecken durch individuelles, lebensnahes Lernen“ (News4teachers berichtete). Geht es nach den Bürgerräten erhalten Schüler:innen die Möglichkeit, sich zwischen Wahlpflichtfächern zu Themen wie Finanzen, Gesundheit oder Recht zu entscheiden, die sie besser auf das Leben vorbereiten. Sebastian, ein 16-jähriger Bürgerrat aus München, brachte die Motivation hinter dieser Empfehlung auf den Punkt: „Man lernt in der Schule viel zu wenig fürs Leben. Dabei geht es um Dinge wie: Wie bewerbe ich mich auf einen Job? Wie suche ich eine Wohnung? Und was gehört eigentlich dazu, wenn ich mein Leben selbst organisieren muss?“
Wirtschaft und Finanzen stehen nur bei wenigen auf dem Stundenplan
Ähnlich lassen sich die Umfrageergebnisse der Jugendstudie des Marktforschungsunternehmens Kantar im Auftrag des Bankenverbands lesen: 92 Prozent der 700 Befragten 14 bis 24-Jährigen wünschen sich, dass Schule ihnen mehr Wirtschafts- und Finanzwissen vermittelt, 86 Prozent hätten dafür gerne ein eigenes Schulfach. Besonders das Thema „Umgang mit Geld“ – ausgewählt aus einer vorgegebenen Liste – sollte demnach im Unterricht einen höheren Stellenwert erhalten (78 Prozent), gefolgt vom Thema „Altersvorsorge“ (74 Prozent). Bislang erhält der Themenbereich Wirtschaft und Finanzen allerdings eher wenig Aufmerksamkeit im Schulalltag: Die Mehrheit gibt an, in der Schule „wenig“ oder „so gut wie nichts“ (jeweils 40 Prozent) dazu gelernt zu haben beziehungsweise zu lernen.
Zu vergleichbaren Ergebnissen kam zuletzt die Bertelsmann-Stiftung (News4teachers berichtete): Im Rahmen einer Befragung von mehr als 1.700 jungen Menschen im Alter von 14 bis 25 Jahren wünschten sich 78 Prozent mehr Wirtschaftsinhalte in der Schule. Besonderes Interesse besteht demzufolge für vier Themenbereiche: berufliche Weiterentwicklung (81 Prozent), Rente und Rentensystem (79 Prozent), Chancengleichheit in Bildung und Beruf (78 Prozent) sowie Work-Life-Balance (77 Prozent).
Die Mehrheit befürwortet Finanzbildung in der Schule
Davor zeigte der Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), dass nicht nur Jüngere Finanzbildung in der Schule befürworten. Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag des vzbv spricht sich die deutliche Mehrheit der Menschen in Deutschland ab 18 Jahren dafür aus (93 Prozent), dass Schüler:innen sich im Unterricht mit Finanzthemen beschäftigen (News4teachers berichtete).
Den Erhebungen lässt sich auch eine gewisse Notwendigkeit entnehmen, dass sich junge Menschen mehr mit dem Themenbereich Wirtschaft und Finanzen auseinandersetzen. Im Zuge der Bertelsmann-Umfrage gab beispielsweise die Hälfte der Befragten an, zu wenig zu wissen, um wirtschaftliche Nachrichten verstehen zu können. Die Jugendstudie des Bankenverbands zeigt einige dieser Wissenslücken. Zwar sind knapp drei Vierteln die Begriffe Inflationsrate (74 Prozent) und Aktie (73 Prozent) geläufig, doch nur wenige kennen die Institution, die in der Euro-Zone für Preisstabilität verantwortlich ist (35 Prozent) oder die aktuelle Höhe der Inflationsrate (18 Prozent).
Vor allem Mädchen und jungen Frauen fehlt Finanzwissen
Darüber hinaus zeigen die Befragungsdaten des Bankenverbands, dass die Wissenslücken bei Mädchen und jungen Frauen größer sind als bei den männlichen Befragten. Nur 24 Prozent von ihnen wissen, dass die Europäische Zentralbank (EZB), die Preisstabilität in der Euro-Zone verantwortet und 60 Prozent, was eine Aktie ist. Bei den Jungen und jungen Männern sind es 45 beziehungsweise 85 Prozent. Dazu passt, dass sich laut Bertelsmann-Studie junge Männer tendenziell eher für Wirtschaftsthemen interessieren als junge Frauen (63 Prozent gegenüber 44 Prozent).
Den Schulen jedoch die Verantwortung aufzulasten, diese Bildungslücken schließen zu müssen, lehnt der Bundesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Brand, entschieden ab. Bereits im Nachgang der Bertelsmann-Studie betonte Brand, dass Schule bereits viele Inhalte vermittle, die Jugendliche benötigen, um grundlegende Abläufe von Wirtschaft zu verstehen. Dazu gehören aus seiner Sicht Basisrechenoperationen wie der Dreisatz und Nachrichtenkompetenz. „All dies wird in Schule bereits vermittelt. Der Reflex, dass Lehrkräfte dieser Aufgabe nicht nachkommen, ist fehl am Platz!“ In diesem Zusammenhang forderte er die Schüler:innen auch auf, dieses in der Schule gelerntes Wissen zu übertragen und anzuwenden. „Wir erleben, dass Schülerinnen und Schüler häufig eine rezeptive Haltung einnehmen. Es bedarf aber einer Kraftanstrengung, am Puls der Zeit zu bleiben.“ News4teachers
Bürgerrat Bildung und Lernen fordert: „Wissensdurst wecken durch individuelles, lebensnahes Lernen!“
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