DÜSSELDORF. Der Philosoph und Bestseller-Autor Richard David Precht („Anna, die Schule und der liebe Gott“) hat massive Kritik an der Lehrerschaft in Deutschland geübt. „Der Beruf ist mittlerweile so dröge und formalisiert, dass oft nur die Leute davon angezogen werden, denen sonst nichts anderes einfällt“, sagte er in einem Interview der „Rheinischen Post“.
Der Philosophieprofessor, der in seinem jüngsten Buch eine Revolution in den Schulen fordert, sieht auch in der Lehrerausbildung eine Ursache für die seiner Ansicht nach unzureichende Bildung in den Schulen. „Die Lehrerausbildung ist hierzulande schlecht. Sie müssen als guter Lehrer gut unterrichten können, aber Sie müssen über Unterricht relativ wenig wissen. Wir produzieren viel zu viel Wissen, wie es geht, statt reines Können, wie man es macht“, sagte er.
Ein Großteil der Lehrerschaft kann laut Precht ersetzt werden – durch Praktiker aus anderen Berufen. „Und darum könnte man (..) bis zur Hälfte für die Arbeit an Projekten Menschen aus dem Leben anstellen – den pensionierten Physiker, der aus der Welt seines Berufslebens erzählt. Das heißt: Wir müssen die Trennung von Leben und Schule aufheben. Die Schulen müssen sich verändern, weil sich die Welt um sie herum radikal gewandelt hat. Schulen spielen mit Blick auf den Wissenserwerb eine viel geringere Rolle, weil die Möglichkeit der Wissensaneignung mit dem Internet um ein Vielfaches gestiegen ist. Wenn ich will, kann ich mich heute in jedes Fachgebiet einarbeiten. Dazu brauchen wir die Schulen zunehmend nicht mehr“, sagte der 48-Jährige gegenüber der „Rheinischen Post“.
Lehrpläne? “Langweiliger geht’s nicht”
Precht, dessen aktuelles Buch seit Monaten in den Bestsellerlisten geführt wird, übt darin eine radikale Kritik am deutschen Schulsystem. Er lehnt zum Beispiel Lehrpläne ab, „weil ich glaube, dass man zu planmäßig nicht lernen kann. Und ich glaube auch nicht, dass es die Aufgabe von Kultusministern ist, so minutiös vorzugeben, was Schüler zu lernen haben. Außerdem sind Lehrpläne so ambitioniert, dass sie ohnehin nie erfüllt werden können. Sie führen aber dazu, dass jedes Jahr die gleichen Bücher aus dem Regal gezogen werden – also immer die ,Judenbuche’. Langweiliger geht’s nicht.“
Der Professor kritisiert auch das bestehende Prüfungssystem. „In der Schule müssen Sie das Wissen erwerben, weil es in Tests und in Arbeiten abgefragt wird. Und sie müssen die Festplatte wieder freiräumen für das nächste, was dann kommt. Das Problem ist also nicht die Wissensfülle als Wissensfülle, sondern die fast schon militärische Vorgabe der Aneignung. Stöbern ist immer etwas Lustvolles; und genau das findet in den Schulen nicht statt. Beim Stöbern behält man vielleicht zehn Prozent, von dem, was an Wissen angeboten wurde; und nicht ein oder zwei Prozent, wie es heute leider der Fall ist“, sagte er gegenüber dem Blatt.
Sein Rezept? „Wenn man sich auf eine Schulform einigen würde und die Kultusminister ihre Kompetenz an die Schulen abtreten würden, dann gäbe es eine echte Chance. Plötzlich könnten Schulen das für sie Richtige entwickeln und werden sich zu Höchstleistungen aufschwingen“, sagte er in dem Interview. News4teachers

