Website-Icon News4teachers

Landtag stimmt zu: Jetzt tobt der Streit um „sexuelle Vielfalt“ im Unterricht auch in Niedersachsen

Anzeige

HANNOVER. “Sexuelle Vielfalt” wird – ähnlich wie in Baden-Württemberg geplant – künftig in den niedersächsischen Schulen zum Thema gemacht. Diesen Beschluss fasste der Landtag in Hannover am Montag nach einer emotionalen Debatte mit einer Mehrheit der Stimmen der rot-grünen Regierungsfraktionen und der oppositionellen FDP. „Es geht darum anzuerkennen, dass die Schule einen wichtigen Beitrag zu Offenheit und Toleranz gegenüber sexuellen Auffassungen und Identitäten leisten muss“, sagte Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD). Doch dagegen regt sich massiver Widerstand – nicht nur von der oppositionellen CDU.

Das Bild zeigt eine Szene aus einer Demonstration gegen “Sexuelle Vielfalt” im Unterricht am 28. Juni 2014 in Stuttgart.) Foto: Demo für Alle / flickr (CC BY-SA 2.0)

Nach dem Willen der rot-grünen Landesregierung sollen an niedersächsischen Schulen künftig die verschiedenen Formen von Sexualität thematisiert und behandelt werden – samt Fortbildungen für Lehrer, einer Auswahl von Schulbüchern, besonderem Aufklärungsunterricht, Anti-Mobbing-Konzepten sowie Referenten von Organisationen wie der Initiative SchLAu (SchwulLesbischeBiTransAufklärung) im Unterricht. Ziel sei, so Kultusministerin Heiligenstadt, alle Kinder und Jugendliche bei der Entwicklung ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität zu unterstützen und sie über Homo-, Bi-, Trans- und Intersexualität zu informieren.

Bereits vor gut drei Wochen hatten sich rund 1.000 Menschen zu einer “Demo für alle” vor dem Niedersächsischen Landtag versammelt, um – nach baden-württembergischen Vorbild – gegen die Pläne zu demonstrieren. In Stuttgart hatte es in den vergangenen Monaten mehrere Demonstrationen mit jeweils mehreren Tausend Teilnehmern gegen ähnliche Pläne der grün-roten Landesregierung (und fast ebenso vielen Gegendemonstranten dafür) gegeben.

Anzeige

„Homo-, Trans- und Intersexualität“ im Unterricht? Das birgt nach Meinung der Veranstalter und der Protestler ein großes Risiko. Sie fürchten, dass Eltern in der Aufklärung ihrer Kinder übergangen werden, dass den Jüngsten alternative Lebensweisen, die nicht dem traditionellen Familienbild aus Mann, Frau und Kindern entsprechen, aufgezeigt werden. Offiziell formuliert das konservative Bündnis das so: „Jede aktive Indoktrinierung der Kinder im Sinne des Gendermainstreaming, zum Beispiel durch Infragestellung der natürlichen Geschlechter und Familienbilder, muss gestoppt werden.” So steht es laut NDR auf einem Flugblatt, das unter den Demonstranten in Hannover verteilt wird.

Im Kultusausschuss des Landtags seien bereits mehr als 100 Seiten mit Stellungnahmen von Verbänden, Institutionen und Bürgern eingegangen, berichtet der NDR. So lehne der Verband der Elternräte der Gymnasien Niedersachsens den Vorstoß ab, weil dessen Umsetzung „zu einer Überbetonung des Themas und zu einer weiteren Überfrachtung des Schulalltags” führen würde. Schule solle zwar die Persönlichkeitsentwicklung frei von Diskriminierung fördern, dieses Ziel sei aber „nach unseren Erfahrungen weitestgehend erreicht”.

Die Lehrerschaft ist offenbar gespalten: Der Verband Niedersächsischer Lehrkräfte stimmt der Initiative zwar laut NDR im Grundsatz zu, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass es sich um eine „originäre Aufgabe des Elternhauses” handelt, Kinder aufzuklären. Dementsprechend hätten “Schule und Elternhaus hier gemeinsam zu handeln”. Gleichzeitig befürchtet der Verband eine weitere Belastung für die Lehrer. Sollte dem Antrag stattgegeben werden, müsse das Land Vorschläge machen, welche Themen dafür aus dem Unterrichtsplan gestrichen werden sollten. Die Niedersächsische Direktorenvereinigung wiederum sehe keinen Grund, den Lehrplan zu verändern. Fächer wie Biologie sowie Werte und Normen „böten genug Ansatzpunkte, um das Thema in angemessener Form anzusprechen”. Wenn das Thema Sexualerziehung über den “erreichten Konsens hinausgehend” behandelt werden solle, müssten auch die Eltern mit einbezogen und ihre Zustimmung eingeholt werden. Externe Referenten wie von SchLAu lehnt die Direktorenvereinigung grundsätzlich ab.

Das Kommissariat der katholischen Bischöfe Niedersachsens fordert „eine differenzierte Betrachtung” des Themas. Ebenso wie die CDU halten die Bischöfe es für unerlässlich, die Eltern beim Thema Aufklärung mit einzubeziehen und Referenten nur unter Aufsicht der Lehrer mit den Schülern sprechen zu lassen. Grundsätzlich solle „das Gewicht, das der Unterricht verschiedenen sexuellen Präferenzen gibt”, an der „tatsächlichen quantitiativen Verteilung beziehungsweise Häufigkeit orientieren”. News4teachers / mit Material der dpa

Zum Kommentar: Streit um „sexuelle Vielfalt“: Ein Scheinheiliger und viele Ideologen

Zum Bericht: Kulturkampf im Ländle um „sexuelle Vielfalt“ – Philologen-Chef gibt sich unschuldig

Anzeige
Die mobile Version verlassen