LÜBECK. „Nach dem Terroranschlag auf das Satiremagazin ‚Chalie Hebdo‘ und den vielen Demonstrationen der islamkritischen Pegida-Bewegung haben am Mittwoch rund 1.000 Schüler in Schleswig-Holstein ein Zeichen gesetzt“, so berichtete der NDR in der vergangenen Woche. „Jungen, Mädchen und Lehrer der fünf Europaschulen in Lübeck demonstrierten auf dem Klingberg für Meinungsfreiheit, Toleranz und Respekt.“. Doch: Wie frei waren die Schüler bei ihrer Demonstration für die Meinungsfreiheit? Offenbar empfanden viele Kinder und Jugendliche die Aktion als schulische Pflichtveranstaltung.
Die Schulen hätten „einen nicht unerheblichen Anteil von Migranten in ihrer Schülerschaft”, teilten die Europaschulen vergangene Woche in einer Pressemitteilung mit. Es sei den „Teilnehmern wichtig, nicht als Gegner einer Partei oder einer Bewegung, sondern als Befürworter der Werte und Rechte eines freien Europas aufzutreten”, hieß es weiter. Auch die „Lübecker Nachrichten“ berichteten über die Schüler-Demonstration. Und prompt kam auf der Facebook-Seite der Zeitung eine irritierende Diskussion in Gang. „Das war keine Demonstration. Das war eine Zwangsveranstaltung für uns Schüler“, schreibt ein Jugendlicher. „Ich musste da sein und meine Anwesenheit wurde überprüft. Für Religionsfreiheit und Vielfalt ‚demonstrieren‘ nach den Anschlägen ist doch nen Witz! Ich denke wenn es keine Pflicht gewesen wäre denn hätte man nur die Hälfte der Menschen dort angetroffen.“
„Das hat die Schulleitung so entschieden. Es wurde keine Möglichkeit organisiert, Unterricht zu machen“, so meint ein anderer Schüler. Ein dritter kommentiert: „Es war keine Demonstration, sondern es war eine Aktion von den Schulen (so wurde das uns gesagt). Lustig war es, dass wir spät informiert worden sind. Unsere Klasse erfuhr am Dienstag, ein Tag vor dieser Aktion, dass wir eine Art ‚Demo‘ haben werden. Freiwillig war das gar nicht: Wer nicht mitgegangen wäre, hätte dann einen ‚Strich‘ in der Anwesenheit bekommen und warum? Genau, war eine Schulveranstaltung. Im Klartext: Wenn Schüler gegen diese Aktion waren (jetzt nicht, weil sie gegen die Werte sind), wurden sie gezwungen hinzugehen.“
Die Leiter der fünf Europaschulen wiesen die Vorwürfe gegenüber den „Lübecker Nachrichten“ zurück. „Die Demonstration wurde als Schulveranstaltung ausgewiesen, damit die Beteiligten auf dem Weg versichert sind“, erklärte einer der Rektoren. Ohnehin seien nur die Schüler betroffen gewesen, die in der siebten und achten Stunde Unterricht gehabt hätten. Allen anderen habe die Teilnahme frei gestanden. An einer anderen Schule hieß es, die Eltern seien vorab informiert worden. Eine Entschuldigung sei möglich gewesen. Eine dritte Schule ließ erklären, sie habe an dem Tag den Unterricht nach der sechsten Stunde für alle beendet – entsprechend freiwillig sei die Teilnahme an der Demo gewesen. Zudem weisen dem Bericht zufolge alle Schulen darauf hin, dass es keine politische Veranstaltung gewesen sei, es also auch nicht um Meinungen ging. Es habe lediglich an die selbstverständlichen Grundwerte erinnert werden sollen.
Auch das sehen manche Schüler anders. „Ein Hoch auf die Freiheit!”, postet einer ironisch. Das schleswig-holsteinische Bildungsministerium will den Sachverhalt jetzt prüfen. News4teachers
Zum Bericht: Tausende kommen zu Anti-Pegida-Demos – GEW: Schulen sollen gegen Fremdenhass aufklären
