BERLIN. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnt davor, vollverschleierten Mädchen und Frauen den Zugang zum Schulunterricht zu erschweren. «Ein Verbot der Vollverschleierung ist der vollkommen falsche Weg. Wir dürfen Frauen nicht nur deswegen von Bildung ausschließen, weil sie Burka oder Niqab tragen», sagte Ilka Hoffmann vom GEW-Hauptvorstand der «Neuen Osnabrücker Zeitung». Schule sei für vollverschleierte Mädchen aus strengkonservativen islamischen Haushalten oft die einzige Möglichkeit, Kontakt zu Gleichaltrigen aufzunehmen. Die Nahost-Expertin Prof. Ulrike Freitag widerspricht.
«Im Unterricht kann sich das Selbstbewusstsein herausbilden, das nötig ist, um entgegen der Familientradition den Schleier abzunehmen», sagte Hoffmann. «Einen solchen Transformationsprozess müssen wir fördern, nicht behindern.» Anders sei es bei Lehrkräften, die vollverschleiert unterrichten wollen. «Lehrerinnen haben Vorbildfunktion und repräsentieren den Staat. Eine Burka oder ein Nikab geht da nicht», sagte Hoffmann, die bei der GEW für den Bereich Schule zuständig ist.
Die Nahost-Historikerin Prof. Ulrike Freitag findet es dagegen richtig, muslimischen Schülerinnen in Deutschland das Tragen eines Gesichtsschleiers zu verbieten. «In Schulen, Ämtern und vor Gericht hat er nichts verloren», sagte die Direktorin des Zentrums Moderner Orient (ZMO) in Berlin am Dienstag. Wenn eine Schülerin den Niqab vor männlichen Mitschülern und Lehrern nicht ablegen wolle, bleibe ihr immer noch die Möglichkeit, auf eine Mädchenschule zu wechseln.
Wer sich ein Leben ohne Burka oder Niqab nicht vorstellen könne, sollte ihrer Ansicht nach auch darüber nachdenken, sich vielleicht einen anderen Wohnort zu suchen. «Wenn man sich so stark abgrenzen muss, dann kann man sich in der Tat überlegen, ob man nicht irgendwo hingehen soll, wo das kulturell üblich ist», sagte Freitag. Bei Aufenthalten im Jemen und in Saudi-Arabien habe sie die Erfahrung gemacht, dass es in der Kommunikation einen großen Unterschied mache, ob das Gegenüber sein Gesicht hinter einem Schleier verbirgt.
Dass der Niqab in der arabischen Welt heute viel stärker verbreitet ist als noch vor 50 Jahren, führt die Wissenschaftlerin unter anderem auf das «allgemeine kulturelle Vorbild der Golfstaaten» zurück. Länder wie Saudi-Arabien, wo der Gesichtsschleier traditionell getragen werde, hätten aufgrund ihres Wohlstandes zuletzt enorm an Einfluss gewonnen.
Nach dem Willen der Unionsinnenminister sollen sich muslimische Frauen in deutschen Gerichten, Ämtern, Schulen oder im Straßenverkehr nicht mehr voll verschleiern dürfen. Am Montag hatte das Verwaltungsgericht Osnabrück ein Nikab-Verbot für eine 18-jährige muslimische Schülerin an einer Abendschule bestätigt. dpa
Zum Bericht: Niqab? Nein danke – Gericht bestätigt Verschleierungs-Verbot für muslimische Schülerin
