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Gegen Lehrer gerichtet? Ach wo – Interview mit dem Anwalt hinter “Was Lehrer nicht dürfen”

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DÜSSELDORF/HANNOVER. „Was Lehrer nicht dürfen“ heißt ein sehr erfolgreicher Ratgeber für Schüler, der von zwei Schülern und dem Hannoveraner Schulrechtsanwalt Rolf Tarneden geschrieben wurde. Das Buch polarisiert – in Fans und Gegner. Jetzt, nachdem sich das Werk zum Bestseller entwickelt hat, nahm es der renommierte Ullstein-Verlag in sein Verlagsprogramm. Gründe genug für uns, den Anwalt Tarneden zum Gespräch zu bitten.

N4T: Hinter dem Buch könnte man den Vorwurf vermuten, dass Lehrkräfte ihre Machtposition gegenüber Schülern ausnutzen. Empfinden Sie das so?

Tarneden: Ein Machtgefälle ist natürlich vorhanden. Aber wenn manche Lehrer glauben, das Buch „Was Lehrer nicht dürfen“ sei gegen Lehrer gerichtet, irren sie. Die Inhalte sind auch für Pädagogen interessant. Es geht um Grenzen, die es in jedem Beruf gibt und die überschritten werden, absichtlich oder unabsichtlich. Daraus ergeben sich Ungewissheiten, zum Beispiel die Frage nach dem Schmerzensgeld, wenn ein Schüler vom Reck fällt. Diese Fälle gibt es in jedem Arbeitsumfeld, vergleichbar mit dem Ausrutschen auf der Banane im Kaufhaus.

N4T: Wie und warum haben Sie sich entschieden, die Buchidee der Schüler zu unterstützen?

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Tarneden: Für mich war das ein Lebenstraum, ein Buch zu veröffentlichen und dann hat mich einer der Schüler immer wieder angerufen, um mich als Autoren zu gewinnen. Die Schüler haben mich beeindruckt mit ihrem Engagement, ihrer Idee und ihrer Hartnäckigkeit. Die Facebook-Seite (Anmerkung der Red.: Auf der Fragen gesammelt wurden) war eine Initiative der Schüler, das stand damals schon, Anfang 2015.

Nachdem ich im Anschluss an die Anfrage der Schüler recherchiert habe, fiel mir auf, dass Schüler kaum eine Lobby haben. Es gibt keine Rechts-Community oder gedruckte Rechteratgeber für Schüler. Und Schülervertreter sind keine echten Berater, weil sie abhängig sind von denselben Lehrern, mit denen sie möglicherweise Konflikte haben.

N4T: Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass die Rechtslage in jedem Bundesland anders ist und ihr Buch daher unnütz?

Tarneden: Ich behandele Fragen, die in jedem Bundesland gelten. Es geht um grundsätzliche Fragen wie Einsperren im Klassenzimmer, um Haftung bei schief gegangenen Turnübungen, um Zeugnisanfechtung. Das sind Fragen, die landesrechtlich nicht unterschiedlich behandelt werden. Was sich in NRW etwa in Paragraf 2 findet, steht in Niedersachsen in Paragraf 16.

N4T: Der Titel ihres Buches könnte man auch so verstehen, dass die Schule eine Kampfzone zwischen Lehrern und Schülern ist. Empfinden die Schülerautoren das so?

Tarneden: Mein Eindruck war, dass sie auf der Suche nach Antworten waren. Schüler suchen normalerweise Antworten im Internet. Aber dort findet man auf jede Frage mindestens zehn unterschiedliche Antworten, das kennen wir alle. Ich will differenziert Auskunft geben über die Rechtslage.

Wie etwa in dem folgenden Fall: Ein Schüler geht zum Rektor, weil ihm zu kalt ist im Raum, und bittet um eine höhere Heizungstemperatur. Nimmt der Rektor ihn nicht ernst, kann ihm das Gesetz hier weiterhelfen. Es gibt dazu eine Raumtemperaturregelung aus dem Lehrerschutzgesetz, die besagt, dass die Raumtemperatur 20 Grad betragen soll. Mit meinem Buch hat der Schüler ein solides Argument. Die Frage ist auch interessant für Lehrer, die ja auch über die alten Gebäude ächzen.

Rolf Tarneden ist Anwalt für Schulrecht. (Foto: privat)

N4T: Was wollen Sie mit dem Buch erreichen?

Tarneden: Es ist kein Tendenzbuch, ich würde den Lehrern dieselben Antworten geben wie den Schülern und ich wahre meine Grenze. Ich gebe keine pädagogischen Ratschläge. Ich möchte vielmehr die Diskussion über Konflikte versachlichen. Nirgendwo in dem Buch steht, stellt eine Strafanzeige oder verklagt den Lehrer. Stattdessen raten wir dazu, mögliche Probleme mit Eltern, Lehrern etc. zu besprechen.
Ich habe das Buch auch nicht geschrieben, um mehr Mandanten zu haben. In meiner Kanzlei geht es eher um andere Fälle, immer Einzelfälle. Meine Erfahrung ist, im Großen und Ganzen funktioniert der Ausgleich zwischen den Parteien im Bildungssystem. Aber an Schnittstellen kann Streit entstehen. Ich hatte beispielsweise Eltern hier, die wurden vom Elternsprechtag ausgeschlossen. Als Einzige. Dagegen haben wir geklagt und Recht bekommen. Das Gericht entschied, dass ein Ausschluss nur möglich ist, wenn Eltern den Sprechtag missbrauchen, etwa um den Lehrer zu beschimpfen.

N4T: 230.000 Gefällt-Mir-Klicks. Waren Sie vom Erfolg der Buchidee überrascht?

Tarneden: Ich bin angenehm überrascht, aber ich hatte die Erfolgsaussichten schon als ganz gut eingeschätzt. Die Facebook-Community bestand ja schon aus 100.000 Likes, als die Schüler mich angefragt haben.

N4T: Wie haben Sie die 50 Fragen, die ins Buch kamen, ausgewählt?

Tarneden: 30 Fragen kommen von den Schülern aus der Community, 20 sind aus meiner beruflichen Praxis. Die Themenbereiche Handy und Trinken im Unterricht sind typische Schülerfragen. Muss ein Lehrer mein Handy ersetzen, wenn er es kaputt macht? – Auf so etwas wäre ich nie gekommen.

N4T: Nicht alle Lehrer sind begeistert über das Buch, wie man an den Kommentaren im Internet sieht. Was sagen Lehrer Ihnen über dieses Buch?

Tarneden: Die Lehrer aus meinem Bekanntenkreis interessieren sich auch für diese Fragen und finden den bewusst einfach gehaltenen Schreibstil gut. Mir wurde schon vorgeschlagen, das Buch auch für Lehrer zu schreiben. Haftungsfragen sind für Pädagogen besonders von Interesse.

Die Fragen stellte Nina Braun (ursprünglich erschienen am 19. Dezember 2015; akutalisiert am 23.8.2016)

Zum Bericht: Suchen “Was Lehrer nicht dürfen” – fragwürdiger Ratgeber entwickelt sich zum Bestseller

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