Ein Kommentar von News4teachers-Herausgeber ANDREJ PRIBOSCHEK
In der Volkswirtschaftslehre gilt das Friseur-Handwerk als klassisches Beispiel dafür, dass – trotz freien Marktes – ein Wettbewerb nicht immer so recht in Gang kommen will. Wenn sich nämlich alle Anbieter bei Preis und Leistung am jeweiligen Konkurrenten orientierten, entsteht ein unausgesprochenes Kartell, in dem sich gemütlich Profite erzielen lassen – zu Lasten der Verbraucher. So ist es zum Beispiel möglich, dass Frauen überall einen Zuschlag fürs Haareschneiden bezahlen müssen, ohne dass auch nur ein einziger Friseur den Damen mal ein ebenso günstiges Angebot wie den Herren machen würde und damit den Markt in Bewegung brächte. Gemütlich ist‘s halt leichter.
Das gilt auch für die KMK. Den öffentlichen Schulen der Länder kann die „Kundschaft“ (also Eltern und Schüler) ja kaum laufen gehen – also braucht sich auch kein Kultusminister ein Bein auszureißen, das Angebot zu verbessern. Allenfalls die Landtagswahlen und die mittlerweile gereifte Erkenntnis, dass sich diese mit einer unpopulären Schulpolitik durchaus verlieren lassen, stören die Ruhe. Solange aber letztlich alle potenziellen Regierungsparteien mehr oder weniger die gleichen Schwierigkeiten in ihren Hoheitsbereichen haben, beschränkt sich der Wettbewerb auf punktuelle und von Eltern wahrnehmbare Themen wie G8 oder Unterrichtsausfall. Die großen Probleme, die Schulen tatsächlich täglich vor neue Herausforderungen stellen, bleiben außen vor.
Das sind: die Inklusion, die Integration (der Flüchtlingskinder) sowie zunehmend der Lehrermangel. Alle drei Themenfelder betreffen Schulen bundesweit, und trotzdem wurschtelt jedes Bundesland allein vor sich hin, um den gewaltigen Herausforderungen zu begegnen. Das gilt übrigens auch für die Digitalisierung der Schulen. Beispiel Lehremangel: Wie kann es sein, dass jedes Bundesland den künftigen Bedarf an Pädagogen für sich selbst definiert und entsprechende Kapazitäten an den Hochschulen schafft (oder eben nicht – und sich im Zweifel darauf verlässt, dass die anderen Länder schon genügend Lehrer ausbilden werden)? Das Ergebnis lässt sich aktuell am Frankfurter Hauptbahnhof betrachten: Dort, also in Hessen, wirbt Berlin mit einem Riesenposter um Grundschullehrer. Dabei hat Hessen für sich selbst schon nicht genug.
Was endlich nottut: dass der Bund seine Richtlinienkompetenz auch in der Bildung wahrnimmt und bei bundesweit relevanten Schulthemen die Richtung vorgibt. Was bedeutet Inklusion und wie muss sie – mindestens – personell ausgestattet sein? Wie und mit welchen Ressourcen ist der Sprachenunterricht für Flüchtlingskinder zu organisieren? Wie groß ist überhaupt der künftige Lehrkräftebedarf in Deutschland? Zu solchen Fragen muss das Bundesbildungsministerium endlich Stellung beziehen. Berlin darf dann gerne auch Mittel für die umzusetzenden Maßnahmen bereitstellen. Steuereinnahmen gibt es ja derzeit genug.
PISA und Co.
Noch ein Wort zu den Lehrerverbänden und ihrer Kritik an Vergleichsstudien der empirischen Bildungsforschung. Die große Resonanz auf die heute erschienene IQB-Untersuchung zeigt doch deutlich, warum wir solche Vergleiche brauchen: nicht um Lehrer zu kritisieren (die brauchen sich den Schuh weißgott nicht anzuziehen) – sondern um den Kultusministern Beine zu machen. Ohne dass mal jemand Probleme im Schulsystem deutlich benennt, bewegt sich nämlich gar nichts.
