BERLIN. Ärztepräsident Dr. med. Klaus Reinhardt hat eine möglichst lückenlose Grippe-Impfung für Erzieher und Lehrer gefordert. Eine mögliche Grippewelle dürfe den Betrieb von Kitas und Schulen nicht gefährden, sagte Reinhardt vor dem Hintergrund der monatelangen Schulschließungen und mit Blick auf die bevorstehende Influenza-Saison. Auch Kinder sollten gegen die Grippe geimpft werden, empfahl der Mediziner. Eine solcher Schutz könne womöglich auch widerstandsfähiger gegen Corona-Infektionen machen.
„Die Grippewelle darf nicht den Betrieb von Kitas und Schulen gefährden“, sagte Reinhardt gegenüber der Funke Mediengruppe wörtlich. „Es ist deshalb wichtig, dass möglichst viele Kinder gegen Influenza geimpft werden. Genauso wichtig ist aber auch der Schutz des Personals: Erzieher und Lehrer sollten so umfänglich wie möglich gegen Grippe geimpft werden. Nur so kann das gesamte System Schule geschützt werden.“
Die Grippewelle könnte allerdings nach seiner Ansicht wegen der Corona-Hygienregeln harmloser verlaufen als in früheren Jahren. «Durch die Corona-Routine, also durch häufiges Händewaschen, Maskentragen und Abstandhalten, werden Infektionen insgesamt reduziert», sagte der Präsident der Bundesärztekammer.
Zudem könne eine Grippeimpfung einen positiven Effekt auf das Corona-Risiko haben. «Jede Impfung ist ein Trainingsprogramm für das Immunsystem. Die Grippeschutzimpfung führt zwar nicht zu einer spezifischen Immunisierung gegen das Corona-Virus, kann aber das Immunsystem so stärken, dass eine Infektion harmloser verläuft», so Reinhardt. Umgekehrt sind aber auch sogenannte Co-Infektionen möglich. „Wer an Corona erkrankt ist, kann auch nachträglich an Influenza erkranken und umgekehrt“, so hatte Reinhardt erst unlängst erklärt.
Noch im Januar zog eine Grippewelle heran – mit ersten Schulschließungen
Tatsächlich gab es in den vergangenen Jahren immer wieder heftige Grippewellen, die Schulen komplett lahmlegten. Noch am 23. Januar meldete News4teachers: „Während ein neuer Erreger aus China für Aufregung sorgt, ist hierzulande die Grippewelle losgerollt. Gestern kam eine Meldung aus Bayern, wonach die Grundschulen in den Nachbarorten Weßling und Oberpfaffenhofen bis Ende der Woche geschlossen werden mussten – Dutzende von Schülern und Lehrern sind erkrankt. Bundesweit wurden bereits 15 Ausbrüche in Kitas gemeldet.“ Der „neue Erreger aus China“ war das Coronavirus, und die heraufziehende Grippe-Welle wurde mit dem Corona-Lockdown beendet.
So empfehlen Experten wie die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) schon seit Jahren Grippeschutzimpfungen für Erzieher und Lehrer. In beiden Berufen hätten Mitarbeiter viel Kontakt zu ungeimpften Kindern und Jugendlichen, was sie selbst – aber auch die jungen Menschen – gefährde. Bei jungen Leuten sei verlaufe eine Grippeinfektion häufiger als bei Erwachsenen besonders schwer.
Nach RKI-Schätzungen werden im Verlauf von Grippewellen 5 bis 20 Prozent der Bevölkerung angesteckt. Mehrere Zehntausend Tote bei heftigen Wellen werden angenommen – meist sind Senioren betroffen, die das höchste Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben. Die Schwere der Welle schwankt von Jahr zu Jahr.
Die Grippe-Schutzimpfung muss jedes Jahr erneuert werden
Das Wetter kann die Übertragung nach RKI-Einschätzung indirekt beeinflussen. Bei sehr kaltem Wetter hielten sich Menschen länger in geschlossenen Räumen auf und trockene Heizungsluft könne die Schleimhäute der Atemwege unter Umständen infektionsanfälliger machen. Auch könnten die Tröpfchen, die von Kranken ausgehustet werden, bei Kälte länger in trockener Raumluft schweben und damit über etwas größere Distanzen auf die Atemschleimhäute anderer Menschen gelangen.
Die Oberflächenstrukturen von Influenzaviren ändern sich von Jahr zu Jahr, wie der Direktor der Klinik für Pneumologie der Medizinischen Hochschule Hannover, Tobias Welte, erläuterte. Für das Immunsystem bedeutet das wechselnde Herausforderungen. Auch der Impfstoff muss jährlich an die veränderten Strukturen angepasst werden – Monate vor Saisonbeginn gemäß Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Ein Piks alle zehn Jahre wie bei manch anderer Impfung ist bei Influenza daher nicht möglich.
Wiederholt war jedoch der Schutz, den die Impfung bot, nicht optimal. «In den vergangenen zehn Jahren lagen die WHO-Empfehlungen in mindestens drei Jahren komplett falsch», sagte Welte. Während die Herstellung von Millionen Impfdosen läuft, wandeln sich die Erreger weiter. So kann es kommen, dass der Impfstoff nicht mehr passt. Bei älteren Menschen kommt hinzu, dass das Immunsystem oft nicht mehr so fit ist und die Impfung daher nur schwächeren Schutz bietet. Das RKI verwies allerdings immer wieder darauf, dass angesichts der Häufigkeit der Grippe immer noch zahlreiche Fälle mit der Impfung verhindert werden, sie gelte als wichtigste Schutzmaßnahme. News4teachers / mit Material der dpa
