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Kinderärzte-Präsident behauptet: Infektionen in Schulen gehen von Lehrern aus – er fordert (nur) für sie Maskenpflicht im Unterricht

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BERLIN. Der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Thomas Fischbach, hat sich für eine Maskenpflicht für Lehrer auch im Klassenzimmer ausgesprochen. Er halte eine solche Maskenpflicht für das Lehrpersonal „durchaus für sinnvoll“, sagte Dr. med. Thomas Fischbach der „Welt“. Der empfohlene Sicherheitsabstand sei in beengten Klassenräumen oft nicht möglich. Eine generelle Maskenpflicht im Unterricht für Schüler hält Fischbach dagegen nicht für nötig. Der BVKJ trommelt seit Monaten für weite Schulöffnungen.

Sind Lehrer potenzielle Superspreader – Schüler aber nicht? Foto: Shutterstock

Fischbach bezeichnet es im Interview als auffällig, „dass es bei den letzten Ausbrüchen an Schulen immer Lehrer waren, die das Virus von außen hereingetragen hatten“ – Belege für die Behauptung liefert er nicht. Beim derzeit größten dokumentierten Corona-Ausbruch an einer Schule in Berlin, es geht dabei um ein Gymnasium in Spandau, wurden Infektionen bei einem Lehrer und zehn seiner Schüler festgestellt. Wer wen angesteckt hat – und ob überhaupt ein Zusammenhang besteht –, das ist für das zuständige Gesundheitsamt allerdings offen. Ob sich die Schüler bei dem Lehrer angesteckt hätten oder umgekehrt der Lehrer bei einem Schüler, „das können wir so überhaupt nicht sagen“, erklärte die zuständige Amtsärztin. (News4teachers berichtet aktuell über den Fall – hier geht es zu dem Beitrag.)

“Im Frontalunterricht vor der Klasse können Lehrer zu Superspreadern werden”

Gleichwohl sagt Fischbach: „Bislang gibt es vielerorts für Lehrer nur eine Empfehlung, eine Maske zu tragen, wenn der Sicherheitsabstand nicht eingehalten werden kann. Das ist in Grundschulen ohnehin nie möglich, in weiterführenden Schulen bei den beengten Räumlichkeiten meist auch nicht. Wenn Sie im Frontalunterricht vor der Klasse stehen, haben Sie aber eine ähnliche Situation wie im Chor. Da können Lehrer zu Superspreadern werden.“

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Für Schüler dagegen lehnt der Kinderarzt eine generelle Maskenpflicht im Unterricht ab. „Eine pauschale Maskenpflicht für Schüler im Unterricht wie in NRW halten wir zum Beispiel nicht für sinnvoll. Wenn ich in einer Stadt wie meiner Heimatstadt Solingen mit 163.000 Einwohnern 39 aktuelle Corona-Fälle habe, dann bin ich der Auffassung, dass das nicht verhältnismäßig ist, von allen Schülerinnen und Schülern eine Maskenpflicht im Unterricht zu verlangen. Anders sieht das aus, wenn wir einen Hotspot haben. Da kann es im Einzelfall sinnvoll sein, vorübergehend eine Maskenpflicht zu verhängen.“

Eine generelle Maskenpflicht funktioniere bei jungen Schülern zudem nicht, so Fischbach. „Sie spielen dauernd daran herum, stecken sie in die Hosentasche und holen sie wieder raus. Ich habe Schüler beobachtet, die ihre Masken auf dem Schulhof austauschen. Dadurch wird sicherlich kein guter Schutz erreicht.“

Der Verband trommelt seit Monaten für weite Schulöffnungen

Der BVKJ hatte in einer gemeinsamen Stellungnahme mit drei weiteren Ärztegesellschaften schon am 18. Mai erklärt: „Kitas, Kindergärten und Grundschulen sollen möglichst zeitnah wiedereröffnet werden“ – und zwar ohne massive Einschränkungen. Es müssten keine kleinen Gruppen gebildet werden. Auch bräuchten die Kinder weder Abstand wahren noch Masken tragen. „Entscheidender als die individuelle Gruppengröße ist die Frage der nachhaltigen Konstanz der jeweiligen Gruppe und Vermeidung von Durchmischungen“, hieß es in dem Papier. Die Kultusministerkonferenz ist in ihren Beschlüssen vom Juni den Empfehlungen weitgehend gefolgt.

Fischbach gehörte auch zu den Medizinern, die Anfang Juni in einer Videokonferenz mit allen SPD-Kultusministern zusammengekommen waren. Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) erklärte nach der Konferenz: „Die Wissenschaftler haben überzeugend deutlich gemacht, dass insbesondere Kinder von der Pandemie kaum betroffen sind und es an der Zeit ist, die Schulen für Kinder wieder zu öffnen.“ (News4teachers berichtete über die bemerkenswerte Veranstaltung und ihre Ergebnisse – hier geht es hin.) Kurz darauf beschloss die KMK, die Abstandsregel nach den Sommerferien streichen zu wollen.

Die Gesellschaft für Virologie hat unlängst noch dieser Einschätzung widersprochen: „Wir warnen vor der Vorstellung, dass Kinder keine Rolle in der Pandemie und in der Übertragung spielen“, so heißt es in einer aktuellen Stellungnahme (News4teachers berichtet auch über dieses Papier ausführlich – hier).

Im Zusammenhang mit Honorarverhandlungen mit den Krankenkassen für das kommende Jahr wies der BVKJ vor zwei Wochen laut einem Bericht des Ärzte-Blatts darauf hin, dass die niedergelassenen Kinder- und Jugendärzte durch die Corona­krise erhebliche Mehraufwände und Einbußen verkraften müssten. News4teachers / mit Material der dpa

Hier lässt sich das komplette Interview mit Fischbach in der “Welt” nachlesen.

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Corona? „Gehört zum alltäglichen Risiko.“ Wie eine Ärzte-Lobby politischen Druck macht, Schulen ohne Einschränkungen zu öffnen

 

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