GIESSEN. Alle 20 Minuten Stoßlüften, um die Aerosolkonzentration im Klassenzimmer zu senken: Es wird kalt in deutschen Klassenzimmern. Von vielen Seiten kommen Forderungen, Schulen bei der Anschaffung mobiler Luftfilteranlagen stärker zu unterstützen, denen sich die Kultusminister der Länder nur zögerlich öffnen. Ein Gießener Versuch scheint der Politik recht zu geben – der Versuch wirft allerdings Fragen auf.
Für das Stoßlüften von Klassenräumen – und gegen mobile Luftfilter – plädieren die Gießener Wissenschaftler Prof. Hans-Martin Seipp und Prof. Thomas Steffens von der Technischen Hochschule Mittelhessen. In einer Untersuchung in einem Klassenraum in Wiesbaden haben sie ermittelt, wie sich dort die Fenster-Stoßlüftung auf lungengängige Aerosole auswirkt. Wesentliches Resultat: Die Stoßöffnung aller Fenster über drei Minuten bei Außentemperaturen von 7 bis 11 Grad Celsius kann die eingebrachte Konzentration an Aerosolen bis zu 99,8 Prozent senken. Damit habe sich die Fensterstoßlüftung um das zehn- bis 80-fache wirksamer gezeigt als eine maschinelle Luftfilterung.
Wissenschaftler empfehlen das Aufstellen mobiler Luftfilter in Klassenräumen
Allerdings haben Seipp und Steffens offenbar selbst mobile Luftfilter zum Vergleich gar nicht eingesetzt. Sie beziehen sich auf einen früheren Versuch, bei dem “vier mobile Luftfiltergeräte” gleichzeitig im Einsatz gewesen seien und nach rund 30 Minuten eine Reduzierung der Konzentration um 90 Prozent gebracht hätten. Um die beiden aktuellen großen Studien der Goethe-Universität Frankfurt sowie vom Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Universität der Bundeswehr München hat es sich dabei offensichtlich nicht gehandelt.
Atmosphärenforscher der Goethe-Universität Frankfurt hatten ermittelt, dass ein (einziger) Luftreiniger der Filterklasse HEPA (H13) die Aerosolkonzentration in einem Klassenzimmer in einer halben Stunde um 90 Prozent senken kann. Weil damit das Risiko einer Aerosolinfektion mit dem SARS-CoV-2 Virus deutlich verringert wird, empfehlen die Wissenschaftler das Aufstellen entsprechender Luftreiniger in Klassenräumen.
Wissenschaftler vom Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Universität der Bundeswehr München hatten zuvor einen (einzigen) Raumluftreiniger untersucht, mit dessen Filterkombination selbst sehr kleine Aerosol-Partikel zu 99,995 Prozent aus der Raumluft abgeschieden werden. In einem 80 Quadratmeter großen Raum könne die Aerosolkonzentration in sechs Minuten halbiert werden, so hieß es. Weil die Aerosole rausgefiltert werden, würden die Geräte auch nicht zur Virenschleuder, hielten die Forscher fest. Sie empfehlen Raumluftreiniger der Filterklasse HEPA (H14) ausdrücklich für Schulen.
Gegen das Lüften eines Klassenraums spricht nichts – schon aufgrund der CO2-Konzentration nicht
Gegen das Lüften eines Klassenraums spricht nach Aussage der Frankfurter Forscher übrigens gar nichts – auch nicht, wenn ein Luftfilter im Einsatz ist. „Ein Luftfilter ersetzt nicht das regelmäßige Öffnen des Fensters, wodurch die CO2-Konzentration im Raum wieder gesenkt wird. Unsere Messungen in den Klassenzimmern haben gezeigt, dass die Werte häufig über den empfohlenen Grenzwerten lagen. Hier empfehlen wir die Installation von CO2-Sensoren, damit Schüler und Lehrer dies kontrollieren können.“ News4teachers
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