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Söder verwirft seinen eigenen Stufenplan für die Schulen – Devise jetzt: Offenhalten, bis Schüler und Lehrer infiziert sind

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MÜNCHEN. In der Praxis wurde es bereits so gehandhabt, auf dem gestrigen Schulgipfel auch offen ausgesprochen: Die Schulen in Bayern bleiben offen, sofern es nicht in der jeweiligen Schule selbst ein «schwerwiegendes Infektionsgeschehen» gibt. Damit ist klar: Die bayerische Staatsregierung hält im Schulbetrieb nicht mal mehr ihren eigenen Stufenplan ein.

Wirft seinen eigenen Stufenplan in die Tonne: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Foto: photocosmos1 / Shutterstock

Die eigentlichen Vorgaben sind längst von der Realität überholt: Angesichts rasant gestiegener Fallzahlen gilt der ursprüngliche Stufenplan der Staatsregierung für den Infektionsschutz an Schulen im eigentlichen Sinne nicht mehr. Um die Schulen im Freistaat weiterhin geöffnet zu halten, sollen die Gesundheitsämter noch stärker als bislang individuell über Schulschließungen oder andere Schutzmaßnahmen entscheiden.

Grundsätzlich gelte die ausgerufene Linie, dass der Unterricht so lange wie möglich in den Klassenzimmern stattfinden sollte, sagte Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) nach dem Schulgipfel am Mittwoch. «Abweichungen vom Präsenzunterricht kann das Gesundheitsamt bei schwerwiegendem Infektionsgeschehen an den Schulen anordnen.»

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Im Klartext: Der eigentlich geltende Stufenplan, dessen Grenzwerte schon unmittelbar vor Schuljahresbeginn nach oben verschoben wurden und der seit Wochen immer stärker aufgeweicht wurde, wird mehr oder weniger offiziell ad acta gelegt. Er sah vor, dass bei mehr als 35 beziehungsweise 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen einer Woche klare Schritte folgen, von denen nur in begründeten Ausnahmen Abstand genommen werden sollte.

Schulschließung soll es erst dann geben, wenn es in der Schule selbst Infektionen gibt

Doch nachdem der Inzidenzwert in weiten Teilen Bayerns inzwischen weit über 100 liegt, sollen nun die Gesundheitsämter vor Ort nach einer einheitlichen, aber an die örtlichen Gegebenheiten angepassten Linie entscheiden. Und unabhängig von den Zahlen des jeweiligen Landkreises oder der jeweiligen Stadt nur dann einzelne Klassen oder gar eine ganze Schule nach Hause schicken, wenn es in der Schule selbst einen Infektionsfall gibt. Zuletzt gab es immer wieder Kritik daran, dass die Behörden bei gleicher Lage völlig unterschiedliche und somit nicht nachvollziehbare Entscheidungen getroffen hatten.

Schon im Vorfeld des Gipfels hatte es viel Kritik an der Schulpolitik des Freistaats gegeben. Selbst während der laufenden Veranstaltung betonte die Bildungsgewerkschaft GEW Bayern per Mitteilung: «Es kann nicht sein, dass die Corona-Bekämpfung an den Schulen inkonsequent umgesetzt wird, nur weil man ein System künstlich am Laufen halten will, das in Wahrheit bereits zusammengebrochen ist.»

Philologen: “Wir müssen uns jetzt damit zufrieden geben”

Teilnehmer am Gipfel, zu dem neben mehreren Kabinettsmitgliedern auch Vertreter der Lehrer-, Direktoren-, Eltern- und Schülerverbände sowie der kommunalen Spitzenverbände eingeladen waren, berichteten von einer angespannten, aber konstruktiven Stimmung. Die Ergebnisse der als Arbeitstreffen ausgerufenen Veranstaltung bewertete Michael Schwägerl vom Bayerischen Philologenverband jedoch verhalten: «Die Hoffnung war natürlich da, dass da konkrete positive Ergebnisse kommen. Wir müssen uns jetzt damit zufrieden geben. Doch die Sorge bleibt, dass die Maßnahmen, die jetzt getroffen wurden, nicht ausreichen, um das Pandemie-Geschehen in den Griff zu kriegen.»

Die Lehrerverbände treibt vor allem der Gesundheitsschutz um. Sie fordern auf breiter Front FFP2-Masken für die Lehrkräfte, die besser vor einer Ansteckung schützen als die herkömmlichen Alltagsmasken. Immerhin habe Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Gespräche in diese Richtung signalisiert, hieß es. Auch Lüftungsgeräte sind derzeit ein heißes Eisen. Zwar stellt die Staatsregierung extra finanzielle Mittel dafür zur Verfügung, doch gibt es Kommunen, die die Anschaffung pauschal ablehnen.

Eltern- und Schülerverbände hatten im Vorfeld des Treffens zudem einen hohen Leistungsdruck beklagt: Viele Schulen hätten bewusst viele Leistungsproben angesetzt, um vor einer drohenden Schulschließung noch möglichst viele Noten erheben zu können. Dieses Problem soll nach Angaben des Kultusministeriums inzwischen aber gelöst sein.

Konsens darüber, dass die Lehrpläne angespasst werden müssen

Breiter Konsens in der Runde war nach Teilnehmerangaben, dass dieses Schuljahr kein normales Schuljahr sein werde und der Lehrplan entsprechend angepasst werden müsse. Zwar soll das Leistungsprinzip nicht komplett aufgegeben, aber doch immer der Situation und den Möglichkeiten angepasst werden – was auch heißt, dass im Laufe der Monate Übertritte und Abschlussprüfungen in den Blick geraten dürften.

«Wir sind für so viel Unterricht live wie möglich, bei größtmöglicher Sicherheit und Klarheit. Aber die Gesundheit der Schüler und Lehrer geht vor», betonte die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, Simone Fleischmann. «Und wir bitten, die Erwartungshaltungen runterzuschrauben. Sonst zerreißt es uns bei dem Druck, den wir vor Ort erleben, und zwar sowohl die Lehrer als auch die Kinder und die Eltern.» Von Elke Richter, dpa

Statement der Philologen

Michael Schwägerl, der Vorsitzende des Bayerischen Philologenverbands, kommentiert den Schulgipfel:

„Leider konnten heute keine echten Ergebnisse erzielt werden. Ich habe das Gefühl, dass das Virus momentan schneller ist als wir. Natürlich wollen alle Beteiligten die Bedingungen verbessern und den Präsenzunterricht erhalten, aber es liegt kein leichter Weg vor uns. Bezüglich der Dienstgeräte und FFP-2-Masken für Lehrkräfte hätten wir uns klarere Aussagen gewünscht, aber es wurden zumindest weitere Gespräche zugesagt.

Insgesamt herrscht weiterhin eine große Unsicherheit bei den Lehrkräften, denn letztlich geht es bei steigenden Infektionszahlen um eine Reduzierung der Kontakte. Und: Ab einem Inzidenzwert von 50 liegt die Verantwortung über Maßnahmen an Schulen weiterhin bei den einzelnen Gesundheitsämtern im Austausch mit den Schulleitungen. Wir hoffen, dass es zukünftig zu einer einheitlicheren Vorgehensweise in Bayern kommt. Trotz des hohen Drucks und der vorhandenen Meinungsunterschiede sollten wir in der Schulfamilie aber an einem Strang ziehen. Momentan sind Solidarität und Zusammenarbeit gefragt, öffentliche Schuldzuweisungen bringen uns nicht weiter.“

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